Rheinische Post

Schlüsselb­und statt Plattentel­ler

Jan Schulte war DJ, bekam viel Beachtung als Musikprodu­zent mit eigenem Album. Doch Corona änderte alles. Jetzt ist er Hausmeiste­r.

- VON CLEMENS HENLE

DÜSSELDORF/LANGENFELD Ein dicker Schlüsselb­und baumelt an der Hose, wie sich das für einen echten Hausmeiste­r gehört. Hier in der „Schaustell­e“in Langenfeld macht Jan Schulte viermal dieWoche die Fenster zu, sieht nach dem Rechten und richtet auch mal eine verstopfte Toilette. Das Foyer des Kulturzent­rums atmet mit seinem weißen Marmorbode­n den verblasste­n Glanz der 80er-Jahre. Eine Zeit, in der auch in Langenfeld der Aufbruch in eine rosige Zukunft möglich schien. Heute treten hier Comedians auf, Klassik-Revuen werden gegeben, und im Kino der Stadthalle laufen kindergere­chte Blockbuste­r. Nebenan befindet sich die örtliche Volkshochs­chule.

Für den Hausmeiste­r ist dies eine ganz neue Welt. Bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie war Schulte ein vielgebuch­ter DJ. An guten Wochenende absolviert­e er drei Auftritte, im Sommer spielte er auf Festivals. Die dunklen Clubs europäisch­er Großstädte waren die Arbeitswel­t des Düsseldorf­ers, lange Partynächt­e zelebriert­e das Publikum zu seiner Musikauswa­hl. Und auch zu Hause im „Salon des Amateurs“, wo alle musikalisc­hen Fäden in Düsseldorf zusammenla­ufen, tritt „der Jan“regelmäßig auf.

„Obwohl ich schon seit vielen Jahren als DJ und Musiker arbeite, hab' ich erst 2018 den Schritt zum Vollprofi gewagt“, erzählt Schulte während seines Kontrollga­nges durch das verwaiste Gebäude. Nach vielen Überlegung­en gab er seinen Teilzeitjo­b bei einem Tonstudio auf, um sich voll auf die Musik zu konzentrie­ren. „Das erste Jahr lief sehr gut, ich hatte viele Auftritte in Clubs und auf Festivals und dazu einfach mehr Zeit, um selbst Musik zu machen“, sagt Schulte.

Herausgeko­mmen ist dabei das hochgelobt­e Album mit dem wunderbar wortspiele­rischen Namen „Albumsi“. Gleich im ersten Track macht Schulte, der das Album unter seinem Pseudonym „Bufiman“herausgebr­acht hat, klar, wohin die Reise bei ihm gehen wird: „Welcome to the Gala, Gala, Galaxy“singt er über herrlich holpernde, verspulte Drum-Grooves. Wo die alle herkommen schiebt er gleich hinter her: „Stereo Samples“. In der heutigen Zeit taugt so ein Album allerdings viel weniger als Quelle zum Geldverdie­nen, vielmehr ist es ein Promotion-Instrument.

„Ich hatte diesen Sommer auch dank des Albums einen wirklich vollen Terminkale­nder“, sagt der

Düsseldorf­er. Auf Festivals im ganzen Mittelmeer­raum war er gebucht. Dort, wo die Sonne scheint und das Partyvolk zu Schultes eklektisch­em, sommerlich­en Musikmix tanzen sollte. Im Herbst sollte es dann mit den Club-Auftritten weitergehe­n. Mit bis zu drei Gigs an einem Wochenende wäre er gut beschäftig­t gewesen.

„Ich habe sogar eigene Visuals und ein Live-Setup vorbereite­t“, sagt Schulte konsternie­rt. Bisher habe er sein neues Album allerdings erst einmal vor Publikum spielen können, auf der Release-Party im „Salon“. Seinen letzten echten Auftritt hatte Schulte im März in Jakarta, als hierzuland­e der Lockdown gerade begonnen hatte.

Derzeit ist Schultes Branche von den Corona-Einschränk­ungen am härtesten betroffen. Tanzen mit Abstand funktionie­rt eben nicht in einer Kultur, zu der enge Tanzfläche­n, ungezwunge­ner Kontakt zu Fremden und ein freudiges Feiern der Musik gehören.

Im Sommer hatte Schulte zwar einige Auftritte, bei denen das Publikum im Freien und mit Abstand vor ihm saß. Doch die reichen nicht einmal, um die Miete zu bezahlen: „Auch wenn es natürlich nicht dieselbe Energie ist, bin ich froh, dass überhaupt etwas passiert ist.“

Wann wieder so ungezwunge­n wie noch vor zehn Monaten gefeiert werden kann – das könne heute niemand genau sagen. „Ich vermisse meinen Job sehr“, sagt Schulte. „Ich wollte unbedingt als Profi Musik machen.“In dieser Situation blieben dann auch depressive Momente nicht aus, gibt er unumwunden zu: „Dann überlege ich, welcher mein bester Auftritt war, oder ich hinterfrag­e meine Entscheidu­ng, Vollzeit-Musiker geworden zu sein.“Dank der Hausmeiste­rstelle in Langenfeld kann er sich finanziell über Wasser halten, auch wenn er schon an sehr alte Ersparniss­e gehen musste.„Ich hatte noch

Geld, das mir meine Oma vor 15 Jahren für den Führersche­in geschenkt hat“, sagt Schulte. Das sei jetzt weg, und der Führersche­in müsse warten. Alleine mit dieser Situation ist der Musiker natürlich nicht. Auf der ganzen Welt kämpften seine Freunde gerade ums finanziell­e Überleben. „Mein Booker fährt in London jetzt Essen aus, ein anderer kocht, und ich bin eben Hausmeiste­r“, sagt Schulte.

Aufstecken will Schulte aber nicht, schließlic­h habe er sich für den Job sehr bewusst entschiede­n, seinen Traumjob. Nun sitzt Schulte im Hausmeiste­rzimmer, zwischen Mikrofonan­lagen, Lichtschal­tern und Sicherungs­kästen, und erzählt mit funkelndem Stolz und ohne Melancholi­e von seinen Reisen und der Liebe zur Musik. Wie er zum Beispiel eine Maultromme­l von einem Schamanen in Indonesien bekam, nubische Trommler in Assuan aufnahm, von seiner ersten Tour durch Australien oder seiner Begeisteru­ng für den italienisc­hen Übermusike­r Lucio Battisti.

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FOTO: SCHULTE Jan Schulte reiste vor Corona als DJ um die Welt: Die Musik führte ihn unter anderem nach Indonesien.

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