Hinterbänkler verlängert Sitzung um Stunden
Ratsherr Torsten Lemmer (Freie Wähler) beantragte geheime Abstimmungen – trotz Warnungen vor erhöhter Infektionsgefahr.
DÜSSELDORF (arl) Die großen Fraktionen wollten die Ratssitzung mit Blick auf Corona kurz halten – daraus wurde nichts. Torsten Lemmer, einziger Ratsherr der Freien Wähler, beantragte geheime Abstimmung für die Besetzung der Fachausschüsse. Das verzögerte die Sitzung um viele Stunden, das Ende der um 11 Uhr begonnen Sitzung wurde erst für den späten Abend erwartet.
Die lange Dauer ergab sich nicht zuletzt durch das umständlichen Verfahren: Wegen der Corona-Pandemie sollten die Ratsleute an ihren Plätzen bleiben. Daher erhielt jedes der 89 anwesenden Mitglieder eine aufklappbareWahlurne an den Tisch.
Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU) hatte zu Beginn der Sitzung offenbar mit Blick auf Lemmers Pläne gemahnt, eine geheime Abstimmung sei zwar möglich, das Instrument könne aber auch„missbräuchlich“genutzt werden.
Lemmer ist für Querschüsse im Stadtrat bekannt. Die großen Fraktionen verweigern eine Zusammenarbeit. „Corona ist mir egal“, hatte er vor der Sitzung gesagt und behauptet, er wolle die Demokratie stärken. Aus anderen Fraktionen war zu hören, Lemmer habe sich geärgert, weil ihm keine Ausschusssitze gewährt wurden, und daher das Manöver gestartet. Er bestreitet das. Später beantragte auch die AfD-Fraktion geheime Abstimmungen.
Bei denWahlen für die Ausschüsse gab es dann auffallende Abweichungen. In mindestens neun Fällen erreichte der Kandidat der zweiköpfigen Ratsgruppe, die Lemmer mit der Vertrauten Claudia Krüger (Tierschutz hier!) bildet, eine zusätzliche dritte Stimme. Zugleich entfielen auf den jeweiligen Vorschlag der AfD (drei Sitze) nur zwei Stimmen. Der Verdacht einer Absprache liegt also nahe – obwohl beide Seiten das bestreiten. Für die Ausschüsse bedeutete das jeweils nur, dass die AfD ihren Sitz abgibt. Über eine mögliche Gegenleistung wurde spekuliert.
Die anderen Fraktionen kritisierten das Vorgehen. FDP-Fraktionsgeschäftsführer Manfred Neuenhaus sprach von „Mätzchen“, die eine Gesundheitsgefahr bedeuten. Die SPD-Fraktionsvorsitzende Marina Spillner äußerte sich ähnlich.