Anspannung an der Corona-Front wächst
Während viele Menschen eine Zwangspause einlegen, sind die Herausforderungen in den Schulen, Kitas, Heimen und Kliniken enorm.
Die zweite Corona-Welle sorgt für einen Anstieg der Fälle in Schulen, Kitas und Heimen. Lehrer und Mediziner stehen unter Druck.
DÜSSELDORF Die zweite Corona-Welle sorgt für einen deutlichen Anstieg der Fälle in Schulen, Kitas und Altenheimen. Lehrer, Erzieher, Pfleger, aber auch Mediziner stehen unter Druck.Während viele Berufsgruppen im Lockdown eine bedrückende Zwangspause einlegen, müssen diejenigen, die andere betreuen, einmal mehr über sich hinauswachsen. Stets in der Sorge, der nächste Fall könnte womöglich ihre Einrichtung treffen. Ein Einblick in die aktuellen Herausforderungen.
Die Lehrerin „Die Einschläge kommen näher“, sagt Heide Steinke, Leiterin der Kronprinzenschule und Sprecherin aller Düsseldorfer Schulformen. Wie weit ein solcher Einschlag gehen kann, hat sie vor den Herbstferien selbst erfahren. 117 ihrer 314 Schüler, vier komplette Klassen, mussten wegen einer positiv auf Corona getesteten pädagogischen Mitarbeiterin in die Quarantäne. Eine Teilschließung. Inzwischen sind alle wieder an Bord, einen neuen Fall gibt es bislang nicht. Aber die Grundschulleiterin weiß, wie rasch sich alles ändern kann. Die seit Monaten laufende, sich nun wieder verschärfende Krisenbewältigung bedeute für alle Kollegen eine enorme Mehrbelastung. „Halte ich alle Vorschriften ein? Reagiere ich schnell genug auf neueVorgaben?Wie muss ich mich verhalten, wenn ein Junge oder Mädchen erst einmal nur Schnupfen hat?“Auch technische Fragen binden Arbeitskraft: „Gerade für Grundschüler gilt der Präsenzunterricht als erste Wahl. Das bedeutet aber auch, dass 29 Kinder in einem Klassenraum sitzen und keinen Mindestabstand einhalten können.“Deshalb sei bei den Eltern die Anschaffung professioneller Luftfilteranlagen, die Viren vernichten, ein großes Thema. „Die Sehnsucht nach mehr Sicherheit vor dem Virus ist groß.“
Die Pflegerin Seit zehn Monaten befindet sich Claudia Grein im permanenten Ausnahmezustand.„Aber jetzt haben viele von uns mehr Angst als im März, dass Viren ins Haus kommen – sei es nun Corona oder die Grippe“, sagt die Pflegefachkraft, die im Löricker Ernst-und-Berta-Grimmke-Haus der Awo-Tochter Vita GmbH arbeitet. Damals sei doch im ersten Moment alles sehr überraschend gewesen, heute wisse man viel mehr über die Risiken. Und weil das so ist, hat Grein, wie viele ihrer Kollegen, die eigenen privaten Kontakte auf ein Minimum reduziert. „Mein Mann kauft ein, weil ich Supermärkte meide“, sagt die 53-Jährige. Viel Verständnis müssten die Angehörigen aufbringen: „Wir haben früher gerne vor dem Uerige ein Bier getrunken, das habe ich selbst im Sommer, als die Zahlen niedriger waren, stets abgesagt – der unbedingte Schutz der Bewohner geht vor.“Hinzu komme, dass man bei der Arbeit regelmäßig an seine Grenzen gehe. So dürfte das Gros der Bewohner nur in dem eigens dafür eingerichteten Bereich Besucher empfangen. Auch die vielen wegfallenden Gruppenangebote für die Senioren und die durch Masken untermauerte neue körperliche Distanz forderten deutlich mehr Einsatz:„Die Arbeitsbelastung ist hoch, wir bräuchten im Moment doppelt so viele Kräfte.“Mit Blick auf die bald in den Heimen eingesetzten Corona-Schnelltests warnt die Fachkraft vor zu hohen Erwartungen. „Auch das ist nur eine Momentaufnahme. Bislang hatten wir hier vor Ort Glück. Aber eine absolute Sicherheit gibt es nicht.“
Die Erzieherin Diese Erfahrung hat
Angelika Knecht, die die Diakonie-Kita an der Fleher Straße leitet, bereits hinter sich. Im August mussten zwei ihrer drei Gruppen in die Quarantäne. Aktuell gibt es in der Einrichtung keinen Fall. Aber der Blick auf die aktuelle Entwicklung in den Düsseldorfer Kitas und die Sorge, es könne wieder die eigene Einrichtung treffen, ist da. „Es bleibt ein Wechselbad der Gefühle, man hat Corona immer im Hinterkopf“, sagt die 59-Jährige. Die Anspannung sei schon groß. „Zumindest beruflich ist man immer in Hab-AchtStellung und denkt: Hoffentlich geht das an uns vorüber.“Dass die Kitas in der zweiten Welle offen bleiben, sei richtig. „Gut wäre aber, wenn wir die Betreuungsstunden pro Woche um zehn Stunden reduzieren – so wie es schon einmal war.“
Die Medizinerin In der Zentralen Notaufnahme am Evangelischen Krankenhaus muss Gertrud Ungermann mit ihrem Team immer mehr Patienten versorgen. „Wir haben eine deutliche Zunahme vor allem an isolationspflichtigen Patienten, die mit respiratorischen Symptomen kommen”, sagt die stellvertretende Leiterin und Fachärztin für
Innere Medizin. Zuletzt waren es an einem Tag 15 Patienten mit einer Covid-Erkrankung, drei davon mussten auf die Intensivstation. Oft schnelle die Zahl von einem Tag auf den anderen in die Höhe – das exponentielle Wachstum des Virus sei deutlich zu sehen. Vor allem 50- bis 65-Jährige müssten oft stationär behandelt werden. Inzwischen müssten Patienten auch schon mal in andere Häuser verlegt werden, wenn man sie vor Ort nicht isoliert aufnehmen könne. Auch die Corona-Station sei öfter voll belegt. Das habe es so in der ersten Welle nicht gegeben, sagt Ungermann. Überall würden die Kapazitäten knapper, was die Ärztin mit Sorge beobachtet. Wenn sie Menschen sieht, die es mit der Mund-Nase-Bedeckung noch immer nicht so genau nehmen, ärgert sie sich. Sie will keine Angst schüren, doch die Lage werde an den Kliniken ernster, auch personell: Denn angesichts steigender Corona-Fälle an Schulen und Kitas würden auch Ärzte und Pfleger zunehmend vor dem Problem stehen, irgendwie eine andere Betreuung für ihre Kinder organisieren zu müssen. Es müsse damit gerechnet werden, dass das nicht immer klappt.