Das Ergebnis bot keine Überraschung. Warum vom Liga-Gipfel trotzdem ein positives Fazit bleibt. Später Triumph
Joe Biden wird im Januar der 46. Präsident der USA, mit dann 78 Jahren. Kein Vorgänger war älter – er steht für die Rückkehr zum Gewohnten. Und doch steckt in diesem Sieg etwas ganz Neues.
Joe Biden ist sich treu geblieben, auch in der Stunde des Triumphs. Nachdem ihn die amerikanischen Fernsehsender zum Sieger erklärt hatten, sprach er von den Wunden, die es zu heilen gelte. „Wir sind die Vereinigten Staaten von Amerika. Und es gibt nichts, was wir nicht tun können, wenn wir es gemeinsam tun.“Es war der Kern einer Botschaft, die er täglich im Wahlkampf wiederholte. Nun ist es der Kern einer Zusage, die der designierte Präsident gibt. Biden wandte sich direkt an TrumpsWähler:„Ich verstehe eure Enttäuschung. Es ist Zeit, die harsche Rhetorik wegzupacken, die Temperatur zu senken, sich wieder anzusehen.“Und weiter: „Ich verspreche, ein Präsident zu sein, der nicht danach strebt zu spalten, sondern zu einen.“
Biden steht für Kompromiss und Regierungserfahrung. Wenn man so will, für die Rückkehr zur alten Ordnung, nicht für den Aufbruch zu neuen Ufern. Warum er gewonnen hat, werden Politikwissenschaftler genauer ergründen. Vielleicht gab den Ausschlag, dass eine Mehrheit in Zeiten der Pandemie den Kontrast zu einem Amtsinhaber wählte, der die Krise nicht nur kleinredete, sondern auch jedes Mitgefühl mit ihren Opfern vermissen ließ.
Vielleicht lag es an den gutsituierten Frauen in den gepflegten Vororten, die Trumps Brechstangenrhetorik, das ständige Verbiegen der Wahrheit, mit einem Seitenwechsel hin zu den Demokraten bestraften.Vielleicht haben schwarze Amerikaner, die 2016 zu Hause blieben, diesmal in großer Zahl für Biden gestimmt und ihm damit in Staaten wie Michigan und Pennsylvania über die letzte Hürde geholfen, nach teils tagelanger Unsicherheit.
Eins aber kann man mit Gewissheit sagen: Es war ein Referendum über Trump, keine Abstimmung über Biden. ObTrump zur Abwechslung Größe zeigt, seine Niederlage eingesteht und dem Sieger gratuliert, ist eine Frage, die Amerika jetzt beschäftigt. Am Sonntag sah es nicht so aus – der Präsident erneuerte seine Betrugsvorwürfe. US-Medien berichteten, sowohl Trumps Frau Melania als auch sein Schwiegersohn Jared Kushner hätten mit dem Präsidenten darüber geredet, die Niederlage einzuräumen.
Trump hat den Republikanern so gründlich seinen Stempel aufgedrückt, dass sie heute de facto eine
Trump-Partei sind. Trump geht, wenn er denn geht, doch der Trumpismus bleibt. Politische Erben warten nur auf ihre Chance. Ob Bidens Wahlsieg die Rückkehr in ruhigeres Fahrwasser, zu einem weniger aufgeregten Diskurs einleitet, wird man erst in ein paar Jahren wissen. Geschichte geschrieben hat die Wahl aber auf jeden Fall: Mit Kamala Harris wird zum ersten Mal eine Frau und eine Schwarze Vizepräsidentin der Vereinigten Staaten.
Sie sprach bei dem gemeinsamen Auftritt in Wilmington, Delaware, unmittelbar vor Biden. Die Wähler hätten sich für Hoffnung, Würde, Anstand, Wissenschaft und Wahrheit entschieden. Harris erinnerte an die schwarzen Frauen, die „so oft beweisen, dass sie das Rückgrat unserer Demokratie sind“. Harris ist Tochter von Einwanderern aus Jamaika und Indien. „Jedes kleine Mädchen, das heute Abend zuschaut, sieht, dass dies ein Land der Möglichkeiten ist“, sagte sie.
Kein Wunder also, dass die Reaktionen vor allem von Erleichterung geprägt sind. Biden stehe „für ein Amerika, das um den Wert von Allianzen und Freunden, von Verlässlichkeit und Vertrauen weiß“, sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich bisher nur über Twitter, dort aber mit deutlich wärmeren Worten als nach Trumps Wahlsieg 2016: „Ich freue mich auf die künftige Zusammenarbeit mit Präsident Biden.“