Rheinische Post

Weihnachts­markt wäre ihr Geschäft gewesen

Seit 21 Jahren hat Gisela Arceri einen Stand für ihre Deko auf dem Engelchenm­arkt. Die Corona-bedingte Absage trifft sie hart.

- VON NICOLE KAMPE

FRIEDRICHS­TADT/ALTSTADT Zwischen den Duftölen und der Peru-Kartoffel hat Gisela Arceri immer ihren Stand, die Nummer 303. Normalerwe­ise wüsste sie in diesen Tagen gar nicht mehr, wo oben und unten ist, würde Kisten voller Weihnachts­schmuck zum Heinrich-Heine-Platz bringen, ihre Produkte auspacken, die Auslage dekorieren. Manchmal ist es so voll bei ihr, dass man sie hinter den ganzen Kugeln und dem Glitzer und den Zweigen gar nicht mehr sieht.

Zwischendu­rch säße Arceri in ihrer Werkstatt, würde Tannenbaum­anhänger produziere­n, neue Kränze binden, schließlic­h ist bald schon der erste Advent. Da wollen die Leute ihre Kränze, ihre Kerzen. Bis zum Schluss hatte Gisela Arceri gehofft, dass es einen Weihnachts­markt geben wird in Düsseldorf, bis zum Schluss hat sie gebangt. Am Donnerstag hätte er eröffnen sollen. In diesem Jahr sind so viele Märkte ausgefalle­n, auf denen die 70-Jährige mit ihrer Deko ihr Geld verdient, doch „der Weihnachts­markt ist das Hauptgesch­äft“, sagt Arceri.

Als die Absage kam, da schossen Gisela Arceri tausend Gedanken durch den Kopf. Vor allem aber hat sie Angst um ihre Existenz – auch wenn sie versucht, positiv zu denken. „Wir gewinnen schon noch im Lotto“, sagt sie. Im 21. Jahr hätte Arceri einen Stand auf dem Engelchenm­arkt gehabt, und eigentlich wollte sie dort auch ihren neuen Laden bewerben.

Früher hatte sie ihre Werkstatt in Eller, in einer alten Halle im Industrieg­ebiet. Als das Gebäude abgerissen wurde, suchte sich Arceri ein neues Domizil, sie wollte näher in die Innenstadt, wo mehr Menschen sind, es mehr Laufkundsc­haft gibt. Auf der Corneliuss­traße wurde sie fündig, im März wollte sie eröffnen. Doch dann kam der erste Lockdown.

Ein Schlag, den Arceri aber irgendwie eingesteck­t hat. Trotz ihrer 70 Jahre. Sie hätte sich auch zur Ruhe setzen können,„aber wenn sie ein paar Tage nichts macht, dann tut ihr alles weh“, sagt Tochter Tanja Arceri. Die 70-Jährige will arbeiten, fühlt sich fit, jung. Nicht trotz, sondern wegen ihrer Arbeit.

Der zweite Lockdown trifft Gisela Arceri härter. Zwar darf sie ihren Laden öffnen, aber mit ihrem „Gedöns“, wie sie ihre Dekoration liebevoll nennt, hätte sie vor allem auf dem Weihnachts­markt Abnehmer gefunden. „Es gibt Menschen, die kaufen einmal im Jahr bei mir“, sagt Arceri. Am Stand 303, auf dem Engelchenm­arkt.„Und es gibt Menschen, die kommen einfach zum Hallo sagen“, erzählt die 70-Jährige. Noch so etwas, was Gisela Arceri vermissen wird in diesem Jahr – das Zwischenme­nschliche.

Vor Weihnachte­n trifft sie so viele Bekannte wieder, und ihr Stand ist bei den Besuchern ein beliebtes Fotomotiv. Die Leute posieren, machen Selfies,„manchmal sind sie auch frech und sagen, ich soll aus dem Bild gehen“, erzählt Arceri ein bisschen wehmütig.

So ganz begreifen können sie und ihre Tochter Tanja, die auch immer einen Stand auf dem Weihnachts­markt hat für ihre Reißversch­lusstasche­n, die Absage nicht. Die beiden sind hin- und hergerisse­n. Angesichts der steigenden Infektions­zahlen sei es sicher eine richtige

Entscheidu­ng, meinen die Frauen. „Aber die Innenstadt ist samstags so voll“, sagt Gisela Arceri, die sich fragt, warum etwa der Trödelmark­t am Aachener Platz noch aufmachen darf, warum der Markt auf dem Carlsplatz erlaubt ist. „Ich gönne es den Händlern sehr“, sagt Gisela Arceri, „aber es ist eng da“, fügt Tan

ja Arceri hinzu. Konzepte habe es schließlic­h gegeben für den Weihnachts­markt, „ich wäre diesmal am Rathaus gewesen“, sagt Gisela Arceri. Weil der Heinrich-Heine-Platz nicht hätte eingezäunt werden können.

Das Loch in der Kasse wird größer, weil seit März auch viele Kunsthandw­erkermärkt­e abgesagt wurden. Etwa 30 besucht Gisela Arceri im Jahr, bis zu 150 Kilometer fährt die 70-Jährige dafür dann auch mal, in kleine Dörfchen, um ihren Stand aufzustell­en. „Wenn das so weitergeht, wird es viele von uns im nächsten Jahr leider nicht mehr geben“, fürchtet sie. Arceri setzt nun große Hoffnungen in den verkaufsof­fenen Sonntag am 6. Dezember, Tochter Tanja hat Plakate und Banner gebastelt, die im Schaufenst­er an der Corneliuss­traße hängen. Bis dahin wird Gisela Arceri hinten in ihrer Werkstatt sitzen, Engelchen basteln und Kränze binden, mit echter Tanne oder künstliche­r, so wie es die Kunden haben wollen.

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RP-FOTOS (2): ANDREAS BRETZ Gisela Arceri verkauft in ihrem Laden an der Corneliuss­traße Seidenblum­en und Weihnachts­deko.
 ??  ?? Tanja Arceri hat im Laden ihrer Mutter ein kleines Regal für ihre Reißversch­lusstasche­n. Auch sie wäre eigentlich mit einem Stand auf dem Weihnachts­markt.
Tanja Arceri hat im Laden ihrer Mutter ein kleines Regal für ihre Reißversch­lusstasche­n. Auch sie wäre eigentlich mit einem Stand auf dem Weihnachts­markt.
 ??  ?? Gisela Arceris Stand auf dem Engelchenm­arkt ist inzwischen ein beliebtes Fotomotiv. Überall glitzert und funkelt es.
Gisela Arceris Stand auf dem Engelchenm­arkt ist inzwischen ein beliebtes Fotomotiv. Überall glitzert und funkelt es.

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