Wunderbares Power-Dröhnen!
Das neue Album von AC/DC heißt „Power Up“und erscheint am Freitag. Beruhigende Nachricht vorab: Die Band klingt zum Glück wie immer.
Es gibt diese Band seit fast 50 Jahren, sie veröffentlicht am Freitag ihr 17. Album, und es klingt wie die meisten der 16 zuvor erschienenen. Der Zeitpunkt ist also günstig, endlich das Geheimnis zu lüften, warum AC/DC so erfolgreich ist. Es liegt an einem Phänomen, das wir hier mal Power-Dröhnen nennen wollen. Oder Druck-Brummen. Oder Press-Rauschen. Wie auch immer: Wer die Australier hört, geht nicht auf die Straße, um der Menschheit eins auf die Nase zu geben. Da sind wederWut, noch Aggression. Man sitzt vielmehr da und fühlt sich geborgen im Sound. Der Lärm schließt den Hörer ein wie ein Kokon. Man fühlt sich gelassen und sicher, egal was draußen gerade so im Argen liegt. Einfach fallen lassen: AC/DC hören macht glücklich.
„Power Up“heißt das neue Album, darauf sind zwölf Stücke, von denen die ersten besser sind als die letzten, wobei sich die ersten von den letzten genau genommen nur in Nuancen unterscheiden. Es ist egal, ob Trump oder Biden im Weißen Haus regiert, AC/DC klingen immer, als sei noch Gerald Ford im Amt. Das ist die Essenz des Rock: entschlackt bis auf den Kern, abgemagert bis aufs Gerüst, maximaler Minimalismus, keine Adjektive. Wäre Hemingway ein Musiker gewesen, er hätte AC/DC gegründet.
Die größte Überraschung ist, dass es die Platte überhaupt gibt. Sänger Brian Johnson, der seit dem Tod von Bon Scott als erstklassigste Zweitbesetzung der Rockgeschichte gilt, hatte gesundheitliche Probleme. Sehr standesgemäße übrigens: Er lief Gefahr, sein Gehör zu verlieren. Auf der Tournee 2016 musste er sich von Guns-N'-Roses-Sänger Axl Rose vertreten lassen. Aber nun sind die Trommelfelle des inzwischen 73-jährigen Johnson wieder stramm gespannt. Er ist zurück – und wie. Gleich in Lied eins, „Realize“heißt es, fräst sich seine Stimme gnadenlos durchs Unterholz. Die Jungs unterstützen ihn mit Background-Gesang, der sie ein wenig wie Beach Boys wirken lässt. Allerdings Boys von einem ölverschmierten Beach. Sehr schön ist auch, wie Johnson in „Demon Fire“mit dem Leibhaftigen im Duett singt. Natürlich steht er am Ende als Sieger da.
Neben Johnson kehrt auch Bassist Cliff Williams zurück. Außerdem Drummer Phil Rudd, der ja ein bisschen Stress hatte vor Gericht. Er soll den Mord an zwei Menschen in Auftrag gegeben haben und fand deshalb keine Zeit mehr, Schlagzeug zu spielen. Die Anzeige wurde bald fallengelassen. Mit Steve und natürlich Angus Young, dem sardonischen Stepke, der auch mit 65 weiterhin Schuluniform trägt, ist die Truppe komplett.
Sie haben ja schon viele Wechsel in der Besetzung überlebt, und wie bei Kraftwerk ist es ihnen gelungen, dass der typische Klang größer geworden ist als die Leute, die ihn hervorbringen. Das Label AC/DC steht für eine Soundwelt, die längst unabhängig von ihren Schöpfern existiert. Das beste Beispiel ist das legendäre Album „Back In Black“. Ihr Sänger Bon Scott war gestorben, sie kehrten mit Johnson am Mikro zurück, eigentlich unglaublich. Doch die Platte steht heute hinter „Thriller“auf Platz zwei der am besten verkauften Alben aller Zeiten.
Nun also „Power Up“. Das ist eine einfache Welt, die in diesen Songs geschildert wird. Bisschen Highway, bisschen Umkleideraum, paar Kulissen aus alten Filmen, viel Augenzwinkern und Zuprosten. Das Lieblingswort der Gruppe, „Thunder“, kommt auch wieder vor, ansonsten regiert das durchgedrückte Gaspedal: Unterwegsein, Bewegtwerden, immer weiter durchbrechen.
Man mag das gar nicht glauben, wenn man Textzeilen wie „A shot in the dark / beats a walk in the park“hört. Aber AC/DC sind Philosophen. Ihre Lehre lautet:Wenn Du die Alternative zwischen Aufgeben undWeitermachen hast, mach weiter.
Wie hieß es damals in „Highway To Hell“? „Hey momma / Look at me / I'm on my way to the Promised Land.“