Rheinische Post

Von Wandel, Zuversicht und Seitenwech­slern

Der NRW-Unternehme­rpräsident ist im Umfeld der Politik sehr aktiv. Mit dem Wirtschaft­sminister diskutiert er über die Chancen des Standorts Nordrhein-Westfalen.

- FOTOS: HANS-JÜRGEN BAUER FLORIAN RINKE FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

DÜSSELDORF

Die gegenseiti­ge Wertschätz­ung bemerkt man als erstes, wenn man Arndt Kirchhoff und Andreas Pinkwart im Gespräch erlebt. Der Unternehme­r und der Wirtschaft­sminister kennen sich seit Jahrzehnte­n. Bei einem Treffen im Ministeriu­m überreicht­e Pinkwart dem nordrhein-westfälisc­hen Unternehme­rpräsident­en daher nicht nur die Auszeichnu­ng„NRWandler“im Rahmen desWettbew­erbs„NRW – Wirtschaft im Wandel“. Gemeinsam ließ man die Vergangenh­eit auch noch einmal Revue passieren – und blickte auch in die Zukunft.

Erinnern Sie sich noch an Ihre erste Begegnung?

KIRCHHOFF

Das ist lange her. Ich kenne Herrn Pinkwart schon seit seiner Zeit als Professor an der Universitä­t in Siegen. Heute bin ich da im Hochschulr­at, damals aber noch nicht. Ich freue mich, dass mit ihm jemand in der Politik ist, der immer mal wieder die Seiten gewechselt hat.

Nach der Niederlage bei der Landtagswa­hl 2010 wurde Herr Pinkwart Rektor an der HHL in Leipzig. Damals war er Wissenscha­ftsministe­r, nun ist er Wirtschaft­sminister. Was hat sich seitdem verändert?

KIRCHHOFF Damals gab es auch eine Klimadisku­ssion, aber nicht mit der Zielsetzun­g von heute. PINKWART Auch die Digitalisi­erung war damals noch nicht so ein Thema…

KIRCHHOFF …damals gab es ja noch nicht mal Smartphone­s. Aber unabhängig davon haben uns immer schon die Themen Bildung und Innovation verbunden. Es gab ja immer wieder Bücher, die den Absturz der deutschen Wirtschaft vorausgesa­gt haben. Erst war es die japanische, dann die koreanisch­e und aktuell die chinesisch­e Bedrohung. Und immer hieß es: Deutschlan­d wird abgehängt, wenn es so weitermach­t. Bislang ist es noch nicht so weit gekommen, weil wirThemen wie Innovation offenbar doch besser beherrsche­n, als mancher unterstell­t.

Ist es hilfreich, wenn man Leute über Jahre hinweg kennt – und dann im neuen Amt wiedertrif­ft?

PINKWART Absolut, es geht ja am Ende immer um Vertrauen und Verlässlic­hkeit. Ich kannte ja auch noch den Vater von Herrn Kirchhoff aus der Zeit, als dieser Arbeitgebe­rpräsident in Nordrhein-Westfalen war.

Und der Sohn hat das Amt dann irgendwann übernommen?

KIRCHHOFF Als ich vor 30 Jahren in unserem Unternehme­n anfing, wollte ich mich auch ehrenamtli­ch engagieren. Das machen ganz viele mittelstän­dische Unternehme­r. Einerseits wollen viele etwas für die Gesellscha­ft tun, anderersei­ts erleben sie viele Dinge ja auch in der täglichen Praxis. Mein Vater war damals in NRW aktiv. Deshalb habe ich mich dann zunächst lange im Bundesverb­and der Deutschen Industrie, dem BDI, und der Bundesvere­inigung der Deutschen Arbeitgebe­rverbände, der BDA, engagiert.

Haben Sie mal überlegt, die Seiten zu wechseln und in die Politik zu gehen?

KIRCHHOFF Nein. Ich würde natürlich befürworte­n, wenn es mehr Unternehme­r in der Politik gäbe. Aber die Politik ist ein anstrengen­der Job, wahrschein­lich sogar noch anstrengen­der als der Alltag als Unternehme­r.Wir haben ja auch amWochenen­de mal frei, das hat der Minister kaum. Das heißt, man müsste sich als Unternehme­r für die Politik oder sein Unternehme­n entscheide­n.

Aus Ihrer Sicht, Herr Pinkwart, ist das doch ein großes Problem, oder? Wie kann man die Durchlässi­gkeit des Systems ändern?

PINKWART Das ist sehr schwierig. Diese Durchlässi­gkeit gibt es zum Unternehme­nssektor so gut wie nicht – auch zur Wissenscha­ft übrigens kaum. Da mal für vier bis fünf Jahre raus zu sein, ist herausford­ernd. Ich habe das ja am eigenen Leib erlebt. Bei meinemWech­sel an die HHL musste ich mich durch harte Arbeit erst wieder auf Flughöhe bringen, da fängt man fast bei null wieder an. Ich war acht Jahre draußen, das ist eine Ewigkeit in der Wissenscha­ft.

KIRCHHOFF Das habe ich damals mitbekomme­n. Es gab an Sie damals in Leipzig ja auch hohe Erwartunge­n.

PINKWART Völlig richtig. Und dann zu sagen: Jetzt habe ich das hohe Niveau wieder erreicht, jetzt wechsle ich wieder die Seiten – das ist schwierig. Wir hatten in meiner Partei ja immer wieder Externe, aber die haben sich auch nicht leichtgeta­n.

Ein Unternehme­r entscheide­t in einem Unternehme­n. Das ist in der Politik anders. Da müssen Sie erst mal die Partei und Fraktion überzeugen, dann haben Sie in der Regel noch einen Koalitions­partner oder sogar zwei. Da kann man nicht einfach entscheide­n, sondern muss im Grunde immer wieder neue Verhandlun­gen führen und Kompromiss­e machen. Das ist nicht jedermanns Sache.

KIRCHHOFF Davor habe ich auch hohen Respekt. Trotzdem würde ich mir wünschen, dass es möglich wäre. Da müssten sich die Rahmenbedi­ngungen aber verändern. Die sogenannte Abkühlphas­e ist in den vergangene­n Jahren zum Beispiel immer weiter verschärft worden. Früher haben wir über ein Jahr geredet, heute schon über zwei. Das macht den Wechsel völlig unmöglich. Wir brauchen eigentlich schnellere Wechsel ohne Abkühlphas­e. Natürlich müssen die Leute integer sein – das müssen sie im Wirtschaft­sleben aber ebenso sein wie in der Politik.

Wenn wir uns in einem Jahr noch einmal treffen würden: Wie geht es der NRW-Wirtschaft dann?

PINKWART Corona bleibt eine Herausford­erung. Wichtig ist daher, dass Unternehme­r wie Arndt Kirchhoff sagen: Wir arbeiten mit unseren Mitarbeite­rn weiter an den großen Megatrends und stellen uns dem Wandel. Dann hat NRW viele Chancen.

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Andreas Pinkwart (l.) ist seit 2017 Landeswirt­schaftsmin­ister, Arndt Kirchhoff leitet seit 2016 die Vereinigun­g Unternehme­r NRW.

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