Gerichte können Präsidenten machen
Trump setzt bei seinen Klagen gegen die Auszählung auf konservative Richter.
WASHINGTON (dpa) Nach einem chaotischen Monat desWartens und mit Betrugsvorwürfen gewinnt ein Kandidat dank eines Gerichtsurteils die US-Präsidentenwahl – das ist der Albtraum, der manche Amerikaner umtreibt: Nach einer knappen Wahl mit Rekordbeteiligung könnten letztlich Richter entscheiden. Es gibt zwei Gründe, wieso das nicht als Fantasie abgetan werden kann: Erstens ist es bei der Wahl im Jahr 2000 genau so gewesen; und zweitens scharren die Anwälte angesichts des absehbar knappen Ergebnisses bereits mit den Hufen.
Gerichte können nicht über den Ausgang der Wahl an sich befinden, auch nicht der Supreme Court in Washington. Richter sind nicht für eine Überprüfung der Ergebnisse zuständig. Örtliche Gerichte oder übergeordnete Instanzen können aber über die Rechtmäßigkeit von Fristen, Auszählungsregeln oder die Gültigkeit von Ergebnissen entscheiden.
In den allermeisten Wahljahren, wenn ein Kandidat einen gutenVorsprung hat, könnten ein oder zwei Klagen nicht den Wahlausgang beeinflussen. Angesichts der absehbar knappen Ergebnisse in Staaten wie Wisconsin, Michigan und Pennsylvania könnte das in diesem Jahr anders sein. Wegen des Mehrheitswahlrechts kann sich ein Kandidat einen Bundesstaat theoretisch schon mit einer Stimme Vorsprung sichern. Trumps Wahlkampfteam kündigte an, inWisconsin eine Neuauszählung der Stimmen zu beantragen. In Michigan reichten sie eine Klage ein, um die Auszählung zu stoppen. Genauso in Pennsylvania. In den drei Staaten werden zusammen die Stimmen von 46 Wahlleuten vergeben. Ein Kandidat braucht zum Sieg 270 Stimmen. Biden schien am Mittwochabend amerikanischer Zeit vorne zu liegen, aber es dürfte knapp werden.
Der Mehrheitsführer der Republikaner im Senat, Mitch McConnell, erklärte, dass er Trumps Ankündigung, den Kampf um die Wahl vor Gericht fortzusetzen, für unproblematisch halte. Bei einem knappen Wahlergebnis „ist das schon früher passiert und könnte auch dieses Mal passieren“, sagte der Trump-Vertraute: „Vor Gericht zu gehen, ist der Weg, wie wir Unsicherheiten auflösen.“Die Demokraten warben um Spenden für Prozesskosten. Sie seien nach Trumps Drohungen„bereit zurückzuschlagen“, schrieb Bidens Vize-Kandidatin Kamala Harris auf Twitter: „Unsere Arbeit könnte sich über Wochen hinziehen, und wir brauchen Ihre Hilfe.“
Demokraten und Republikaner hatten schon vor der Wahl zahlreiche Anwälte engagiert. Manche Klagen dürften durch alle Instanzen gefochten werden und könnten letztlich beim Obersten Gerichtshof in Washington, dem Supreme Court, landen. Dort hat Trump einen Heimvorteil: Sechs der neun auf Lebenszeit ernannten Richter gelten als konservativ, drei davon hat der Republikaner selbst nominiert.
Donald Trump hat schon vor der Wahl behauptet, er könne nur verlieren, falls es „massiven Wahlbetrug“gebe. Es schien daher so gut wie ausgeschlossen, dass er kampflos seine Niederlage einräumen würde. Er wird, glauben Beobachter, jede Klage ausfechten lassen.