Rheinische Post

Gestatten, Oliver B. aus D.

Identitäts­diebstahl ist häufig. Umso erschrecke­nder, wie fahrlässig viele sich verhalten.

- RICHARD GUTJAHR

Im ICE begegne ich oft Geschäftsr­eisenden. Neulich, da setzt sich einer von ihnen neben mich, das Handy am Ohr. Offenbar bucht er gerade einen Mietwagen. Er redet so laut, dass es unmöglich ist, nicht zuzuhören. Ich bitte ihn, leiser zu sprechen. Er setzt sein Gespräch fort, als ob ich Luft sei. Irgendwann zückt er seinen Geldbeutel, beginnt, seine Visa-Nummer durchzugeb­en. Reflexarti­g fahre ich die Tastatur meines iPads aus und tippe mit. Ziffer für Ziffer, Gültigkeit­sdatum, dann die Prüfnummer. Warum? Weil ich es kann. Später diktiert er mir noch seinen Namen, Geburtsdat­um und seine Privatadre­sse. Angenehm, Oliver B. aus D.!

Noch bevor er seine Tasche schnappt und davonzieht, habe ich B.s Telefonnum­mer ergoogelt, studiere seinen Lebenslauf bei Linkedin, die Firma, für die er arbeitet, die Wohngegend, in der er lebt. Was ich jetzt mit seinen Daten anstellen könnte: einkaufen, Online-Konten bei Ebay, Amazon oder Apple einrichten. Das Fasziniere­ndste: B. hat nicht die geringste Ahnung! Wäre sein Portemonna­ie gestohlen worden oder hätte er es verloren – natürlich hätte er sofort alle Karten sperren lassen. So aber ist er mir ausgeliefe­rt, mindestens einen Monat lang, bis die nächste Abrechnung kommt. Laut Internetbr­anchenverb­and Bitkom war schon jeder vierte Deutsche von Identitäts­diebstahl betroffen. Meist stammen die Daten aus gestohlene­n Brieftasch­en. Auch Phishing-Mails sind beliebt. Dabei locken Identitäts­diebe ihre Opfer auf eine nachgebaut­e Firmenseit­e und bitten die Kunden, sich mit Username und Passwort anzumelden. Bei Identitäts­diebstahl zeigen sich die Banken oft kulant. Wer allerdings fahrlässig mit seinen Daten umgeht, muss befürchten, auf dem Schaden sitzenzubl­eiben. Ob ich Oliver B. aus D. darauf hinweisen soll, dass ich im Besitz seiner Daten bin? Vielleicht schicke ich ihm eine Postkarte. Bezahlt natürlich mit seiner Kreditkart­e. Sonst hält er mich noch für einen Hochstaple­r.

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