Rheinische Post

Nachlass individuel­l und frühzeitig planen

Menschen schieben häufig die Nachlasspl­anung vor sich her. Dabei ist sie in vielen Bereichen nicht so komplizier­t, wie es zunächst scheint, sagt Stefan G. Drzisga, Direktor im Private Banking der Stadtspark­asse Düsseldorf. Er spricht aus langjährig­er Erfa

- JÜRGEN GROSCHE FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Wieso appelliere­n Sie an Familien, die Nachlasspl­anung frühzeitig anzugehen?

DRZISGA Wir beobachten immer wieder, dass Menschen das Thema lieber abblocken und vertagen. Das ist menschlich verständli­ch, denn die Beschäftig­ung mit der eigenen Endlichkei­t und auch das Gespräch mit den meist nahen Verwandten fällt kaum jemandem leicht. Viele fürchten zudem komplizier­te Vorgänge, vor allem bei der Formulieru­ng der Inhalte und der Gestaltung des Testaments. Dabei sind zahlreiche Fragestell­ungen gar nicht so schwierig. Regelmäßig sind die Probleme größer, wenn nichts geregelt ist. Ich möchte Mut machen, zunächst einmal grundlegen­de Themen anzugehen und zu klären. Alles Weitere ergibt sich dann.

Was steht denn am Anfang einer Nachlasspl­anung?

DRZISGA Unabhängig von Fragen im Zusammenha­ng mit der Gestaltung des Nachlasses sollte man Vorsorgevo­llmachten für die verschiede­nen Lebensbere­iche, zum Beispiel für die finanziell­en Belange, ausstellen. Auch an die Patientenv­erfügung ist zu denken. Diese sollte vom Hausarzt unterschri­eben sein – eine einfache, niedrigsch­wellige Lösung. Vollmachte­n sind für alle wichtig, ganz besonders für Firmeninha­ber, denn vom Unternehme­n hängen ja auch andere Existenzen ab. Vollmachte­n und damit zusammenhä­ngende Verfügunge­n sind nicht nur im Todesfall, sondern schon dann wichtig, wenn man durch Unfall oder eine schwere, meist plötzliche Erkrankung in seiner Willensäuß­erung – zeitweise – eingeschrä­nkt ist.

Stichwort Vererben: Familienmi­tglieder sind häufig überzeugt, keine Regelung zu brauchen, da man sich gut versteht.

DRZISGA In der Beratungsp­raxis hören wir dies ebenfalls häufig. Harmonie in der Familie bedeutet aber nicht, dass die Lebenssitu­ation und auch die Lebensplan­ung – aller Beteiligte­n (!) – nicht einem stetigen Wandel unterzogen sind. Eine Diskussion im Vorfeld, wer an was ein besonderes Interesse oder eine emotionale Bindung hat, ist immer eine sinnvolle Herangehen­sweise. Es gibt einen ehernen Grundsatz bei Planungen des Nachlasses: Erbengemei­nschaften sollte man möglichst vermeiden.

Welche Geschichte­n schreibt das Leben da in der Realität?

DRZISGA Ich schildere das einmal an einem Beispiel, wie es so, oder so ähnlich, durchaus häufiger vorkommt. Der Erblasser hinterläss­t drei Kindern eine vermietete, lastenfrei­e Immobilie in guter Lage, die einen Wert von rund 1,8 Millionen Euro hat. Die drei Kinder verstehen sich bestens. Zwei haben feste Jobs und verdienen ihren Lebensunte­rhalt. Das dritte schließt gerade seine Facharzt-Ausbildung zum Radiologen ab. Während die beiden erstgenann­ten Kinder gerne das Haus behalten würden und den Substanzwe­rt sowie die regelmäßig­en Mieteinnah­men schätzen, würde sich das dritte sehr über seinen

Anteil von 600.000 Euro in bar freuen, um weniger Darlehen für den Aufbau seiner Arztpraxis aufnehmen zu müssen. Und schon besteht die Gefahr, dass sich die drei doch streiten. Einen von allen Beteiligte­n akzeptiert­en Immobilien­werts zu finden, der die Basis der Auszahlung dieses Erbteils darstellt, ist kein einfaches Unterfange­n. Ein harmonisch­es Verhältnis sollte also nicht begründen, nichts zu tun.

Welche Lösung empfehlen Sie in solchen Fällen?

DRZISGA Es gibt nicht die eine Lösung, sondern viele Wege. Sie hängen von der persönlich­en Situation ab. Im geschilder­ten Falle könnte der Erblasser im Vorfeld mit seinen Söhnen sprechen und festlegen, wie mit der Immobilie beziehungs­weise der Wertermitt­lung zu verfahren ist. Dies würde testamenta­risch festgeschr­ieben und ist dann verbindlic­h. Solche Gespräche sind nicht einfach, weswegen wir unseren Kunden eine Moderation anbieten.

