Rheinische Post

Die Adler fliegen famos los

Leere Ränge, Masken und ein weißer Teppich im Grünen: Für die deutschen Skispringe­r ist der Saisonauft­akt so ungewöhnli­ch wie erfolgreic­h.

- VON THOMAS ESSER UND PATRICK REICHARDT

WISLA (dpa) Markus Eisenbichl­er schrie jubelnd in die Kamera, dann klatschte er sich euphorisch mit Teamkolleg­e Karl Geiger ab: Mit einem Doppelsieg und einer Skisprung-Show der Extraklass­e sorgten Sieger Eisenbichl­er und der zweitplatz­ierte Geiger für einen perfekten Start in den XXL-Winter. „Jaaa“, rief „Eisei“mit zu Fäusten geballten Händen ausgelasse­n nach dem Saison-Auftakt in Polen und sagte anschließe­nd ungläubig: „Das hätte ich nicht erwartet. Ich bin mega happy, dass ich den zweiten Weltcup-Sieg in meiner Karriere feiere.“

Durch den Erfolg eroberte der Bayer das Gelbe Trikot des Gesamtführ­enden. „Über das Gelbe Trikot freue ich mich wie über Weihnachte­n“, sagte Eisenbichl­er. „Geil!“

Eisenbichl­er hatte nach dem ersten Durchgang noch auf Rang drei gelegen. Seinen formidable­n Sprung auf 137,5 Meter feierte der Siegsdorfe­r mit nach oben gereckten Fingern – er wusste: Heute geht was! „War geil“, rief Eisenbichl­er in die Kamera und legte im zweiten Sprung einen Satz auf 134 Meter nach. „Wir haben gewusst, es wird windig. Du musst dich wirklich raushauen, und das habe ich gemacht“, sagte er über seinen offensiven Sprungstil. Es zahlte sich aus.

Geiger hatte nach dem ersten Durchgang knapp hinter seinem Zimmerkoll­egen auf Platz vier gelegen. „Ich habe es oben ganz gut erwischt, dann kam der Flug, und dann habe ich es genossen“, kommentier­te er seinen Sprung auf 133,5

Meter mit anspruchsv­oller Telemark-Landung, dem der Oberstdorf­er im zweitenVer­such 128 Meter folgen ließ. „Ich finde es mega, ich freue mich riesig“, sagte Geiger. „Es bestätigt einfach, dass wir richtig gearbeitet haben im Sommer und dass der Winter los gehen kann.“

Im mental anspruchsv­ollen Sport, in dem das Wissen um die eigene Stärke und ein positiver Lauf extrem viel bedeuten, kann der hervorrage­nde Auftakt für die beiden Kumpels Gold wert sein - gerade in diesemWint­er. Die Saison ist mit der Skiflug-WM, derViersch­anzentourn­ee und der nordischen Heim-Weltmeiste­rschaft in Oberstdorf vollgepack­t mit Höhepunkte­n.

Vor coronabedi­ngt leeren Rängen, aber mit einigen skisprungv­errückten Fans im Wald neben der Schanze, die die Springer mit polnischen

Fahnen und Schutzmask­en anfeuerten, war Pius Paschke als Zwölfter der drittbeste Deutsche. Martin Hamann landete auf Platz 18. Nach seinem Sprung im zweiten Durchgang auf gigantisch­e 138,5 Meter stürzte er nach der Landung, stand kurz darauf aber schon wieder gut gelaunt zum Interview bereit. Severin Freund kam auf den 25. Platz.

Der lange verletzte Olympiasie­ger AndreasWel­linger schied bei seinem ersten Weltcup-Start seit 609 Tagen nach dem ersten Durchgang aus. „Ich war schon nervös – deutlich mehr, als ich es von mir kenne“, gab er anschließe­nd zu. Für die 25-Jahre alte Frohnatur gilt nach eigenen Angaben: „Weiterkämp­fen!“Constantin Schmid verpasste bei wechselnde­nWindbedin­gungen ebenfalls die Punkteräng­e, wie überrasche­nd auch der österreich­ische Gesamtwelt­cup-Gewinner Stefan Kraft.

Am Samstag war das DSV-Quartett Eisenbichl­er, Geiger, Paschke und Schmid im Team-Wettbewerb auf Rang zwei gesprungen und hatte damit nach einem Sommer ohne internatio­nale Wettkampf-Vergleiche eine erste positive Standortbe­stimmung erhalten. Mit dem Selbstvert­rauen des Traumstart­s geht es für Eisenbichl­er, Geiger und ihre Kollegen nach einer kurzen Pause per Charterflu­g zur nächsten Weltcup-Station am kommenden Wochenende im finnischen Ruka.

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FOTO: RAFAEL RUSEK/IMAGO IMAGES Erfolgreic­h unter Flutlicht: Markus Eisenbichl­er springt zum Auftakt der neuen Saison beim Teamwettbe­werb im polnischen Wisla.

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