Golf statt Gipfel
Die G20-Staaten ringen bei ihrem virtuellen Gipfel um Strategien gegen die Corona-Pandemie. US-Präsident Trump zieht sich zwischendurch lieber in seinen Club zurück.
BERLIN Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ließ ihre Kritik am Verhalten des US-Präsidenten eher zwischen den Zeilen erkennen. Nach zwei TagenVerhandlungen mit den Regierungschefs der G20-Gruppe betonte sie am Sonntagabend die Bedeutung des Multilateralismus in schwierigen Zeiten. Die Bedeutung internationaler Zusammenarbeit also – im scharfen Kontrast zu Donald Trumps Prämisse „America first“, Amerika zuerst. Auch Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) schien gewissen Groll gegenüber Trump zu spüren und sagte: „Ein Teilnehmer hat die Gelegenheit noch mal genutzt, um seine eigene Großartigkeit zu schildern.“Rumms.
In der Welt der Diplomatie sind das ungewohnt scharfe Worte. Angesichts des eindeutigen US-Wahlergebnisses für Trumps Herausforderer Joe Biden scheint sich die Weltgemeinschaft recht schnell vom Amtsinhaber im Weißen Haus verabschieden zu wollen. Und er sich auch von ihnen.
Bereits eineinhalb Stunden nach dem Auftakt des Gipfels am Samstag fuhr Trump für den Rest des Tages in seinen Golfclub in Sterling im nahen
Bundesstaat Virginia. Fotos zeigten Trump wenig später in einem roten Blouson und einer weißen Kappe beim Golfen – während Bundeskanzlerin Angela Merkel und andere Staats- und Regierungschefs über die Strategien zur Eindämmung der Pandemie berieten. Trump wehrte sich am Sonntag bei Twitter gegen die Vorwürfe, ließ sich nach einer aufgezeichneten Rede zum Thema Klimaschutz mit wütenden Worten gegen das Pariser Klimaschutzabkommen beim Abschlusstreffen aber durch seinen Wirtschaftsberater Larry Kudlow vertreten. Der Gipfel einigte sich später ohne Trump auf die Unterstützung des Abkommens, Biden will ihm wieder beitreten. Zuvor hatte Trump in der Runde aber noch deutlich gemacht, dass aus seiner Sicht erst mal alle Amerikaner gegen das Coronavirus geimpft werden sollten, wie aus Delegationskreisen verlautete. Eben „America first“.
Dabei brachte der G20-Gipfel am Ende durchaus wichtige Beschlüsse zu Papier – auch wenn die Umstände einer der Pandemie geschuldeten Videokonferenz unter Führung Saudi-Arabiens alles andere als günstig waren. So wolle die Gruppe der großen Wirtschaftsmächte „keine Mühe scheuen“, einen gerechten Zugang zu erschwinglichen Corona-Impfstoffen in der Welt sicherzustellen. Das geht aus der Abschlusserklärung hervor. Demnach unterstützen die G20 die Bemühungen für eine gerechte Verteilung der Impfstoffe. Merkel betonte, dass jedoch noch Finanzmittel fehlen.„Wir sind entschlossen, die verbleibenden finanziellen Anforderungen anzupacken“, heißt es im Papier. Bis Ende 2021 sind das sechs Milliarden US-Dollar, Merkel stellte eine stärkere Unterstützung Deutschlands in Aussicht.
Zugleich wollen die 20 wichtigsten Wirtschaftsmächte die globale Ökonomie wieder in Gang bringen. Merkel warnte, dass die Armut auf derWelt wieder zunehme.„Wir sind entschlossen, weiterhin alle verfügbaren politischen Instrumente einzusetzen, um das Leben, die Jobs und die Einkommen der Menschen zu schützen“, heißt es im Papier. Ziel sei es, „den globalen wirtschaftlichen Aufschwung zu unterstützen und die Widerstandsfähigkeit des Finanzsystems zu stärken und gleichzeitig Abwärtsrisiken zu vermeiden.“So werden armen Ländern weitere Schuldenerleichterungen in Aussicht gestellt.
Der CDU-Außenpolitiker und Kandidat für den Parteivorsitz, Norbert Röttgen, warnte vor einem Kampf um den Impfstoff. „Die G20 haben mit ihrem Fokus auf die Impfstoffverteilung und den internationalen Klimawandel die richtigen Schwerpunkte gesetzt“, sagte Röttgen. „Impfstoff-Nationalismus muss unbedingt verhindert werden.“Es brauche eine politische Einigung auf einen Verteilungsschlüssel, damit auch der globale Süden versorgt werde. „Das ist nicht nur moralisch geboten, sondern auch in unserem eigenen Interesse, um das Virus langfristig auszurotten“, sagte Röttgen. „Aber auch bei diesem G20-Treffen zeigt sich wieder, wie schwierig es ist, ohne oder gar gegen die USA international zu gestalten.“Vor allem für den Kampf gegen den globalen Klimawandel sei die Wahl Bidens daher „ein echter Lichtblick“, so Röttgen.