Die Grünen haben ihre Flügel gestutzt
Die Grünen haben sich aufgestellt. Sie gehen mit einem neuen Grundsatzprogramm in das Superwahljahr 2021 mit sechs Landtagswahlen und der Bundestagswahl. Mit ihrem neuen Programm schlagen sie Kapitel vier ihrer Parteigeschichte nach den Grundsatzprogrammen 1980, 1993 und 2002 auf. Neue Zeit, neue Herausforderungen, neuer Anspruch. Die einstige Anti-Parteien-Partei, der zu wilden Zeiten jegliche Regierungsbeteiligung verpönt war, will an die Macht im Bund.
Nie zuvor in ihren 40 Jahren Parteigeschichte haben die Grünen so unmissverständlich ihren Führungsanspruch in Deutschland formuliert. Aller Voraussicht werden sie im Frühjahr über die erste Kanzlerkandidatur ihrer Parteigeschichte entscheiden. Noch warten die Parteichefs Annalena Baerbock und Robert Habeck ab. Erst wollen sie sehen, wen die CDU zumVorsitzenden wählt und damit für eine mögliche Kanzlerkandidatur der Unionsparteien (wenn die CSU nicht eigene Ansprüche anmeldet) ins Rennen schickt.
Also prima Klima bei den Grünen? Zumindest sind die Vorzeichen aktuell günstig. Die einstigen Ökopaxe, die längst mehr sein wollen als eine Partei nur für Klima, Frieden und Gleichberechtigung, schmieden ihr Bündnis in der Mitte der Gesellschaft – dort also, wo Mehrheiten zu Hause sind. Aber noch sind es zehn Monate bis zur Bundestagswahl.
Noch kann alles passieren. Die Welle der Zustimmung, auf der die Grünen seit eineinhalb Jahren segeln, kann wieder abebben. Doch die Grünen dieser Zeit haben längst aufgehört, sich untereinander zu verkämpfen, weil sie erkannt haben, dass sie in der Regierung mehr fürs Klima tun können als auf allen Grünen-Parteitagen. Die Grünen haben ihre Flügel gestutzt und gezähmt, damit die gesamte Partei an die Macht fliegen kann.
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