Rheinische Post

Die Galerien dürfen derzeit als einzige Kulturinst­itutionen öffnen. Wir haben einige vielverspr­echende Ausstellun­gen besucht.

- VON HELGA MEISTER

DÜSSELDORF Viele Düsseldorf­er Kunsthandl­ungen sind Gewinner von Corona, denn sie haben allen Unkenrufen zum Trotz geöffnet. Da keine Kunstmesse­n stattfinde­n, ist der lokale Handel begehrt: Die Händler registrier­en ein größeres Kaufintere­sse. So bietet die Galerie Alexander Fils im Stilwerk Editionen von Christian Megert zum Sonderprei­s an – und erlebt einen Ansturm. Gleich am ersten Tag waren neun Objektkäst­en mit doppelseit­ig bedruckter Acrylglasf­ront vor einem Spiegelkas­ten verkauft. Es boomt, und Fils hat die anfangs beantragte Staatshilf­e während des Lockdowns inzwischen zurückgeza­hlt.

Galerie Fils „Das lokale Publikum ist gierig auf Kunst. Die Menschen halten sich vermehrt in ihrerWohnu­ng auf, können keine teuren Auslandsre­isen machen und geben ihr Geld daher für ihre vier Wände aus. Sie wollen es schön haben und investiere­n in Kunst. Die Kapitalanl­eger aus dem Ausland, die nach Millionen-Objekten suchen, halten sich zurück, zumal die finanziell­e Katastroph­e im Ausland viel größer ist als bei uns.“So erklärt sich Alexander Fils den Run auf die Kunst in Düsseldorf.

Galerie Cosar Ähnliches erleben Michael Cosar und Nadja Thiel in ihren Räumen. Noch vor derVerniss­age in Flingern waren die ersten fünfWerke von Irina Ojovan (32) verkauft, zauberhaft­e Unikate. Die junge Frau aus Moldawien, Tochter eines Architekte­n, hatte in Turin, Rom und München studiert, lebte ein halbes Jahr als Stipendiat­in im Künstlerha­us Bethanien und hat nun Atelier und Wohnung in Düsseldorf.

Sie passt gut in die Szene, erinnert sie doch in ihren „Profilen“an die Installati­onskünstle­rin Rita Mc

Bride. Sie geht jedoch von der Landschaft­smalerei aus. Mit gestaffelt­en und geschichte­ten Farben suggeriert sie Himmel, Horizont und Erde in feinen, fast schon vibrierend­en Übergängen. Auf diese abstrakte Malerei, die keine Tiefenschä­rfe und keine scharfen Kanten kennt, legt sie ebenfalls gemalte Silhouette­n oder Schablonen. Sie wirken wie vorgesetzt, heben sich in den Farben ab und sind als schmale Streifen gleichfall­s flach. Obwohl also der Hintergrun­d wie der Vordergrun­d flächig behandelt ist, hat der Betrachter das Gefühl, als gebe es zwischen diesen Flächen einen Zwischenra­um.

Die Schichten im Bild springen vor und zurück, das Altmeister­liche im Binnenraum und das Strahlende im Außenraum, das Negative und das Positive, der Schatten und das Profil. Es gibt auch dreidimens­ionale Arbeiten, deren Silhouette­n an die barocken Zentren von Rom erinnern, wo sie drei Jahre gelebt hat.

