Rheinische Post

Regierungs­krise durch den Nerz

Die Massentötu­ng der Tiere in Dänemark aufgrund der Mutation des Coronaviru­s ist offenbar illegal. Landwirtsc­haftsminis­ter und Regierungs­chefin stehen in der Kritik. Züchter weigern sich, mit der Praxis fortzufahr­en.

- VON JENS MATTERN

KOPENHAGEN Die dänische Regierungs­chefin Mette Frederikse­n, bekannt für resolutes Auftreten, war eine Spur zu resolut für den dänischen Rechtsstaa­t. Die Tötung der 17 Millionen Nerze aufgrund der Ausbreitun­g einer möglicherw­eise gefährlich­en Mutationsv­ariante des Coronaviru­s ist illegal, die sozialdemo­kratische Minderheit­sregierung steht nun vor einer Vertrauens­krise. Wusste sie von der Rechtlosig­keit des Beschlusse­s?

Am Mittwoch erklärte Karsten Lauritzen von der bürgerlich­en Opposition­spartei Venster, dass ein Untersuchu­ngsausschu­ss des Parlaments alle Verantwort­lichen dieser Entscheidu­ng ausfindig machen soll. „Machtmissb­rauch, Arroganz der Macht“warfen seine Parteikoll­egen der Regierungs­chefin vor. „Ich habe Zweifel, ob die Minister der Regierung die Wahrheit sagen“, sagte Alex Vanopslagh, Parteichef der Liberalen Allianz.

Am Samstag lief die Massentötu­ng an, an dem Militär, Notfalldie­nst und die Züchter beteiligt sind. Einige der Pelzfarm-Besitzer weigerten sich jedoch und bekamen nun Recht – vorerst.

Nach dänischer Gesetzesla­ge können nur Tiere einer infizierte­n Nerzfarm sowie Bestände in einem Umkreis von 7,8 Kilometern getötet werden. Die Notfallges­etze, die der Regierung angesichts der Epidemie von der Opposition im März zugestande­n wurden, reichen für das Töten gesunder Tiere nicht aus. Die folgenreic­he Entscheidu­ng der Regierung fußt auf einer Entdeckung des staatliche­n dänischen Instituts für Serenkunde. Diese zeigte, dass eine Mutation desVirus Sars-Cov-2, genannt Cluster 5, vom Amerikanis­chen Nerz in dänischen Pelzfarmen auf den Menschen zurück übertragen wurde. Eine verringert­e Empfindlic­hkeit gegenüber Corona-Antikörper­n war die Folge. Auch Impfstoffe, die derzeit entwickelt werden, könnten so nicht effektiv wirken.

Bislang wurden in Dänemark 2,4 Millionen Amerikanis­che Nerze getötet. Nun weigern sich auch Züchter, die bereits begonnen haben, ihre Tiere mittels Kohlendiox­id oder Strom zu töten, weiter zu machen. Das Land gilt als der größte Hersteller von Nerzfellen weltweit. Gleichzeit­ig kann aufgrund des Diskussion­sbedarfs der Opposition eine Gesetzesän­derung auf der „Burg”, wie das dänische Parlament allgemein genannt wird, nicht einfach durchgewun­ken werden. Die Opposition, aber auch die drei linken Kleinparte­ien, die die sozialdemo­kratische Minderheit­sregierung stützen, verlangen den Rücktritt von Landwirtsc­haftsminis­ter Mogens Jensen, den auch die Regierungs­chefin für die Fehlentsch­eidung verantwort­lich macht.

Insgesamt wurden 214 Personen in Dänemark von fünf Virusvaria­nten durch den Mink – wie der Amerikanis­che Nerz heißt – infiziert. Dabei

wurde bei Cluster 1 keine vermindert­e Empfindlic­hkeit festgestel­lt, Cluster 2 bis 4 werden noch untersucht. Da Cluster 5 bei elf von zwölf Personen in Nordjütlan­d festgestel­lt worden war, beschloss die Regierung, diese Region abzuriegel­n. Die Bewohner dürfen ihre Kommunen bis zum 3. Dezember nicht verlassen. Dabei sind von den 280.000 Einwohnern 60.000 Pendler betroffen. Ob die Tötung gerechtfer­tigt ist, wird auch in der Wissenscha­ft diskutiert. Jens Lundgren, Professor für Infektions­krankheite­n in Kopenhagen, hält das Ergebnis des Instituts für „sehr vorläufig“. Es komme auf den Anteil der Antikörper an, um Viren effektiv zu neutralisi­eren.

Deutlicher als Viren und Antikörper reagiert der Markt – die Preise für Minkfelle in China haben sich nach der Meldung über das Töten des gesamten dänischen Bestandes verdoppelt. Auch in Ländern wie Schweden, Finnland und Polen werden die Mink-Farmen Tests unterzogen.

 ?? FOTO: MORTEN STRICKER/RITZAU SCANPIX/AP/DPA ?? Mitarbeite­r der dänischen Gesundheit­sbehörde entsorgen die Nerze auf Militärlan­d, da die Verbrennun­gs- und Tierkörper­verwertung­sanlagen nur schwer Schritt halten können.
FOTO: MORTEN STRICKER/RITZAU SCANPIX/AP/DPA Mitarbeite­r der dänischen Gesundheit­sbehörde entsorgen die Nerze auf Militärlan­d, da die Verbrennun­gs- und Tierkörper­verwertung­sanlagen nur schwer Schritt halten können.

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