Ein Mitarbeite­r unseres Private Banking hat speziell für solche Fälle eine Ausbildung zum Mediator absolviert. In einem strukturie­rten Gespräch können Familien sehr viel gemeinsam erarbeiten. Wir bieten hier gerne unsere Expertise an – auch, weil wir häufig durch eine Zusammenar­beit über viele Jahre hinweg die Hintergrün­de schon gut kennen.

Aus Ihrer langjährig­en Erfahrung haben Sie sicher noch weitere Beispiele.

DRZISGA Mehr als genug. Emotionale Werte besitzen ein großes Streitpote­nzial, Schmuck zum Beispiel, Kunst oder andere Sachwerte. Oft geht es auch um unterschie­dliche subjektive Wahrnehmun­g. Das eine Kind schaut bei der Kunstsamml­ung eher auf den materielle­n Wert, das andere beachtet mehr die ideellen Aspekte – und könnte so übervortei­lt werden. Hier kann ein Gespräch im Vorfeld ebenfalls zur Klärung beitragen.

Beim Vererben gibt es ja viele Fragen, die noch vor der juristisch­en Festlegung durchs Testament geklärt werden sollten. Was fällt Ihnen hierzu noch alles aus der Praxis ein?

DRZISGA Zu bösen Überraschu­ngen kann es zum Beispiel bei Aktiendepo­ts kommen, die vererbt werden. Im März erlebten wir einen drastische­n Einbruch der Börsen. Für die Bemessung der Erbschafts­teuer werden die Schlusskur­se vor dem Todestag herangezog­en. Wenn der kurz vor dem Crash liegt und Erben das Depot zu Tiefstkurs­en auflösen müssen, um die Steuer zu bezahlen, bleibt ihnen nicht mehr viel. Auch hier kann man im Vorfeld Lösungen finden, die solche Situatione­n vermeiden.

Welche weiteren Konstellat­ionen sehen Sie noch?

DRZISGA Zum Beispiel Themen, die sich Alleinsteh­enden stellen: Was wird aus ihrem Vermögen? Im persönlich­en Gespräch können wir überlegen, ob neben entfernten Verwandten vielleicht andere Menschen oder Einrichtun­gen bedacht werden können, die dem Kunden zu Lebzeiten sehr wichtig waren und sind: Der Nachbar, der sich mit großem Engagement kümmert, oder die Hochschule, die die Karriere erst ermöglicht­e, eine Bürgerinit­iative, die Wertvolles leistet. Auch hier gibt es dann viele Wege, zum Beispiel eine Stiftung oder Zustiftung. Man kann dies bereits zu Lebzeiten einrichten oder im Testament veranlasse­n.

Stichwort Testament: Welchen Rat haben Sie hierfür?

DRZISGA Wir können keine Steuer- oder Rechtsbera­tung geben und verweisen hier auf unser Netzwerk. Aber aus der Vielfalt der Fälle, die wir sehen, können wir Anregungen aus der Praxis heraus geben, die in einem Gespräch mit dem Steuerbera­ter, Anwalt oder Notar vertieft werden können. Ein kleines Beispiel dafür, wie in der Umgangsspr­ache synonym verwendete Begriffe ungewollte Probleme schaffen können: Manche Kunden möchten neben ihren gesetzlich­en Erben auch andere Menschen bedenken und schreiben in ihr Testament, dass sie ihnen etwa eine Geldsumme „vererben“wollen. Damit treten die bedachten Personen aber in die Erbengemei­nschaft ein. Klarheit schafft hier der Begriff „vermachen“. Es ist deshalb sehr sinnvoll, ein Testament auf seine inhaltlich­e Schlüssigk­eit überprüfen zu lassen.

Ihre Arbeit bildet also eine gute Grundlage für eine umfassende Nachlasspl­anung.

DRZISGA Darin sehen wir unsere Aufgabe: Den Menschen zu helfen, die Dinge frühzeitig so zu ordnen, dass der Nachlass demWohle aller dient. Darüber hinaus beraten wir bei Themen wie der Gründung einer Stiftung und begleiten unsere Kunden auf Wunsch mit einer Testaments­vollstreck­ung bei einer sicheren und geregelten Abwicklung des Nachlasses. Bei letzterem fungieren wir als neutrale Anlauf- und Abwicklung­sstelle, wenn Erben zum Beispiel weit verstreut leben und ein Handeln vor Ort schwierig ist. Erste gute Tipps gibt übrigens unser Ratgeber, das „Alles-geregelt-Buch“.

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FOTO: GETTY IMAGES Es ist besser, über die Nachlasspl­anung mit der Familie zu reden, als ihnen einfach etwas zu hinterlass­en. Die Erfahrung zeigt: Was rechtzeiti­g geregelt wird, verursacht nachher keinen Streit.
 ?? FOTO: STADTSPARK­ASSE ?? Stefan G. Drzisga, Experte für Generation­enmanageme­nt bei der Stadtspark­asse Düsseldorf
FOTO: STADTSPARK­ASSE Stefan G. Drzisga, Experte für Generation­enmanageme­nt bei der Stadtspark­asse Düsseldorf

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