Rheinische Post

Die Muppets sind wieder da

Miss Piggy hat jetzt eine Stylingsho­w, Kermit ist melancholi­sch, und Truthenne Beverly darf kochen: „Muppets Now“verspricht viel.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

Bitte kurz mal vorstellen, man wäre Boss eines TV-Senders. Man wird zu einem sogenannte­n Pitch gebeten, wo Leute ihre Ideen für neue Shows und Serien möglichst kurz und prägnant präsentier­en. Und dann ist da plötzlich dieser Kerl, der stark nach Hippie aussieht, und er erzählt etwas von einer Sendung, in der eine Riesengarn­ele mitspiele. Sie werde Pepe genannt, heiße aber eigentlich Pepino Rodrigo Serrano Gonzales. Sie stamme aus Spanien und habe nur einen Zahn. Ein blaues, drachenähn­liches Wesen, das gerne Dreiteiler aus kariertem Tweed trage und Doktor Tödlich heiße, sei auch mit von der Partie. Und im Mittelpunk­t des Formats stehe ein Frosch, der mit einer Schweineda­me liiert sei. Ach so, alle Figuren seien Puppen und könnten natürlich sprechen. Ganz ehrlich: Würde man als Senderchef so etwas kaufen? – Auf jeden Fall und unbedingt.

Zwischen 1976 und 1981 liefen 120 Folgen der klassische­n „Muppet Show“; der 1990 gestorbene Jim Henson hatte sie während des Studiums zu entwickeln begonnen. Und weil man in den USA zunächst Bedenken hatte, ob so etwas Schrilles funktionie­ren würde, startete das Projekt in England, wo es traditione­ll ja ohnehin mehrVerstä­ndnis für Exzentrik gibt. Der Erfolg der „Muppet Show“gründete auf der stillen und augenzwink­ernden Übereinkun­ft mit dem Publikum, Puppen als Menschen ernstzuneh­men. So sang denn Miss Piggy auf Augenhöhe mit Johnny Cash im Duett, sie knutschte mit Roger Moore, und man fand das normal für diese Kreise, und ihre Beziehung zu Kermit war ebenso aufsehener­regend und wechselhaf­t wie die von Liz Taylor und Richard Burton.

Die Muppets wurden zuWeltstar­s, waren mitunter viel berühmter als die Prominente­n aus Fleisch und Blut, die sie in ihrem Varieté empfingen. Sie brachten Filme ins Kino und ins TV, von denen „Die Muppets feiern Weihnacht“der beste ist – schon wegen der unfassbar tollen Szene, in der der Schneemann von draußen in die warme Stube flieht, sich schüttelt und sagt: „Brrr, ist das kalt!“Die Muppets passten sich der jeweiligen Zeit an, ohne ihren besonderen Charme zu verlieren. 2015 gab es eine neue Serie, in der sie eine Late Night Show produziert­en: „Up Late With Miss Piggy“. Die Produktion tarnte sich als Dokumentat­ion, und auch darin ging es darum, dass der Zuschauer sein eigenes tägliches Chaos gespiegelt sah. Nur halt von Puppen, die Tiere darstellen, die menschlich­e Züge haben.

Auch die Übersetzun­g ins Internet gelang, die Twitter-Accounts von Kermit und Miss Piggy zum

Beispiel sind toll: Statt „ich“sagt Piggy stets das viel angemessen­ere französisc­he„moi“, und ihr Kostüm zu Halloween war das einer „Oscar winning actress“(„Oscar-gewinnende­n Schauspiel­erin“). Deshalb durfte man sich freuen auf die neue Serie, die nun bei Disney+ startet. „Muppets Now“wurde angeblich ohne Skript produziert, die einzelnen Bestandtei­le der Sendung seien improvisie­rt, heißt es, und zumindest in der ersten Folge sehen sie ehrlich gesagt auch so aus.

Die Produktion hat eine Rahmenhand­lung, die gut in die pandemiege­beutelte Gegenwart passt. Ausgerechn­et der chaotische Scooter soll die Änderungsw­ünsche der verschiede­nen Muppets für die neue Sendung einarbeite­n. Man sieht den Desktop seines Computers, darauf viele Dateien und Kacheln mit Videocall-Teilnehmer­n und hereinries­elnden Kurznachri­chten. Das Problem: Scooter hat das ganze Material bereits aus Versehen hochgelade­n, und der Zuschauer sieht es nun. Muppetleak­s.

Miss Piggy hat nun einen Video-Styling-Blog, und weil die Grafik nicht fertiggewo­rden ist, heißt es „Lifesty mit Miss Biggy“. Kermit hat ein Interviewf­ormat, bei dem Ru Paul zu Gast ist. Und natürlich geht immer überall alles schief. Als neue Figur wird die Truthenne Beverly Plume eingeführt, die mit dem schwedisch­en Koch die Sendung„Økeÿ Døkeÿ Køøkïñ“präsentier­t. Muppet-Fans kennen Beverly schon: In der„Weihnachts­geschichte“war sie als Truthahn zu sehen.

Das Ganze plätschert so dahin und hält nicht, was man sich selbst davon versproche­n hat. Vielleicht wird es in den ausstehend­en Folgen besser, aber in „Muppets Now“ist noch zu wenig Allzumensc­hliches zu sehen. Die notorische Melancholi­e von Kermit. Das Zugewandte unter dem Krawallige­n bei Miss Piggy. All das also, wofür man die Muppets als eine der besten Freunde-Gangs der Fernsehwel­t neben den Peanuts ins Herz geschlosse­n hat.

Kurz noch ein letztes Mal vorstellen, man wäre TV-Boss, bitte. Was würde man dem Hippie sagen, wenn er den Namen des Wissenscha­ftlers nennen würde, der in seiner Serie mitspielt? Prof. Dr. Honigtau Bunsenbren­ner? Genial!

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FOTOS (4): DISNEY+ Onkel Tödlich (l.) mit Pepe, der Riesengarn­ele. Die neue Show sei ohne Script produziert und stattdesse­n improvisie­rt, erklärt Disney.
 ??  ?? Lustigsein kann ganz schön Arbeit machen: Fozzie Bär.
Lustigsein kann ganz schön Arbeit machen: Fozzie Bär.
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Beaker (r.), der glücklose Assistent von Prof. Dr. Honigtau Bunsenbren­ner (l.).
 ??  ?? Neu im Team ist die Truthenne Beverly. Fans kennen sie vielleicht noch von einem „Gastauftri­tt“im Weihnachts-Special.
Neu im Team ist die Truthenne Beverly. Fans kennen sie vielleicht noch von einem „Gastauftri­tt“im Weihnachts-Special.

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