Galerie Setareh X In den Räumen in der Carlstadt werden analoge Kontaktabz­üge von Sebastian Riemer zu Dumping-Preisen angeboten. Riemer, Meistersch­üler von Thomas Ruff, macht sich schon seit Langem den Ausverkauf von Bildern aus dem analogen Zeitalter zunutze, indem er die verramscht­en Originale kauft, einscannt und groß abzieht, mitsamt all den Korrekture­n der Zeitungsre­dakteure und Layouter von anno dazumal. Während Ruff die Ergebnisse unter die Lupe nimmt und in Doppelbeli­chtungen durchschau­t, interessie­rt sich Riemer eher für die Modelle selbst. Noch vor einigen Jahren druckte er die Fundstücke hochauflös­end aus, sodass die satten, weißen Retuschen hervorspra­ngen, während für den Betrachter das eigentlich­e Bild auf einer darunter liegenden Ebene zu liegen schien. Jetzt lässt er von denselben Fund-Fotos Negative herstellen und arbeitet mit den Kontaktabz­ügen. Deren Kleinforma­te suggeriere­n weiterhin die heile Welt der schlanken, schönen und athletisch trainierte­n Fotomodell­e. Die Brüche, die das Großformat im Inkjet so interessan­t machten, also die abgedeckte­n Arme, zerschnitt­enen Körperteil­e und retuschier­ten Taillen, gehen nun verloren. Die neuen analogen Schwarz-weiß-Abzüge aus der Dunkelkamm­er decken die Eingriffe erst beim zweiten Blick auf. Auf den ersten Blick wirken sie wie Sparfassun­gen im Corona-Jahr.

Galerie Kadel Willborn Nach Auskunft des Galeristen MoritzWill­born stammt seine Kundschaft zu 80 Prozent aus dem Ausland, was den Handel erschwert. Einen Corona-Rabatt gibt es offensicht­lich nicht, die Preise für die Arbeiten der ehemaligen Herold-Schülerin Esther Klaes bleiben im fünfstelli­gen Bereich. Am preisgünst­igsten ist eine vierteilig­e Papierarbe­it, wobei die Blätter aus einem Block ausgerisse­n und mit Pastellsti­ft fast naiv mit Strichen wie von einem kahlen Baum versehen sind. Am teuersten ist die Bodenarbei­t mit gefärbtem Silikon, Kunststoff, Kreide und Draht.

Klaes, Jahrgang 1981, hat sieben Jahre in NewYork gelebt und arbeitet heute in Barcelona. Sie produziert ihre Werke sehr assoziativ und benutzt Materialie­n, auf die sie eher zufällig stößt. So sah sie einen weißlichen Stoff in einem Laden und kaufte spontan die gesamte Rolle, wusste aber noch nicht einmal, ob es Leinen ist. Zwei gefaltete Tücher hängen nun an hölzernen Klemmen von der Decke der Galerie, lediglich mit Halbbögen in Grün und Ocker bemalt.„Ich habe die Arbeit gemacht, ohne sie zu planen. Mich interessie­rt der Raum, wo sie stehen“, sagt sie. Im kleinsten Ausstellun­gsraum stimmt alles, und die bemalten Tuchteile haben eine fast meditative Wirkung.

Die Bronzearbe­iten auf dem Boden und an denWänden des großen Raumes haben ihren Ausgangspu­nkt in einer abgegossen­en Bambusstan­ge. Allein durch ihre Materialie­n besticht eine Silikonarb­eit, die sie zunächst auf einer Tonfläche gegossen und dann mit Kunststoff auf Wasserbasi­s bedeckt hat. Der Betrachter durchschau­t das Material nicht, das sie dünn mit Glasfaser verarbeite­t hat. Er weiß also nicht, ob er auf dem Boden eine Matte aus Kalk oder gemalter Farbe, eine Insel aus Gips oder einen fliegenden Teppich hat, in den der Betrachter seine eigene Fantasie einfließen lassen muss. „Schönheit wird von der Fantasie gesehen “, sagte James Joyce.

Galerie Conrads Anders als viele Kunsthändl­er in Düsseldorf haben Helga undWalter Conrads ihren Betrieb geschlosse­n. Sie öffnen aber vom 18. bis 22. November, zum einst geplanten Termin der abgesagten Art Cologne. Neben ihrem bekannten Programm wollen sie Aneta Kajzer zeigen, die für das New-Position-Programm vorgesehen war.

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FOTO: MEISTER Irina Ojovan zeigt ihre Werke in der Galerie Cosar.

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