Corona zwingt NRW-Städte in neue Schulden
Die Pandemie belastet nicht nur den Alltag der Bürger, sondern auch die kommunalen Finanzen – über Jahre. Selbst kleine Städte haben Millionen-Kredite aufgenommen. Mancherorts zeichnet sich ab, dass die Hilfen des Bundes nicht reichen.
DÜSSELDORF Wegen der Corona-Pandemie haben viele Städte in Nordrhein-Westfalen zusätzliche Liquiditätskredite in Millionenhöhe aufnehmen müssen. Das ergab eine Umfrage unserer Redaktion. „Wir haben über das ganze Jahr hinweg einige immer sehr kurzlaufende Liquiditätskredite aufgenommen, die jeweils bei 15 Millionen Euro lagen. Der Höchststand lag bei 90 Millionen Euro“, sagte beispielsweise ein Sprecher der Stadt Münster.
Selbst kleine Kommunen haben vergleichsweise hohe Kredite aufgenommen. In Geldern sind es etwa sechs Millionen Euro gewesen, in Hilden fünf Millionen. In Moers wurden die laufenden Liquiditätskredite um circa zehn Millionen Euro erhöht. Auch Bonn hat die Liquiditätskredite erhöhen müssen, weil Steuern ausfielen und Kosten stiegen. „Dies kann man grob auf 65 Millionen Euro beziffern“, sagte eine Stadtsprecherin. In Remscheid kann man noch nicht genau sagen, wie hoch die coronabedingte Neuverschuldung ist; Stadtdirektor und Stadtkämmerer SvenWiertz schätzt sie aber auf 30 bis 35 Millionen Euro. In der Nachbarstadt Solingen sind es rund 50 Millionen Euro. In Neuss liegt der Liquiditätsbedarf bei rund 48 Millionen Euro. Aachen erhöhte die Kreditlinie im ersten Halbjahr vorsorglich um 200 Millionen Euro.
Der Bund hatte im Sommer für die Kommunen einen finanziellen Rettungsschirm mit einem Umfang von rund 130 Milliarden Euro aufgelegt. Auch in Berlin macht Corona die Finanzplanung zur Makulatur: Nach Medienberichten will Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) 2021 mindestens 160 Milliarden Euro an neuen Schulden aufnehmen – über 60 Milliarden Euro mehr als bisher bekannt.
Und es zeichnet sich bereits ab, dass die Mittel aus dem Hilfspaket des Bundes nicht überall reichen. Beispiel Aachen:„2020 werden letztlich Liquiditätskredite in Höhe von etwa 30 bis 35 Millionen Euro zusätzlich bestehen bleiben, die auf die Pandemie entfallen und nicht durch Bund und Land ausgeglichen werden“, sagte eine Sprecherin.
Viele Städte planen Mehrausgaben, die die Pandemie verursacht, schon in ihre Haushalte für die nächsten Jahre ein – etwa Mönchengladbach. Im Entwurf des Doppelhaushalts 2021/22 rechnen die Gladbacher mit coronabedingten
Belastungen von rund 103 Millionen Euro im Jahr 2021, rund 87 Millionen Euro in den Jahren 2022 und 2023, rund 90 Millionen Euro für 2024 und rund 70 Millionen Euro im Jahr 2025. Dies könnte dann auch zu Liquiditätsausfällen führen, sollten Land und Bund keine weiteren echten Hilfen für die Folgejahre beschließen, sagte ein Sprecher der Stadt.
In Krefeld sieht es ähnlich aus: „Die finanziellen Auswirkungen aufgrund der Pandemie werden den Haushalt der Stadt Krefeld in 2020 und in den Folgejahren erheblich belasten“, sagte ein Sprecher. An welchen Stellen in den Folgejahren konkret gespart werden müsse, lasse sich aber noch nicht sagen.
Nach Angaben des Städte- und Gemeindebundes müssen die Kommunen bis 2024 zusätzlich mit dramatischen Mindereinnahmen rechnen. Das Präsidium des Städte- und Gemeindebundes Nordrhein-Westfalen fordert daher Bund und Land auf, die Handlungsfähigkeit der Kommunen über 2020 hinaus zu sichern. „Ist abzusehen, dass der Haushalt auf Dauer nicht auszugleichen ist, muss ein langfristiges Haushaltssicherungskonzept her“, erklärte ein Sprecher des kommunalen Spitzenverbands. In der Regel würde das auf Einsparungen bei den sogenannten freiwilligen Leistungen wie Schwimmbädern und Kultureinrichtungen hinauslaufen.
Ohne entschlossene Unterstützung durch Bund und Land werde man an drastischen Kürzungen in den Haushalten mit unmittelbaren Auswirkungen auf die Lebensqualität der Bürger nicht vorbeikommen, mahnte Roland Schäfer, Präsident des Städte- und Gemeindebunds NRW. „Leistungen zu kürzen, ist aber für die Städte und Gemeinden keine Option. Sehr viele haben dafür schon längst keinen Spielraum mehr“, fügte Schäfer hinzu.
In Hilden gibt es infolge der Pandemie bereits Einsparungen. „Zudem wurde über alle Bereiche der Stadt eine prozentuale Budget-Sperre verhängt, um zusätzliche Ausgaben abzufedern“, sagte ein Sprecher.