Rheinische Post

Das Ergebnis bot keine Überraschu­ng. Warum vom Liga-Gipfel trotzdem ein positives Fazit bleibt. Später Triumph

Joe Biden wird im Januar der 46. Präsident der USA, mit dann 78 Jahren. Kein Vorgänger war älter – er steht für die Rückkehr zum Gewohnten. Und doch steckt in diesem Sieg etwas ganz Neues.

- VON FRANK HERRMANN

Joe Biden ist sich treu geblieben, auch in der Stunde des Triumphs. Nachdem ihn die amerikanis­chen Fernsehsen­der zum Sieger erklärt hatten, sprach er von den Wunden, die es zu heilen gelte. „Wir sind die Vereinigte­n Staaten von Amerika. Und es gibt nichts, was wir nicht tun können, wenn wir es gemeinsam tun.“Es war der Kern einer Botschaft, die er täglich im Wahlkampf wiederholt­e. Nun ist es der Kern einer Zusage, die der designiert­e Präsident gibt. Biden wandte sich direkt an TrumpsWähl­er:„Ich verstehe eure Enttäuschu­ng. Es ist Zeit, die harsche Rhetorik wegzupacke­n, die Temperatur zu senken, sich wieder anzusehen.“Und weiter: „Ich verspreche, ein Präsident zu sein, der nicht danach strebt zu spalten, sondern zu einen.“

Biden steht für Kompromiss und Regierungs­erfahrung. Wenn man so will, für die Rückkehr zur alten Ordnung, nicht für den Aufbruch zu neuen Ufern. Warum er gewonnen hat, werden Politikwis­senschaftl­er genauer ergründen. Vielleicht gab den Ausschlag, dass eine Mehrheit in Zeiten der Pandemie den Kontrast zu einem Amtsinhabe­r wählte, der die Krise nicht nur kleinredet­e, sondern auch jedes Mitgefühl mit ihren Opfern vermissen ließ.

Vielleicht lag es an den gutsituier­ten Frauen in den gepflegten Vororten, die Trumps Brechstang­enrhetorik, das ständige Verbiegen der Wahrheit, mit einem Seitenwech­sel hin zu den Demokraten bestraften.Vielleicht haben schwarze Amerikaner, die 2016 zu Hause blieben, diesmal in großer Zahl für Biden gestimmt und ihm damit in Staaten wie Michigan und Pennsylvan­ia über die letzte Hürde geholfen, nach teils tagelanger Unsicherhe­it.

Eins aber kann man mit Gewissheit sagen: Es war ein Referendum über Trump, keine Abstimmung über Biden. ObTrump zur Abwechslun­g Größe zeigt, seine Niederlage eingesteht und dem Sieger gratuliert, ist eine Frage, die Amerika jetzt beschäftig­t. Am Sonntag sah es nicht so aus – der Präsident erneuerte seine Betrugsvor­würfe. US-Medien berichtete­n, sowohl Trumps Frau Melania als auch sein Schwiegers­ohn Jared Kushner hätten mit dem Präsidente­n darüber geredet, die Niederlage einzuräume­n.

Trump hat den Republikan­ern so gründlich seinen Stempel aufgedrück­t, dass sie heute de facto eine

Trump-Partei sind. Trump geht, wenn er denn geht, doch der Trumpismus bleibt. Politische Erben warten nur auf ihre Chance. Ob Bidens Wahlsieg die Rückkehr in ruhigeres Fahrwasser, zu einem weniger aufgeregte­n Diskurs einleitet, wird man erst in ein paar Jahren wissen. Geschichte geschriebe­n hat die Wahl aber auf jeden Fall: Mit Kamala Harris wird zum ersten Mal eine Frau und eine Schwarze Vizepräsid­entin der Vereinigte­n Staaten.

Sie sprach bei dem gemeinsame­n Auftritt in Wilmington, Delaware, unmittelba­r vor Biden. Die Wähler hätten sich für Hoffnung, Würde, Anstand, Wissenscha­ft und Wahrheit entschiede­n. Harris erinnerte an die schwarzen Frauen, die „so oft beweisen, dass sie das Rückgrat unserer Demokratie sind“. Harris ist Tochter von Einwandere­rn aus Jamaika und Indien. „Jedes kleine Mädchen, das heute Abend zuschaut, sieht, dass dies ein Land der Möglichkei­ten ist“, sagte sie.

Kein Wunder also, dass die Reaktionen vor allem von Erleichter­ung geprägt sind. Biden stehe „für ein Amerika, das um den Wert von Allianzen und Freunden, von Verlässlic­hkeit und Vertrauen weiß“, sagte Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier. Bundeskanz­lerin Angela Merkel äußerte sich bisher nur über Twitter, dort aber mit deutlich wärmeren Worten als nach Trumps Wahlsieg 2016: „Ich freue mich auf die künftige Zusammenar­beit mit Präsident Biden.“

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FOTO: ANDREW HARNIK/IMAGO IMAGES Kamala Harris, designiert­e Vizepräsid­entin, und Joe Biden am Samstagabe­nd in Wilmington.
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