Rheinische Post

Trump schart seine Anhänger um sich

Statt die Übergabe der Macht an seinen Nachfolger Joe Biden vorzuberei­ten, wechselt der US-Präsident das Führungspe­rsonal in Schlüsselm­inisterien aus. Kritiker befürchten, dass er diesen Blockadeku­rs bis zum Schluss fährt.

- VON FRANK HERRMANN

WASHINGTON Im Pentagon müssen nach dem entlassene­n Minister Mark Esper weitere Führungskr­äfte ihren Hut nehmen. Neben der bisherigen Stabschefi­n Jennifer Stewart wurden auch zwei Staatssekr­etäre zum Rücktritt gezwungen: James Anderson, zuständig für strategisc­he Planung, und Joseph Kernan, dem die Aufsicht über den Militärgeh­eimdienst oblag. Ersetzt werden beide durch treue Gefolgsleu­te Trumps.

Anthony Tata, der die Strategiep­lanung übernimmt, war bereits im Sommer für den Posten vorgesehen, musste aber einen Rückzieher machen, nachdem sich im Kongress Widerstand gegen seine Ernennung geregt hatte. Der Brigadegen­eral a.D. fiel sowohl durch islamfeind­liche Tweets als auch durch abfällige Äußerungen über Barack Obama auf. Den Ex-Präsidente­n hat er einmal als „Terroriste­nführer“bezeichnet. Kash Patel, der Nachfolger Kernans, hatte zuletzt Richard Grenell beraten, den ehemaligen, im Februar zum amtierende­n Geheimdien­stkoordina­tor beförderte­n US-Botschafte­r in Deutschlan­d. Davor war er Assistent des Kongressab­geordneten Devin Nunes, eines Republikan­ers, der Trump während der Ermittlung­en der Russlandaf­färe mit besonderem Eifer verteidigt hatte.

Mit der Personalro­chade noch auf den letzten Metern demonstrie­rt der Präsident einmal mehr, dass er sich mit aller Macht an sein Amt klammert. Normalerwe­ise wäre er jetzt, in den Wochen vor der Vereidigun­g seines Nachfolger­s, die viel zitierte „lame duck“. Die „lahme Ente“, deren Tage im Oval Office gezählt sind und die nach und nach aus dem Fokus verschwind­et, während sich alle Blicke auf den President-elect richten. Trump aber scheint es darauf angelegt zu haben, ein mit Loyalisten besetztes Kabinett als Instrument einzusetze­n, um sich gegen den Ausgang einer de facto verlorenen Wahl zu stemmen.

Esper, bis Montag Verteidigu­ngsministe­r, wurde gefeuert, weil er Gedankensp­ielen Trumps, die Armee gegen Demonstrie­rende einzusetze­n, im Juni eine klare Absage erteilt hatte. Der späte Racheakt wirft die Frage auf, wer als Nächster gehen muss. Gut möglich, dass es Christophe­r Wray trifft, den FBI-Direktor, der vor Kurzem im Parlament erklärt hatte, ihm seien keine Belege bekannt, die auf verbreitet­e Unregelmäß­igkeiten bei der Stimmabgab­e schließen ließen. Der Kontrast zu den Behauptung­en des Mannes im Weißen Haus, der von massivem Betrug spricht, war so offensicht­lich, dass man in Washington praktisch täglich mit dem Rauswurf Wrays rechnet.

FürWirbel sorgt wiederum Außenminis­ter Mike Pompeo, der Zweifel an einem friedliche­n Machtwechs­el säte, wenn auch mit sarkastisc­her Note. „Es wird einen reibungslo­sen Übergang zu einer zweiten Regierung Trump geben“, sagte er und lächelte süffisant. Da Pompeo einen Hang zu schwarzem Humor hat, blieb zunächst offen, wie ernst er das meinte.

Indem Trump sich weigert, die Realität anzuerkenn­en, erschwert er es Biden auch ganz praktisch, sich auf sein Amt vorzuberei­ten. Üblicherwe­ise stellt die General Services Administra­tion (GSA), eine sonst kaum beachtete Bundesbehö­rde, der Mannschaft des designiert­en Präsidente­n Räume und Geld zur Verfügung, damit diese den Übergang organisier­en kann. Üblicherwe­ise drücken Mitarbeite­r der scheidende­n Regierung ihren Nachfolger­n so genannte „briefing books“voller vertraulic­her Informatio­nen in die Hand, damit diese auf dem Laufenden sind. Diesmal hat GSA-Direktorin Emily Murphy auf Weisung Trumps angeordnet, Gelder erst dann freizugebe­n, wenn zweifelsfr­ei ein Wahlsieger feststeht. Auch die Übergabe von Akten, und sei es nur von Aktenauszü­gen, hat der Amtsinhabe­r untersagt.

Seine Anhänger rechtferti­gen es mit dem Hinweis auf denWahlkri­mi des Jahres 2000. Damals dauerte es nach einem Auszählung­sdrama in Florida bis zum 13. Dezember, ehe der Demokrat Al Gore seinem Kontrahent­en George W. Bush zum Sieg gratuliert­e und die Regierung Bill Clintons mit der Übergabe der Geschäfte begann. Diesmal, betonen zwei Schlüssela­kteure von damals, lägen die Dinge anders.Vor zwanzig Jahren hätten sich beide Konkurrent­en wochenlang zu Recht Hoffnungen gemacht, diesmal müssten vergleichs­weise deutliche Ergebnisse in mehreren Bundesstaa­ten korrigiert werden, um Trump noch triumphier­en zu lassen. „2020 ist nicht 2000“, schreiben John Podesta und Andy Card, der eine seinerzeit Stabschef Clintons, der andere designiert­er Stabschef Bushs, in einem Gastbeitra­g für die Washington Post. „Der Prozess der Übergabe muss jetzt beginnen.“

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FOTO: ALEX BRANDON/AP Schon in seinen letzten Regierungs­tagen vor der Wahl ließ sich Donald Trump von seinen engsten Mitarbeite­rn feiern – hier nach einem Telefonat mit dem Sudan und Israel.

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