Wehrhahn-Anschlag kommt vor das höchste deutsche Gericht
Am Donnerstag verhandelt der Bundesgerichtshof in Karlsruhe nicht über die Tat vor 20 Jahren. Sondern über den Freispruch für den einzigen Verdächtigen.
FLINGERN / KARLSRUHE Die Strafsache 1 Ks 17/17 des Düsseldorfer Landgerichts wird am Donnerstagvormittag vom 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs überprüft. „Versuchter Mord“steht auf dem Sitzungsplan, und auch sonst macht der BGH kein großes Aufhebens um den Termin. Denn die Bundesrichter haben nicht darüber zu befinden, ob ein heute 55 Jahre alter selbsternannter Sicherheitsberater und Privatdetektiv am 27. Juli 2000 einen Sprengstoffanschlag auf ausländische Sprachschüler verübt hat. Sie haben lediglich festzustellen, ob der Freispruch des Düsseldorfer Landgericht rechtens war.
Die Staatsanwaltschaft, die den Freigesprochenen 17 Jahre nach einem der schwersten Verbrechen in der Düsseldorfer Nachkriegsgeschichte verhaften ließ. hat naturgemäß schwere Bedenken gegen die Entscheidung des Landgerichts.
Die Kammer habe ihre Beweise nicht ausreichend gewürdigt, rügten die Anklager, und auch kaum Anstrengungen unternommen, einen Zeugen aufzutreiben, der Verbindungen zum Angeklagten und zu Sprengstoff hatte, wie er beimWehrhahn-Anschlag verwendet wurde.
Der Sprengsatz war in einer Plastiktüte am Geländer des S-Bahnhos detoniert, just, als die Deutsch-Klasse der Sprachschule Wesseling dort vorbeiging. Zehn der überwiegend jüdischen Einwanderer aus den ehemaligen GUS-Staaten wurden teils schwer verletzt, eine Schwangere verlor ihr ungeborenes Baby. Und von einem Stromkasten gegenüber entfernte sich ein Mann, der dort gesessen hatte. Dass dieser Mann der Täter ist, gilt als erwiesen. Doch während die Staatsanwaltschaft aufgrund von Zeugenaussagen und einer jahrzehnte lang unbeachteten Phantomzeichnung davon überzeugt ist, dass es sich um den Angeklagten handelt, sah das Landgericht allenfalls eine Ähnlichkeit. Und weil der Angeklagte „unentwegt gelogen“habe, wie das Gericht im Urteil festhielt, wollte die Kammer auch den Äußerungen keinen Glauben schenken, die die Anklage für Geständnisse hält. Beispielsweise hatte der Angeklate einer Bekannten im Plauderton erklärt, man könne„eigentlich dauernd Schwangere abknallen“, solange die Mutter überlebe, sei das „nur Abtreibung – so gesehen war das, was ich am Wehrhahn gemacht habe, nur Abtreibung.“Weil der Angeklagte in dem von der Polizei mitgeschnittenen Gespräch ein „gemacht haben soll“nachschob, hielt das Gericht die Äußerung für Ironie. Dem einstigen Knastkollegen, bei dem sich der Angeklagte mit der Tat gebrüstet haben soll, wodurch die neuen Ermittlungen überhaupt in Gang gekommen waren, schenkte die Kammer schon gar keinen Glauben.
Die richterliche Freiheit ist im Rechtsstaat garantiert, Nur wenn die Anforderungen der Düsseldorfer Richter an die Beweiskraft völlig überzogen waren, könnte der BGH ihr Urteil wegen Rechtsfehlern aufheben. Entsprechend selten haben derartige Rügen Erfolg in Karlsruhe.
Die Verteidigung, die den Angeklagten als „Dummschwätzer und Dampfplauderer“ohne die Fähigkeit zum Bombenbau bezeichnete, will nach einer möglichen Bestätigung des Freispruchs für ihren Mandanten Haftentschädigung einfordern.