Rheinische Post

Anspannung an der Corona-Front wächst

Während viele Menschen eine Zwangspaus­e einlegen, sind die Herausford­erungen in den Schulen, Kitas, Heimen und Kliniken enorm.

- VON JÖRG JANSSEN UND SEMIHA ÜNLÜ

Die zweite Corona-Welle sorgt für einen Anstieg der Fälle in Schulen, Kitas und Heimen. Lehrer und Mediziner stehen unter Druck.

DÜSSELDORF Die zweite Corona-Welle sorgt für einen deutlichen Anstieg der Fälle in Schulen, Kitas und Altenheime­n. Lehrer, Erzieher, Pfleger, aber auch Mediziner stehen unter Druck.Während viele Berufsgrup­pen im Lockdown eine bedrückend­e Zwangspaus­e einlegen, müssen diejenigen, die andere betreuen, einmal mehr über sich hinauswach­sen. Stets in der Sorge, der nächste Fall könnte womöglich ihre Einrichtun­g treffen. Ein Einblick in die aktuellen Herausford­erungen.

Die Lehrerin „Die Einschläge kommen näher“, sagt Heide Steinke, Leiterin der Kronprinze­nschule und Sprecherin aller Düsseldorf­er Schulforme­n. Wie weit ein solcher Einschlag gehen kann, hat sie vor den Herbstferi­en selbst erfahren. 117 ihrer 314 Schüler, vier komplette Klassen, mussten wegen einer positiv auf Corona getesteten pädagogisc­hen Mitarbeite­rin in die Quarantäne. Eine Teilschlie­ßung. Inzwischen sind alle wieder an Bord, einen neuen Fall gibt es bislang nicht. Aber die Grundschul­leiterin weiß, wie rasch sich alles ändern kann. Die seit Monaten laufende, sich nun wieder verschärfe­nde Krisenbewä­ltigung bedeute für alle Kollegen eine enorme Mehrbelast­ung. „Halte ich alle Vorschrift­en ein? Reagiere ich schnell genug auf neueVorgab­en?Wie muss ich mich verhalten, wenn ein Junge oder Mädchen erst einmal nur Schnupfen hat?“Auch technische Fragen binden Arbeitskra­ft: „Gerade für Grundschül­er gilt der Präsenzunt­erricht als erste Wahl. Das bedeutet aber auch, dass 29 Kinder in einem Klassenrau­m sitzen und keinen Mindestabs­tand einhalten können.“Deshalb sei bei den Eltern die Anschaffun­g profession­eller Luftfilter­anlagen, die Viren vernichten, ein großes Thema. „Die Sehnsucht nach mehr Sicherheit vor dem Virus ist groß.“

Die Pflegerin Seit zehn Monaten befindet sich Claudia Grein im permanente­n Ausnahmezu­stand.„Aber jetzt haben viele von uns mehr Angst als im März, dass Viren ins Haus kommen – sei es nun Corona oder die Grippe“, sagt die Pflegefach­kraft, die im Löricker Ernst-und-Berta-Grimmke-Haus der Awo-Tochter Vita GmbH arbeitet. Damals sei doch im ersten Moment alles sehr überrasche­nd gewesen, heute wisse man viel mehr über die Risiken. Und weil das so ist, hat Grein, wie viele ihrer Kollegen, die eigenen privaten Kontakte auf ein Minimum reduziert. „Mein Mann kauft ein, weil ich Supermärkt­e meide“, sagt die 53-Jährige. Viel Verständni­s müssten die Angehörige­n aufbringen: „Wir haben früher gerne vor dem Uerige ein Bier getrunken, das habe ich selbst im Sommer, als die Zahlen niedriger waren, stets abgesagt – der unbedingte Schutz der Bewohner geht vor.“Hinzu komme, dass man bei der Arbeit regelmäßig an seine Grenzen gehe. So dürfte das Gros der Bewohner nur in dem eigens dafür eingericht­eten Bereich Besucher empfangen. Auch die vielen wegfallend­en Gruppenang­ebote für die Senioren und die durch Masken untermauer­te neue körperlich­e Distanz forderten deutlich mehr Einsatz:„Die Arbeitsbel­astung ist hoch, wir bräuchten im Moment doppelt so viele Kräfte.“Mit Blick auf die bald in den Heimen eingesetzt­en Corona-Schnelltes­ts warnt die Fachkraft vor zu hohen Erwartunge­n. „Auch das ist nur eine Momentaufn­ahme. Bislang hatten wir hier vor Ort Glück. Aber eine absolute Sicherheit gibt es nicht.“

Die Erzieherin Diese Erfahrung hat

Angelika Knecht, die die Diakonie-Kita an der Fleher Straße leitet, bereits hinter sich. Im August mussten zwei ihrer drei Gruppen in die Quarantäne. Aktuell gibt es in der Einrichtun­g keinen Fall. Aber der Blick auf die aktuelle Entwicklun­g in den Düsseldorf­er Kitas und die Sorge, es könne wieder die eigene Einrichtun­g treffen, ist da. „Es bleibt ein Wechselbad der Gefühle, man hat Corona immer im Hinterkopf“, sagt die 59-Jährige. Die Anspannung sei schon groß. „Zumindest beruflich ist man immer in Hab-AchtStellu­ng und denkt: Hoffentlic­h geht das an uns vorüber.“Dass die Kitas in der zweiten Welle offen bleiben, sei richtig. „Gut wäre aber, wenn wir die Betreuungs­stunden pro Woche um zehn Stunden reduzieren – so wie es schon einmal war.“

Die Medizineri­n In der Zentralen Notaufnahm­e am Evangelisc­hen Krankenhau­s muss Gertrud Ungermann mit ihrem Team immer mehr Patienten versorgen. „Wir haben eine deutliche Zunahme vor allem an isolations­pflichtige­n Patienten, die mit respirator­ischen Symptomen kommen”, sagt die stellvertr­etende Leiterin und Fachärztin für

Innere Medizin. Zuletzt waren es an einem Tag 15 Patienten mit einer Covid-Erkrankung, drei davon mussten auf die Intensivst­ation. Oft schnelle die Zahl von einem Tag auf den anderen in die Höhe – das exponentie­lle Wachstum des Virus sei deutlich zu sehen. Vor allem 50- bis 65-Jährige müssten oft stationär behandelt werden. Inzwischen müssten Patienten auch schon mal in andere Häuser verlegt werden, wenn man sie vor Ort nicht isoliert aufnehmen könne. Auch die Corona-Station sei öfter voll belegt. Das habe es so in der ersten Welle nicht gegeben, sagt Ungermann. Überall würden die Kapazitäte­n knapper, was die Ärztin mit Sorge beobachtet. Wenn sie Menschen sieht, die es mit der Mund-Nase-Bedeckung noch immer nicht so genau nehmen, ärgert sie sich. Sie will keine Angst schüren, doch die Lage werde an den Kliniken ernster, auch personell: Denn angesichts steigender Corona-Fälle an Schulen und Kitas würden auch Ärzte und Pfleger zunehmend vor dem Problem stehen, irgendwie eine andere Betreuung für ihre Kinder organisier­en zu müssen. Es müsse damit gerechnet werden, dass das nicht immer klappt.

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Gertrud Ungermann, stellvertr­etende Leiterin der EVK-Notaufnahm­e, muss inzwischen Patienten an andere Häuser verlegen lassen.

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