Von Wandel, Zuversicht und Seitenwechslern
Der NRW-Unternehmerpräsident ist im Umfeld der Politik sehr aktiv. Mit dem Wirtschaftsminister diskutiert er über die Chancen des Standorts Nordrhein-Westfalen.
DÜSSELDORF
Die gegenseitige Wertschätzung bemerkt man als erstes, wenn man Arndt Kirchhoff und Andreas Pinkwart im Gespräch erlebt. Der Unternehmer und der Wirtschaftsminister kennen sich seit Jahrzehnten. Bei einem Treffen im Ministerium überreichte Pinkwart dem nordrhein-westfälischen Unternehmerpräsidenten daher nicht nur die Auszeichnung„NRWandler“im Rahmen desWettbewerbs„NRW – Wirtschaft im Wandel“. Gemeinsam ließ man die Vergangenheit auch noch einmal Revue passieren – und blickte auch in die Zukunft.
Erinnern Sie sich noch an Ihre erste Begegnung?
KIRCHHOFF
Das ist lange her. Ich kenne Herrn Pinkwart schon seit seiner Zeit als Professor an der Universität in Siegen. Heute bin ich da im Hochschulrat, damals aber noch nicht. Ich freue mich, dass mit ihm jemand in der Politik ist, der immer mal wieder die Seiten gewechselt hat.
Nach der Niederlage bei der Landtagswahl 2010 wurde Herr Pinkwart Rektor an der HHL in Leipzig. Damals war er Wissenschaftsminister, nun ist er Wirtschaftsminister. Was hat sich seitdem verändert?
KIRCHHOFF Damals gab es auch eine Klimadiskussion, aber nicht mit der Zielsetzung von heute. PINKWART Auch die Digitalisierung war damals noch nicht so ein Thema…
KIRCHHOFF …damals gab es ja noch nicht mal Smartphones. Aber unabhängig davon haben uns immer schon die Themen Bildung und Innovation verbunden. Es gab ja immer wieder Bücher, die den Absturz der deutschen Wirtschaft vorausgesagt haben. Erst war es die japanische, dann die koreanische und aktuell die chinesische Bedrohung. Und immer hieß es: Deutschland wird abgehängt, wenn es so weitermacht. Bislang ist es noch nicht so weit gekommen, weil wirThemen wie Innovation offenbar doch besser beherrschen, als mancher unterstellt.
Ist es hilfreich, wenn man Leute über Jahre hinweg kennt – und dann im neuen Amt wiedertrifft?
PINKWART Absolut, es geht ja am Ende immer um Vertrauen und Verlässlichkeit. Ich kannte ja auch noch den Vater von Herrn Kirchhoff aus der Zeit, als dieser Arbeitgeberpräsident in Nordrhein-Westfalen war.
Und der Sohn hat das Amt dann irgendwann übernommen?
KIRCHHOFF Als ich vor 30 Jahren in unserem Unternehmen anfing, wollte ich mich auch ehrenamtlich engagieren. Das machen ganz viele mittelständische Unternehmer. Einerseits wollen viele etwas für die Gesellschaft tun, andererseits erleben sie viele Dinge ja auch in der täglichen Praxis. Mein Vater war damals in NRW aktiv. Deshalb habe ich mich dann zunächst lange im Bundesverband der Deutschen Industrie, dem BDI, und der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, der BDA, engagiert.
Haben Sie mal überlegt, die Seiten zu wechseln und in die Politik zu gehen?
KIRCHHOFF Nein. Ich würde natürlich befürworten, wenn es mehr Unternehmer in der Politik gäbe. Aber die Politik ist ein anstrengender Job, wahrscheinlich sogar noch anstrengender als der Alltag als Unternehmer.Wir haben ja auch amWochenende mal frei, das hat der Minister kaum. Das heißt, man müsste sich als Unternehmer für die Politik oder sein Unternehmen entscheiden.
Aus Ihrer Sicht, Herr Pinkwart, ist das doch ein großes Problem, oder? Wie kann man die Durchlässigkeit des Systems ändern?
PINKWART Das ist sehr schwierig. Diese Durchlässigkeit gibt es zum Unternehmenssektor so gut wie nicht – auch zur Wissenschaft übrigens kaum. Da mal für vier bis fünf Jahre raus zu sein, ist herausfordernd. Ich habe das ja am eigenen Leib erlebt. Bei meinemWechsel an die HHL musste ich mich durch harte Arbeit erst wieder auf Flughöhe bringen, da fängt man fast bei null wieder an. Ich war acht Jahre draußen, das ist eine Ewigkeit in der Wissenschaft.
KIRCHHOFF Das habe ich damals mitbekommen. Es gab an Sie damals in Leipzig ja auch hohe Erwartungen.
PINKWART Völlig richtig. Und dann zu sagen: Jetzt habe ich das hohe Niveau wieder erreicht, jetzt wechsle ich wieder die Seiten – das ist schwierig. Wir hatten in meiner Partei ja immer wieder Externe, aber die haben sich auch nicht leichtgetan.
Ein Unternehmer entscheidet in einem Unternehmen. Das ist in der Politik anders. Da müssen Sie erst mal die Partei und Fraktion überzeugen, dann haben Sie in der Regel noch einen Koalitionspartner oder sogar zwei. Da kann man nicht einfach entscheiden, sondern muss im Grunde immer wieder neue Verhandlungen führen und Kompromisse machen. Das ist nicht jedermanns Sache.
KIRCHHOFF Davor habe ich auch hohen Respekt. Trotzdem würde ich mir wünschen, dass es möglich wäre. Da müssten sich die Rahmenbedingungen aber verändern. Die sogenannte Abkühlphase ist in den vergangenen Jahren zum Beispiel immer weiter verschärft worden. Früher haben wir über ein Jahr geredet, heute schon über zwei. Das macht den Wechsel völlig unmöglich. Wir brauchen eigentlich schnellere Wechsel ohne Abkühlphase. Natürlich müssen die Leute integer sein – das müssen sie im Wirtschaftsleben aber ebenso sein wie in der Politik.
Wenn wir uns in einem Jahr noch einmal treffen würden: Wie geht es der NRW-Wirtschaft dann?
PINKWART Corona bleibt eine Herausforderung. Wichtig ist daher, dass Unternehmer wie Arndt Kirchhoff sagen: Wir arbeiten mit unseren Mitarbeitern weiter an den großen Megatrends und stellen uns dem Wandel. Dann hat NRW viele Chancen.