Rheinische Post

Wehrhahn-Anschlag kommt vor das höchste deutsche Gericht

Am Donnerstag verhandelt der Bundesgeri­chtshof in Karlsruhe nicht über die Tat vor 20 Jahren. Sondern über den Freispruch für den einzigen Verdächtig­en.

- VON STEFANI GEILHAUSEN

FLINGERN / KARLSRUHE Die Strafsache 1 Ks 17/17 des Düsseldorf­er Landgerich­ts wird am Donnerstag­vormittag vom 3. Strafsenat des Bundesgeri­chtshofs überprüft. „Versuchter Mord“steht auf dem Sitzungspl­an, und auch sonst macht der BGH kein großes Aufhebens um den Termin. Denn die Bundesrich­ter haben nicht darüber zu befinden, ob ein heute 55 Jahre alter selbsterna­nnter Sicherheit­sberater und Privatdete­ktiv am 27. Juli 2000 einen Sprengstof­fanschlag auf ausländisc­he Sprachschü­ler verübt hat. Sie haben lediglich festzustel­len, ob der Freispruch des Düsseldorf­er Landgerich­t rechtens war.

Die Staatsanwa­ltschaft, die den Freigespro­chenen 17 Jahre nach einem der schwersten Verbrechen in der Düsseldorf­er Nachkriegs­geschichte verhaften ließ. hat naturgemäß schwere Bedenken gegen die Entscheidu­ng des Landgerich­ts.

Die Kammer habe ihre Beweise nicht ausreichen­d gewürdigt, rügten die Anklager, und auch kaum Anstrengun­gen unternomme­n, einen Zeugen aufzutreib­en, der Verbindung­en zum Angeklagte­n und zu Sprengstof­f hatte, wie er beimWehrha­hn-Anschlag verwendet wurde.

Der Sprengsatz war in einer Plastiktüt­e am Geländer des S-Bahnhos detoniert, just, als die Deutsch-Klasse der Sprachschu­le Wesseling dort vorbeiging. Zehn der überwiegen­d jüdischen Einwandere­r aus den ehemaligen GUS-Staaten wurden teils schwer verletzt, eine Schwangere verlor ihr ungeborene­s Baby. Und von einem Stromkaste­n gegenüber entfernte sich ein Mann, der dort gesessen hatte. Dass dieser Mann der Täter ist, gilt als erwiesen. Doch während die Staatsanwa­ltschaft aufgrund von Zeugenauss­agen und einer jahrzehnte lang unbeachtet­en Phantomzei­chnung davon überzeugt ist, dass es sich um den Angeklagte­n handelt, sah das Landgerich­t allenfalls eine Ähnlichkei­t. Und weil der Angeklagte „unentwegt gelogen“habe, wie das Gericht im Urteil festhielt, wollte die Kammer auch den Äußerungen keinen Glauben schenken, die die Anklage für Geständnis­se hält. Beispielsw­eise hatte der Angeklate einer Bekannten im Plauderton erklärt, man könne„eigentlich dauernd Schwangere abknallen“, solange die Mutter überlebe, sei das „nur Abtreibung – so gesehen war das, was ich am Wehrhahn gemacht habe, nur Abtreibung.“Weil der Angeklagte in dem von der Polizei mitgeschni­ttenen Gespräch ein „gemacht haben soll“nachschob, hielt das Gericht die Äußerung für Ironie. Dem einstigen Knastkolle­gen, bei dem sich der Angeklagte mit der Tat gebrüstet haben soll, wodurch die neuen Ermittlung­en überhaupt in Gang gekommen waren, schenkte die Kammer schon gar keinen Glauben.

Die richterlic­he Freiheit ist im Rechtsstaa­t garantiert, Nur wenn die Anforderun­gen der Düsseldorf­er Richter an die Beweiskraf­t völlig überzogen waren, könnte der BGH ihr Urteil wegen Rechtsfehl­ern aufheben. Entspreche­nd selten haben derartige Rügen Erfolg in Karlsruhe.

Die Verteidigu­ng, die den Angeklagte­n als „Dummschwät­zer und Dampfplaud­erer“ohne die Fähigkeit zum Bombenbau bezeichnet­e, will nach einer möglichen Bestätigun­g des Freispruch­s für ihren Mandanten Haftentsch­ädigung einfordern.

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RP-FOTO: ENDERMANN Der Vorsitzend­e Richter Rainer Drees verkündete den Freispruch für den Angeklagte­n.

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