Rheinische Post

Halbzeitze­ugnis für Jair Bolsonaro

In Brasilien wird am Wochenende gewählt: Es geht um die Macht in den Millionenm­etropolen und darum, welche Note die Menschen ihrem umstritten­en Präsidente­n geben.

- VON TOBIAS KÄUFER

RIO DE JANEIRO Rund 100 Unterstütz­er haben sich im kleinen, schmucklos­en Raum des Hotels an der Copacabana versammelt. Die Klimaanlag­e läuft, die Fenster sind trotzdem offen: Corona. Der prominente­ste Gast ist Rio de Janeiros Bürgermeis­ter Marcelo Crivella. Ein ehemaliger evangelika­ler Bischof und der Verbündete des rechtspopu­listischen Präsidente­n Jair Bolsonaro in der Stadt, die als eine der wichtigste­n Machtzentr­en von Bolsonaro gilt. Doch die Umfragen sind schlecht, Crivella liegt weit hinter Eduardo Paes zurück. Der gilt als Mann des Zentrums. Crivella hat keine große Erfolgsbil­anz vorzuweise­n, also schimpft er über die Medien. „Globo ist Müll“, ruft er unter dem Jubel der handverles­enen Anhänger. Es gehe bei dieser Wahl um die Freiheit des Einzelnen, gewinnen die Linken, dann würde den Menschen diese Freiheit genommen. Doch Crivellas Kampagne zündet nicht, zudem ist die Angst groß, dass dem Bolsonaro-Lager das droht, was Donald Trump in den USA widerfahre­n ist: eine Niederlage.

Die Wahl am Sonntag ist deshalb auch ein wichtiger Fingerzeig für die zweite Hälfte der Amtszeit von Jair Bolsonaro. Der regiert das Land seit Januar 2019. Inzwischen ist die Corona-Pandemie, die das Land hart getroffen hat, abgeklunge­n.

Tatsächlic­h gingen die Umfragewer­te des Präsidente­n wieder in die Höhe, als die erste Welle der Corona-Krise überstande­n schien. „Ich werde mein Volk nicht in die Armut schicken, nur um den Beifall der Medien zu erhaschen“, sagte Bolsonaro stets und stellte sich damit gegen den Lockdown-Kurs seiner Gouverneur­e und Bürgermeis­ter. Die stehen nun am Wochenende zur Wahl. Vor allem in Sao Paulo, in dem ein Großteil der Wirtschaft­sleistung des Landes erbracht wird, und in Rio de Janeiro, das als Machtzentr­um Bolsonaros gilt, wird das Ergebnis Aufschluss darüber geben, wie die Menschen über ihren internatio­nal scharf kritisiert­en Präsidente­n denken.

Für Bolsonaro ergeben sich aus der Wahlnieder­lage Trumps gravierend­e Veränderun­gen. Im Ausland steht der Präsident ohne seinen engen politische­nVerbündet­en zunehmend isoliert da. Neben Mexiko ist Brasilien das einzige große lateinamer­ikanische Land, das Biden noch nicht gratuliert hat. Zudem steht seine umstritten­e Amazonas-Politik am Pranger. Im Gegensatz zu Trump will sich Biden aktiv mit Milliarden-Investitio­nen für den Erhalt des Regenwalde­s einsetzen. Auch innenpolit­isch tut sich eine Alternativ­e auf. Der bei Konservati­ven äußerst populäre Ex-Justizmini­ster Sergio Moro und der populäre TV-Showmaster Luciano Huck erwägen offenbar bei den Präsidents­chaftswahl­en 2022 anzutreten. Intern wird von einem „dritten Weg“gesprochen, also der politische­n Mitte, die sich nicht vom rechtspopu­listischen Kurs Bolsonaros, aber auch nicht von der linken Opposition vertreten fühlt.

 ??  ?? Jair Bolsonaro
Jair Bolsonaro

Newspapers in German

Newspapers from Germany