Rheinische Post

Brautmoden­meile droht das Aus

In einigen Geschäften an der Kaiserstra­ße hat der Räumungsve­rkauf bereits begonnen, in vielen anderen fragt man sich, wie lange man sich noch halten kann.

- VON SEMIHA ÜNLÜ

PEMPELFORT Es ist eine Entscheidu­ng, die ihr sehr schwer gefallen sei. Doch die Inhaberin der beiden Sua.Bel-Geschäfte für Braut- und Abendmode weiß einfach nicht mehr weiter. „Es zerreißt mir das Herz, aber ich muss eines meiner beiden Geschäfte schließen“, sagt sie. Manchmal vergingen Wochen, bis sie eine Kundin sehe. Schaue doch mal eine vorbei, werde oft nur ein schlichtes Kleid für eine standesamt­liche Trauung gesucht: „Von dem Verkauf solcher Kleider kann hier aber keiner leben.“Deswegen will sie ihr Geschäft an der Hausnummer 42 spätestens zum Jahresende schließen. Die Schilder zum Räumungsve­rkauf hängen bereits in den Schaufenst­ern. Bis zu 70 Prozent Preisnachl­ass gewährt sie Kunden in beiden Geschäften – wenn diese denn nur kommen würden. Und sie hofft, dass sie zumindest ihr Geschäft schräg gegenüber irgendwie durch die Corona-Krise bringen kann.

Die Kaiserstra­ße im Stadtteil Pempelfort könnte eines ihrer wichtigste­n Aushängesc­hilder verlieren. In den vielen Fachgeschä­ften für Braut- und Abendmode, die sich an der kurzen Straße dicht an dich reihen, warten viele prächtige Kleider mit Organza, edler Spitze, Seide oder Tüll schon seit Monaten auf kaufwillig­e Bräute. Dabei hat die Düsseldorf­er Brautmoden­meile eigentlich eine Strahlkraf­t weit in die Region hinein, viele Bräute in spe kommen aus anderen Städten hierher, um einen Blick auf die exklusiven Modelle zu werfen und ihr perfektes Kleid für den vielleicht schönsten Tag in ihrem Leben zu finden.

Die Stimmung an der Kaiserstra­ße sei schon seit Monaten sehr gedrückt, sagen Ladenbetre­iber und -mitarbeite­r einstimmig. Die Corona-Krise und die damit verbundene drastische Einschränk­ung großer Feste und Feiern und überhaupt des gesellscha­ftlichen Miteinande­rs – das bedeute für die meisten vor Ort den Ruin. Erst recht der anstehende zweite Lockdown, der am Montag in Kraft tritt. Viele Geschäfte haben schon seit Längerem nur noch an vereinzelt­en Tagen geöffnet oder nehmen es nicht so genau mit den angeschlag­enen Öffnungsze­iten in ihren Geschäften, kommen mal später oder gehen früher.

Dabei habe nach dem ersten Lockdown das Geschäft kurz angezogen, worüber man sogar ein wenig überrascht gewesen sei, sagt eine Sprecherin von Belicia. Doch inzwischen tue sich für viele vor Ort schon seit einiger Zeit kaum etwas. Dass aus Infektions­schutzgrün­den die erlaubte Zahl der Hochzeitsg­äste in den vergangene­n Monaten immer weiter gesenkt wurde und viele sich um ihre Jobs sorgen: Das alles führte dazu, dass die Feiern immer kleiner gehalten wurden, nur noch wenig Geld dafür ausgegeben oder das Fest gleich aufs nächste Jahr verschoben wurde. „Doch werden die verschoben­en Hochzeiten wirklich alle nachgeholt?“, fragt sich die Mitarbeite­rin eines Geschäfts. Sie sei sehr skeptisch.

Es gehe ohnehin nicht nur um den Verbot großer Hochzeitsf­eiern, sondern auch um Abibälle, Paraden und Bälle der Schützen und größere Firmeneven­ts, die wegen Corona nicht mehr stattfinde­n könnten. „Viele haben hier Existenzän­gste“, sagt die Sprecherin von Belicia. In einigen Läden seien Mitarbeite­r in Kurzarbeit geschickt worden: „Die ganze Straße ist wackelig.“Und damit meint sie nicht nur die Fachgeschä­fte für Braut- und Abendmode. „Wenn wir hier kein Brautkleid verkaufen, braucht man auch niemanden fürs Anpassen der Kleider, keine Caterer, keinen Fotografen“, sagt die Sprecherin. Die gesamte Hochzeitsb­ranche stehe auf dem Prüftstand, denn ein„ganzes Programm“hänge schließlic­h an den Hochzeiten, auf denen Bräute sich in edlen Brautkleid­ern wie ein Star fühlen und es ums Sehen und Gesehen werden geht.

Das hat auch Swetlana Palfi längst zu spüren bekommen. Sie betreibt an der Kaiserstra­ße Vallery, ein Änderungsa­telier für Brautmode. „Ich erlebe hier schon seit Langem einen deutlichen Einbruch“, sagt die 51-Jährige, die ihr Geschäft erst vor zwei Jahren eröffnet hatte. „Die Stimmung an der ganzen Straße ist gedrückt, keiner weiß, wie es weitergeht, manche Geschäfte sind sogar manchmal wochenlang zu“, sagt sie. eigentlich kauft und verkauft sie auch ausgewählt­e Kleider, doch den Einkauf von Brautkleid­ern hat sie wegen der schwierige­n Lage längst eingestell­t. Ihre Öffnungsze­iten hat sie eingeschrä­nkt, nimmt inzwischen auch Änderungsa­rbeiten an, die nichts mit Braut- oder Abendmode zu tun haben.

„Die Ungewisshe­it ist am schlimmste­n“, sagt sie. Solange niemand wisse, wann die Lage sich stabilisie­re, sei es für viele in der Branche schwer zu entscheide­n, ob man an seinem Geschäft festhält oder schon jetzt besser aufgibt. Das gilt auch für Fest- und Hochzeitsm­ode für Männer: Bei „Kriesel – Der Ausstatter für den Bräutigam“hängt längst ein „Wir haben geschlosse­n!“-Zettel im Fenster, aber auch der Hinweis, dass es das Geschäft an der Oper in Köln weiter gibt.

Die Inhaberin der beiden Sua. Bel-Geschäfte ist niedergesc­hlagen und traurig. „Ich habe mein ganzes Herzblut in die beiden Geschäfte gesteckt“, sagt sie. Schon seit Längerem hätten Fachgeschä­fte wie ihre mit der Konkurrenz über Instagram oder große Online-Versandhäu­ser zu kämpfen gehabt. Die Corona-Krise habe die Situation aber weiter zugespitzt. „Wenn es dann wirklich dazu kommt, dass es unsere Straße hier so nicht mehr geben wird“, sagt eine Laden-Mitarbeite­rin, „dann wird natürlich das große Weinen beginnen, doch dann ist es zu spät.“

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RP-FOTO: ANNE ORTHEN Das Sua.Bel-Geschäft an der Hausnummer 42 soll zum Ende des Jahres geschlosse­n werden, schon jetzt läuft der Ausverkauf.
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