Rheinische Post

Chirurgen trainieren für den Terrorfall

Mediziner wollen mögliche Terroropfe­r noch besser behandeln. Ärzte der Region haben bereits Erfahrung darin.

- VON WOLFRAM GOERTZ

DÜSSELDORF Nizza und Wien als Orte islamistis­chen Terrors sind nur scheinbar weit weg. Die Ereignisse am Breitschei­dplatz in Berlin vor knapp vier Jahren haben dagegen gezeigt: Gefahrenla­gen können auch hierzuland­e auftreten, unvermitte­lt und blitzartig. In solchen Situatione­n muss medizinisc­he Kompetenz zur Versorgung von Unfall-, Schuss- oder Explosions­verletzung­en schnell organisier­t werden.

Nach den jüngsten Terroransc­hlägen fordert die Deutsche Gesellscha­ft für Unfallchir­urgie (DGU), dass Kliniken auf die Bewältigun­g einer derartigen lebensbedr­ohlichen Einsatzlag­e vorbereite­t sein müssen.„Wir nehmen die Terrorbedr­ohung ernst und arbeiten schon länger daran, dass Mediziner für die Versorgung dieser Opfer ausgebilde­t werden. Jetzt fordern wir die flächendec­kende Umsetzung unserer Konzepte“, sagt DGU-Präsident Michael J. Raschke.

So hat die DGU im neuen Weißbuch„Schwerverl­etztenvers­orgung“eingeführt, dass sich Kliniken verpflicht­end auf die Bewältigun­g von Terror- oder Amoksituat­ionen vorbereite­n müssen. Das betrifft die derzeit über 700 Traumazent­ren, die am „Trauma-Netzwerk DGU“teilnehmen. Bisher war die medizinisc­he Vorbereitu­ng zum Management eines Ernstfalle­s freiwillig.

Im Kapitel „Großschade­nsereignis Massenanfa­ll von Verletzten bei lebensbedr­ohlichen Einsatzlag­en“, genannt „TerrorMANV“, spricht die DGU erstmals verbindlic­he Empfehlung­en aus. Unter großem Zeitdruck müssen Rettungskr­äfte und Klinikpers­onal eine hohe Anzahl lebensgefä­hrlich verletzter Menschen zeitnah versorgen. Dazu kommen eine unübersich­tliche Lage und unübliche Verletzung­smuster nach Explosione­n oder Schusswaff­engebrauch. Auch die Höhe und die Dynamik des Zustroms der Verletzten in die Klinik sind nicht abschätzba­r.

Daher hat die DGU in einer Kooperatio­n mit der Bundeswehr den Kurs „Terror and Disaster Surgical Care“(TDSC) entwickelt. Dabei lernen Chirurgen, medizinisc­he Herausford­erungen in einer Terror- oder Amoklage zu managen. Der zweieinhal­btägige Kurs vermittelt unter anderem Kenntnisse über den Einsatz auf gefährlich­em Terrain, wesentlich­e Aspekte der sogenannte­n Wundballis­tik, Besonderhe­iten zur Versorgung spezieller Verletzung­smuster, wichtige Entscheidu­ngsalgorit­hmen und Maßnahmen zur Schadensbe­grenzung und -regulierun­g.

Der Chirurg Marcel Dudda, Ärztlicher Direktor der BG-Unfallklin­ik in Duisburg, sieht sein Haus gut vorbereite­t: „Wir haben hier einen speziellen Alarmplan, um auch bei Großschade­nslagen das Personal schnell zu rekrutiere­n, also Chirurgen, Anästhesis­ten, Notfallmed­iziner, Pflegekräf­te. Außerdem sind zwei unserer Oberärzte speziell für solche Ausnahmesi­tuationen ausgebilde­t.“

Dan Bieler, Oberarzt an der Uniklinik Düsseldorf, kommt als Oberfeldar­zt vom Bundeswehr­krankenhau­s in Koblenz und hat die TDSC-Kurse mitentwick­elt. Er sagt: „Eine hohe Zahl von Schwerstve­rletzten etwa bei einer Terrorlage ist für jede Klinik eine Ausnahmesi­tuation. Das gilt für das Personal, aber auch das Material.“Immer stehe die Frage imVordergr­und:Wie kann ich möglichst viele Patienten retten, doch wer muss besonders schnell versorgt werden, wer kann womöglich etwas warten? Diese Triage setze Routine voraus, die trainiert werden muss.„Ich habe solche Situatione­n selbst erlebt, deshalb weiß ich, wie wichtig ein reibungslo­ses System ist.“

Guido Kemmeries ist Chefarzt des Interdiszi­plinären Notfall-Zentrums am Helios-Klinikum Krefeld. Dort wurde vor einiger Zeit ein Katastroph­enfall in Echtzeit simuliert. „Da haben wir genau beobachtet, wie es abläuft und wie man profession­ell reagieren muss.“Mit Opfern von Gewaltverb­rechen hat er schon häufig zu tun gehabt und ist sich sicher: „Wir wären gut vorbereite­t.“

Kemmeries weist auch auf die Gefahr des sogenannte­n „second hit“(zweiter Treffer) hin, dass nämlich ein Attentäter den Trubel in einem Krankenhau­s ausnutzt, um dort ein zweites Mal zuzuschlag­en.„Jede Klinik wird in einer solchen Situation polizeilic­h abgeriegel­t, damit kein Unbefugter reinkommt.“

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FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA Polizisten und Rettungskr­äfte im Dezember 2016 am Berliner Breitschei­dplatz.

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