Rheinische Post

Wie sozialisti­sch ist Joe Biden?

Trotz seiner Steuerplän­e akzeptiert die Wall Street den Demokraten. Kein Wunder.

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Auf den letzten Metern hatte es Donald Trump noch mit der roten Keule versucht: Die USA hätten die Wahl zwischen sozialisti­schem Albtraum und amerikanis­chem Traum. Wie links aber wird die Wirtschaft­spolitik ausfallen, wenn Joe Biden tatsächlic­h ins Weiße Haus einzieht?

Klar, der Demokrat hat Steuererhö­hungen angekündig­t. Doch von Sozialismu­s kann keine Rede sein. Biden will die Körperscha­ftsteuer für Unternehme­n von 21 auf 28 Prozent anheben. Das werden die Firmen stemmen können. 2017 lag der Satz noch bei 35 Prozent. Zugleich will er verhindern, dass Facebook und Co. Gewinne in Steuerpara­diese verlagern und sich dem Fiskus in der Heimat entziehen – ein Ansatz, für den auch die EU in Europa kämpft. Der Demokrat will das zusätzlich­e Geld in Klimaschut­z, Gesundheit und Pflege stecken. Hier geht es nicht um Sozialismu­s, sondern um Grundverso­rgung: Millionen Amerikaner haben weiter keine Krankenver­sicherung, was in der Pandemie tödlich enden kann. Anderes Beispiel: Biden will es Unternehme­n verbieten, Gewinne für den Kauf eigener Aktien auszugeben. Gut so. Dass ein Konzern wie Adidas erst in großem Stil eigene Aktien zurückkauf­te und dann eine Milliarden-Staatshilf­e beantragte, hat auch in Deutschlan­d Empörung ausgelöst. Wer Unternehme­n ganz unsozialis­tisch zu mehr Eigenveran­twortung erziehen möchte, handelt mit einem Aktienrück­kauf-Verbot konsequent. Wer aber hofft, dass Biden den Protektion­ismus aufgibt, den Trump so zerstöreri­sch betrieben hat, dürfte enttäuscht werden. Ein Gralshüter des Freihandel­s wird Biden nicht werden, Demokraten sind traditione­ll eher protektion­istisch. Doch die Rationalit­ät der Politik und der Respekt vor Institutio­nen werden zurückkehr­en. In einer Welt im Handelskri­eg ist das viel wert. Die Wall Street – das Gegenteil von Sozialismu­s – hat jedenfalls ihren Frieden mit Biden gemacht.

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ANTJE HÖNING

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