Windsor-Snobismus in Schottland
In Staffel vier von „The Crown“trifft die Queen auf Widersacherin Margaret Thatcher.
„Wir sterben wie die Fliegen, aber sie bleibt und bleibt“, sagte Margret (Helena Bonham Carter) über ihre Schwester, Königin Elisabeth II. (Olivia Colman), in der letzten Staffel von „The Crown“, deren Handlung im Jahr 1976 endete. Die Amtszeiten von sieben Premierministern hat die Monarchin bis dahin schon überlebt. Und es werden noch weitere sieben Regierungschefs folgen, die sich bis zum heutigen Datum jeden Mittwoch im Buckingham Palace zur Audienz einfinden.
Fast sechs Jahrzehnte Zeitgeschichte ranken sich um die Regentschaft der amtierenden Königin. In diesem historischen Kontinuum hat Drehbuchautor Peter Morgan einen ebenso spannenden wie unerschöpflichen Serienstoff gesehen. „The Crown“geht mittlerweile in die vierte Staffel und gehört zu den Flaggschiffen des Streaming-Giganten „Netflix“.
Im letzten Jahr wurde der gesamte Personalbestand vor der Kamera ausgetauscht und mit Olivia Colman betrat eine Queen den Bildausschnitt, die sich der Möglichkeiten, Grenzen und Verantwortung ihrer Rolle vollkommen bewusst ist. Dieser Kurs wird nun auch in der vierten Staffel, die am 15. November auf Netflix startet, fortgeführt. Die Zeitachse reicht hier von 1979 bis 1990 – jene elf Jahre, in denen Margaret Thatcher in der Downing Street die Fäden in der Hand hielt.
Gillian Anderson ist brillant als Premierministerin mit Drei-WetterTaft-Frisur. Das wechselhafte Verhältnis der beiden Frauen in ihren Machtpositionen ist das Herzstück der Staffel. Von feministischer Solidarität ist hier jedoch nur wenig zu spüren. Thatchers Besuch auf dem königlichen Sommersitz im schottischen Balmoral, bei dem die Premierministerin im knallblauen Kostüm zur Jagd erscheint und schon bald vom Snobismus desWindsor-Clans genervt ist, wird zum Ausgangspunkt lang anhaltender Unstimmigkeiten. Thatchers rigide Wirtschaftsreform, die dem Land drei Millionen Arbeitslose, Streiks und soziale Unruhen beschert, findet genauso wenig die Zustimmung der machtlosen Monarchin wie der Falkland-Krieg.
Aber die 80er-Jahre waren in Großbritannien nicht nur das Jahrzehnt des Thatcherismus, sondern auch die Ära, in der das Vereinigte Königreich und die ganze Welt die Traumhochzeit von Charles und Diana feierte. Die romantischen Vorstellungen der 18-jährigen Diana (Emma Corrin) versickern schon bald in den langen Fluren des Buckingham Palace und einer kaltherzigen Familie, die mit zunehmendem Neid auf die Popularität der jungen Prinzessin blickt. Das gilt besonders für Ehemann Charles (Josh O`Connor), der die Beziehung zu seiner langjährigen Geliebten Camilla Bowles aufrecht erhält.
Mit emotionalem Differenzierungsvermögen wird hier der Ehekrieg inszeniert, dessen Ursachen in der manipulativen Rigidität der königlichen Familienstruktur liegen. Mit einem brillanten Ensemble und dem dynamischen Mischungsverhältnis von politischen Zeitgeschehen, Familiensaga und MonarchoVoyeurismus überzeugt auch die vierte Staffel von „The Crown“. Im nächsten Jahr folgen mit einer erneut ausgewechselten Besetzung zwei weitere Staffeln.