Es heißt jetzt, wir seien alle Rassisten
Der Skandal um mutmaßlich rechtsextreme Chats bei NRW-Sicherheitsbehörden hat sich auf 151 Verdächtige ausgeweitet. Das Thema hat Auswirkungen auf die Arbeit der Polizei. Die Kölner Zivilfahnderin Victoria Chernikova erzählt, welche das sind.
Meine Kollegen und ich waren ziemlich erschüttert, als wir von den rechtsextremen Chats gehört haben. Ich muss sagen, so etwas hätte ich nie erwartet, schon gar nicht in polizeiinternenWhatsapp-Gruppen.Wir haben viel darüber gesprochen und haben jetzt einen Extremismus-Beauftragten im Kölner Polizeipräsidium, an den wir uns wenden können, bei allen Fragen zum Thema. Also wenn man zum Beispiel mitbekommt, dass ein Kollege oder ein Vorgesetzter sich in befremdlicher Weise äußert, sei es rechtsextrem oder anderweitig abfällig.
Ich wurde in Moskau geboren und kam mit elf Jahren nach Deutschland. Spätestens wenn ich meinen
Nachnamen sage, wissen die Leute, dass ich eine ausländische Herkunft habe. Das hält sie aber nicht davon ab, mich als Rassistin zu bezeichnen, wenn sie mit irgendwelchen polizeilichen Maßnahmen nicht einverstanden sind. „Ihr seid doch eh alle Rassisten“, heißt es dann nicht selten. Seit die Fälle der rechtsextremen Chats bekannt geworden sind, ist das schlimmer geworden. Ich ignoriere das und mache meinen Job. Meine Kollegen und mich beschäftigt das aber, weil die Bürger die Vorfälle offensichtlich verallgemeinern.Wir sind die Bösen. Es gab bisher auch noch keine gegenteilige Reaktion, spätestens der zweite Satz ist: Du bist eine Rassistin.
Ich habe viel darüber nachgedacht, warum Kollegen offenbar rechtsextreme, ausländerfeindliche Neigungen entwickeln. Ich habe darauf aber keine Antwort gefunden. Wir haben in unserem Job ja – beispielsweise – nicht nur mit kriminellen Menschen mit ausländischer Herkunft zu tun, sondern vor allem auch mit vielen Deutschen. Man kann also meiner Meinung nach nicht sagen, dass sich das Bild auf eine bestimmte Menschengruppe vielleicht deshalb ins rein Negative verschiebt, weil man eben nur kriminelle Menschen mit ausländischenWurzeln kennenlernt und erlebt in unserem Job. Da wir in Deutschland sind, sind eben die meisten Tatverdächtigen, die uns begegnen, auch Deutsche. Ich frage mich auch, wie man überhaupt auf die Idee kommt, ein Foto, das sich etwa gegen Flüchtlinge richtet, in einen dienstlichen Chat zu stellen.Wir haben auch eine Chatgruppe mit 20 bis 30 Kollegen, da geht es aber rein um dienstliche Planung oder Erreichbarkeiten.
Ich habe im Laufe meiner Zeit bei der Kölner Polizei nie schlechte Erfahrungen mit Kollegen gemacht, nur weil ich nicht Meier oder Schmitz heiße, sondern Chernikova. Im Gegenteil. Dass ich Russisch kann, hilft uns sehr. Bei der Fußball-WM-Vorbereitung 2018 habe ich mich zum Beispiel um die russische Delegation der Polizei gekümmert. Im Alltag hilft es, dass ich mich sowohl mit Menschen aus Russland, aber auch mit Leuten aus der Ukraine, aus Litauen oder Belarus verständigen kann. Vor zwei Jahren hatten wir mal einen Einsatz wegen häuslicher Gewalt und trafen auf ein russisches Ehepaar. Ich konnte hören, wie die Frau auf Russisch zu ihrem Mann sagte: „Ich erzähle den Polizisten jetzt einfach, dass du mich vergewaltigt hast.“Das war aber eine Lüge, und wir konnten sie damit konfrontieren.
Ich bin zur Polizei gekommen, weil ich selbst positive Erfahrungen
Ich habe nie schlechte Erfahrungen mit Kollegen gemacht, nur weil ich nicht Meier oder Schmitz heiße
mit der deutschen Polizei gemacht habe, als ich gerade mal ein Jahr in Deutschland war und noch gar nicht richtig Deutsch konnte. Es gab bei uns zu Hause einen Fall von häuslicher Gewalt zwischen meiner Mutter und deren damaligem Lebensgefährten. Die Polizisten und Sachbearbeiter haben meine Mutter und mich damals so gut unterstützt, dass ich wusste: Das will ich auch beruflich machen. Das ist auch immer noch mein Hauptantrieb: den Menschen zu helfen. Und ich hoffe, das Gefühl, dass die komplette Polizei gerade wegen der Rechtsextremismus-Fälle unter Generalverdacht steht, legt sich bald wieder.