Chirurgen trainieren für den Terrorfall
Mediziner wollen mögliche Terroropfer noch besser behandeln. Ärzte der Region haben bereits Erfahrung darin.
DÜSSELDORF Nizza und Wien als Orte islamistischen Terrors sind nur scheinbar weit weg. Die Ereignisse am Breitscheidplatz in Berlin vor knapp vier Jahren haben dagegen gezeigt: Gefahrenlagen können auch hierzulande auftreten, unvermittelt und blitzartig. In solchen Situationen muss medizinische Kompetenz zur Versorgung von Unfall-, Schuss- oder Explosionsverletzungen schnell organisiert werden.
Nach den jüngsten Terroranschlägen fordert die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU), dass Kliniken auf die Bewältigung einer derartigen lebensbedrohlichen Einsatzlage vorbereitet sein müssen.„Wir nehmen die Terrorbedrohung ernst und arbeiten schon länger daran, dass Mediziner für die Versorgung dieser Opfer ausgebildet werden. Jetzt fordern wir die flächendeckende Umsetzung unserer Konzepte“, sagt DGU-Präsident Michael J. Raschke.
So hat die DGU im neuen Weißbuch„Schwerverletztenversorgung“eingeführt, dass sich Kliniken verpflichtend auf die Bewältigung von Terror- oder Amoksituationen vorbereiten müssen. Das betrifft die derzeit über 700 Traumazentren, die am „Trauma-Netzwerk DGU“teilnehmen. Bisher war die medizinische Vorbereitung zum Management eines Ernstfalles freiwillig.
Im Kapitel „Großschadensereignis Massenanfall von Verletzten bei lebensbedrohlichen Einsatzlagen“, genannt „TerrorMANV“, spricht die DGU erstmals verbindliche Empfehlungen aus. Unter großem Zeitdruck müssen Rettungskräfte und Klinikpersonal eine hohe Anzahl lebensgefährlich verletzter Menschen zeitnah versorgen. Dazu kommen eine unübersichtliche Lage und unübliche Verletzungsmuster nach Explosionen oder Schusswaffengebrauch. Auch die Höhe und die Dynamik des Zustroms der Verletzten in die Klinik sind nicht abschätzbar.
Daher hat die DGU in einer Kooperation mit der Bundeswehr den Kurs „Terror and Disaster Surgical Care“(TDSC) entwickelt. Dabei lernen Chirurgen, medizinische Herausforderungen in einer Terror- oder Amoklage zu managen. Der zweieinhalbtägige Kurs vermittelt unter anderem Kenntnisse über den Einsatz auf gefährlichem Terrain, wesentliche Aspekte der sogenannten Wundballistik, Besonderheiten zur Versorgung spezieller Verletzungsmuster, wichtige Entscheidungsalgorithmen und Maßnahmen zur Schadensbegrenzung und -regulierung.
Der Chirurg Marcel Dudda, Ärztlicher Direktor der BG-Unfallklinik in Duisburg, sieht sein Haus gut vorbereitet: „Wir haben hier einen speziellen Alarmplan, um auch bei Großschadenslagen das Personal schnell zu rekrutieren, also Chirurgen, Anästhesisten, Notfallmediziner, Pflegekräfte. Außerdem sind zwei unserer Oberärzte speziell für solche Ausnahmesituationen ausgebildet.“
Dan Bieler, Oberarzt an der Uniklinik Düsseldorf, kommt als Oberfeldarzt vom Bundeswehrkrankenhaus in Koblenz und hat die TDSC-Kurse mitentwickelt. Er sagt: „Eine hohe Zahl von Schwerstverletzten etwa bei einer Terrorlage ist für jede Klinik eine Ausnahmesituation. Das gilt für das Personal, aber auch das Material.“Immer stehe die Frage imVordergrund:Wie kann ich möglichst viele Patienten retten, doch wer muss besonders schnell versorgt werden, wer kann womöglich etwas warten? Diese Triage setze Routine voraus, die trainiert werden muss.„Ich habe solche Situationen selbst erlebt, deshalb weiß ich, wie wichtig ein reibungsloses System ist.“
Guido Kemmeries ist Chefarzt des Interdisziplinären Notfall-Zentrums am Helios-Klinikum Krefeld. Dort wurde vor einiger Zeit ein Katastrophenfall in Echtzeit simuliert. „Da haben wir genau beobachtet, wie es abläuft und wie man professionell reagieren muss.“Mit Opfern von Gewaltverbrechen hat er schon häufig zu tun gehabt und ist sich sicher: „Wir wären gut vorbereitet.“
Kemmeries weist auch auf die Gefahr des sogenannten „second hit“(zweiter Treffer) hin, dass nämlich ein Attentäter den Trubel in einem Krankenhaus ausnutzt, um dort ein zweites Mal zuzuschlagen.„Jede Klinik wird in einer solchen Situation polizeilich abgeriegelt, damit kein Unbefugter reinkommt.“