„Ich verlasse das Bett kaum noch“
Tobias Jansen ist querschnittsgelähmt und braucht ein neues Spezialbett. Doch seine Krankenkasse genehmigt es nicht. Auch der Pflegedienst kann das nicht nachvollziehen.
Ein querschnittgelähmter Garather kämpft um ein dringend benötigtes Spezialbett. Trotz Attest will es die Krankenkasse nicht bezahlen.
Das Gefühl, nicht selbstständig zu sein, begleitet Tobias Jansen schon sein ganzes Leben. Der 31-Jährige wurde mit einer spina bifida, einem offenen Rücken, geboren und ist querschnittsgelähmt. Seine Beine kann er nicht bewegen, er ist auf einen Rollstuhl und ein hydraulisches Pflegebett angewiesen. Doch bis vor ein paar Monaten kam er damit gut zurecht, hatte eine Arbeitsstelle als Bürokaufmann, fuhr einen speziellen VW-Bus. Aber innerhalb kurzer Zeit gingen zuerst der Rollstuhl und dann das Pflegebett kaputt – und Tobias Jansen kann seitdem fast nichts mehr selbst bewältigen. „Ich komme nicht einmal mehr alleine aus dem Bett und verlasse es seitWochen kaum noch“, sagt der 31-Jährige, der mit seinem Vater in Garath lebt und von diesem auch gepflegt wird. Um in seinen Rollstuhl zu kommen, benötigt er die Hebe- und Senkfunktion des Betts – doch die ist kaputt. Und ein neues ist derzeit nicht in Sicht: Die Krankenkasse hat nach einigem Hin und Her zwar einen neuen Rollstuhl genehmigt, das Bett allerdings bislang nicht.
Zur Begründung heißt es von der Kasse auf Anfrage, man habe das neue Bett nicht grundsätzlich abgelehnt, sondern vielmehr die von Jansen beantragte überbreite Ausfertigung mit einer Länge von zwei Metern. Die Anschaffung sei nicht gerechtfertigt, sagt ein Sprecher. Tobias Jansen sieht das anders: Er sei ungefähr 1,90 Meter groß und unter anderem wegen Wassereinlagerungen stark übergewichtig, sagt er: „Dieses Bett ist auch für den Besuch vom Pflegedienst absolut notwendig.“Ungefähr 4000 Euro würde die Neuanschaffung kosten.
Jansen wird von Mitarbeitern eines ambulanten Pflegedienstes aus Eller betreut. Auch dessen Geschäftsführer Dirk Busch kann die Entscheidung der Krankenkasse nicht nachvollziehen. „Es ist für mich komplett unverständlich, wieso das Bett nicht bewilligt wird“, sagt Busch. Er kenne Jansen schon seit vielen Jahren – und dieser habe immer ein 1,20 Meter breites und zwei Meter langes Bett gehabt. Es gehe hier lediglich um eine Neubestellung – „und es ist mir schleierhaft, wieso diese nicht genehmigt wird“. Ohne ein solches Bett sei die Pflege schlicht nicht leistbar, die medizinische und pflegerische Indikation sei definitiv gegeben. Zudem kritisiert Busch, dass sich die Krankenkasse bislang nicht mit ihm in Verbindung gesetzt habe.„Viele Kassen fordern in einem solchen Fall eine Stellungnahme des Pflegedienstes an“, sagt er, „das ist bisher aber nicht der Fall“.
Bereits seit Ende September liegt der Krankenkasse zudem ein Attest von Jansens Hausärztin vor. In dem Schreiben verweist diese darauf, dass der 31-Jährige durch die Immobilität an Druckgeschwüren und Wundekzemen leide. Ein neuer Rollstuhl und ein neues Bett seien erforderlich und bereits verordnet, schreibt die Ärztin: „Hiermit möchte ich die dringende Notwendigkeit der oben genannten Maßnahmen unterstreichen und bitte um Bearbeitung der Anträge beziehungsweise Verordnungen.“Zudem wurde Jansen Mitte Oktober vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) untersucht. Aus dem Gutachten geht hervor, dass Jansen, der als kognitiv völlig klar eingeschätzt wird, schon einen Positionswechsel im Bett nicht selbst vornehmen oder sich die Haare waschen kann.
Laut einer Sprecherin des MDK der KV Nordrhein haben diese Gutachten allerdings nur empfehlenden Charakter. Sollten Versicherte mit der Entscheidung der Kasse nicht einverstanden sein, bestehe die Möglichkeit, Widerspruch einzulegen. „Hat eine Kasse gegen die Empfehlung des Gutachtens des Medizinischen Dienstes entschieden, sollte sie dann begründen können, warum“, sagt die Sprecherin. In einem Schreiben der Kasse an Tobias Jansen vom 16. Oktober heißt es dazu allerdings lediglich, dass man die Stellungnahme des MDK erhalten und den Widerspruch nochmals überprüft habe: „Die von Ihnen genannten Gründe reichen nicht aus, um unseren Bescheid vom 06.08.2020 aufzuheben.“
Aber Tobias Jansen gibt nicht auf und hat noch einmal Widerspruch eingelegt. Schon beim Rollstuhl habe sich die Kasse zunächst quergestellt, sagt er, „dabei wissen die doch, dass ich darauf angewiesen bin“. Ein Sprecher der Kasse räumt dazu auf Anfrage ein: „Das hätte auf unserer Seite besser und schneller laufen können.“Außer Fernsehschauen und auf dem Handy herumspielen kann Jansen derzeit aber nicht viel tun. „Das geht ja jetzt schon ein paar Monate so und zieht mich wirklich herunter.“
Im Frühjahr verlor er seinen Job als Bürokaufmann und würde sich eigentlich gern etwas Neues suchen – ohne Hilfsmittel aber kaum möglich. Auch seinen Bus kann er momentan nicht nutzen Er hofft, dass der erneute Widerspruch bei der Kasse Wirkung zeigt. Immerhin ist eine kleine Verbesserung seiner Situation aber bereits in Sicht: Der neue Rollstuhl soll in etwa fünf Wochen geliefert werden.