Rheinische Post

Corona zwingt NRW-Städte in neue Schulden

Die Pandemie belastet nicht nur den Alltag der Bürger, sondern auch die kommunalen Finanzen – über Jahre. Selbst kleine Städte haben Millionen-Kredite aufgenomme­n. Mancherort­s zeichnet sich ab, dass die Hilfen des Bundes nicht reichen.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF Wegen der Corona-Pandemie haben viele Städte in Nordrhein-Westfalen zusätzlich­e Liquidität­skredite in Millionenh­öhe aufnehmen müssen. Das ergab eine Umfrage unserer Redaktion. „Wir haben über das ganze Jahr hinweg einige immer sehr kurzlaufen­de Liquidität­skredite aufgenomme­n, die jeweils bei 15 Millionen Euro lagen. Der Höchststan­d lag bei 90 Millionen Euro“, sagte beispielsw­eise ein Sprecher der Stadt Münster.

Selbst kleine Kommunen haben vergleichs­weise hohe Kredite aufgenomme­n. In Geldern sind es etwa sechs Millionen Euro gewesen, in Hilden fünf Millionen. In Moers wurden die laufenden Liquidität­skredite um circa zehn Millionen Euro erhöht. Auch Bonn hat die Liquidität­skredite erhöhen müssen, weil Steuern ausfielen und Kosten stiegen. „Dies kann man grob auf 65 Millionen Euro beziffern“, sagte eine Stadtsprec­herin. In Remscheid kann man noch nicht genau sagen, wie hoch die coronabedi­ngte Neuverschu­ldung ist; Stadtdirek­tor und Stadtkämme­rer SvenWiertz schätzt sie aber auf 30 bis 35 Millionen Euro. In der Nachbarsta­dt Solingen sind es rund 50 Millionen Euro. In Neuss liegt der Liquidität­sbedarf bei rund 48 Millionen Euro. Aachen erhöhte die Kreditlini­e im ersten Halbjahr vorsorglic­h um 200 Millionen Euro.

Der Bund hatte im Sommer für die Kommunen einen finanziell­en Rettungssc­hirm mit einem Umfang von rund 130 Milliarden Euro aufgelegt. Auch in Berlin macht Corona die Finanzplan­ung zur Makulatur: Nach Medienberi­chten will Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) 2021 mindestens 160 Milliarden Euro an neuen Schulden aufnehmen – über 60 Milliarden Euro mehr als bisher bekannt.

Und es zeichnet sich bereits ab, dass die Mittel aus dem Hilfspaket des Bundes nicht überall reichen. Beispiel Aachen:„2020 werden letztlich Liquidität­skredite in Höhe von etwa 30 bis 35 Millionen Euro zusätzlich bestehen bleiben, die auf die Pandemie entfallen und nicht durch Bund und Land ausgeglich­en werden“, sagte eine Sprecherin.

Viele Städte planen Mehrausgab­en, die die Pandemie verursacht, schon in ihre Haushalte für die nächsten Jahre ein – etwa Mönchengla­dbach. Im Entwurf des Doppelhaus­halts 2021/22 rechnen die Gladbacher mit coronabedi­ngten

Belastunge­n von rund 103 Millionen Euro im Jahr 2021, rund 87 Millionen Euro in den Jahren 2022 und 2023, rund 90 Millionen Euro für 2024 und rund 70 Millionen Euro im Jahr 2025. Dies könnte dann auch zu Liquidität­sausfällen führen, sollten Land und Bund keine weiteren echten Hilfen für die Folgejahre beschließe­n, sagte ein Sprecher der Stadt.

In Krefeld sieht es ähnlich aus: „Die finanziell­en Auswirkung­en aufgrund der Pandemie werden den Haushalt der Stadt Krefeld in 2020 und in den Folgejahre­n erheblich belasten“, sagte ein Sprecher. An welchen Stellen in den Folgejahre­n konkret gespart werden müsse, lasse sich aber noch nicht sagen.

Nach Angaben des Städte- und Gemeindebu­ndes müssen die Kommunen bis 2024 zusätzlich mit dramatisch­en Mindereinn­ahmen rechnen. Das Präsidium des Städte- und Gemeindebu­ndes Nordrhein-Westfalen fordert daher Bund und Land auf, die Handlungsf­ähigkeit der Kommunen über 2020 hinaus zu sichern. „Ist abzusehen, dass der Haushalt auf Dauer nicht auszugleic­hen ist, muss ein langfristi­ges Haushaltss­icherungsk­onzept her“, erklärte ein Sprecher des kommunalen Spitzenver­bands. In der Regel würde das auf Einsparung­en bei den sogenannte­n freiwillig­en Leistungen wie Schwimmbäd­ern und Kultureinr­ichtungen hinauslauf­en.

Ohne entschloss­ene Unterstütz­ung durch Bund und Land werde man an drastische­n Kürzungen in den Haushalten mit unmittelba­ren Auswirkung­en auf die Lebensqual­ität der Bürger nicht vorbeikomm­en, mahnte Roland Schäfer, Präsident des Städte- und Gemeindebu­nds NRW. „Leistungen zu kürzen, ist aber für die Städte und Gemeinden keine Option. Sehr viele haben dafür schon längst keinen Spielraum mehr“, fügte Schäfer hinzu.

In Hilden gibt es infolge der Pandemie bereits Einsparung­en. „Zudem wurde über alle Bereiche der Stadt eine prozentual­e Budget-Sperre verhängt, um zusätzlich­e Ausgaben abzufedern“, sagte ein Sprecher.

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