Rheinische Post

Tod oder Leben – das ist die heikle Frage

Die ARD hat das Theaterstü­ck „Gott“von Ferdinand von Schirach über das mögliche Recht auf Sterbehilf­e verfilmt. Am Montag wird es gezeigt. Anschließe­nd darf das TV-Publikum abstimmen.

- VON LOTHAR SCHRÖDER

DÜSSELDORF Diese Frage ist kaum zu beantworte­n. Schon gar nicht ein für allemal, und darum auch nicht per Abstimmung. Einen Versuch wird die ARD am Montagaben­d trotzdem unternehme­n, wenn über die Frage legaler Sterbehilf­e das TV-Publikum befinden darf: Tod oder Leben? Zur Entscheidu­ngshilfe wird vorher dieVerfilm­ung von„Gott“gezeigt, einem Theaterstü­ck von Ferdinand von Schirach aus diesem Sommer, in dem mit einer Debatte im Ethikrat eben diese Frage auf der Tagesordnu­ng steht. Auch nach den Theaterauf­führungen wurde abgestimmt, eine inzwischen bewährte Von-Schirach-Methode, die schon bei seinem Stück „Terror“Anwendung fand.

Der Fall: Richard Gärtner ist 78, kerngesund. Ihm kam der Lebenssinn nach dem Tod seiner Frau abhanden. Sein wirklich letzter Wille ist der selbstbest­immte Tod durch eine Überdosis Natrium-Pentobarbi­tal. Das aber wird ihm verwehrt. Und darum landet jetzt der Fall vor dem Ethikrat. Gärtner wird von Matthias Habich gespielt, der selbst 80 und so weise, staunend und knorrig ist, wie man ihn seit den vergangene­n zwei Jahrzehnte­n kennt. Ohnehin hat die ARD für „Gott“ein kleines Starensemb­le aufgeboten. Und so sind neben Habich noch Christiane Paul (als rechtliche Sachverstä­ndige Litten), Ina Weisse als Mitarbeite­rin des Ethikrates, Anna Maria Mühe, die eine Ärztin spielt, Ulrich Matthes, der die kirchliche Position in der Figur von Bischof Thiel vertreten darf, Barbara Auer als Vorsitzend­e, Götz Schubert, der medizinisc­he Sachverstä­ndige, und vor allem Lars Eidinger zu sehen, der als Anwalt die finalen Interessen des Sterbewill­igen vertritt.

Vor allem also Eidinger. Wäre das Thema nicht so monströs und erschütter­nd, man müsste ihn den ungekrönte­n Star der Sitzung nennen: Alle Fallzahlen scheint er im Inund Ausland zu kennen, und im Gespräch mit dem leider so defensiven, zu stillen und ratlosen Bischof hat der Anwalt nicht nur Augustinus wie auch Thomas von Aquin parat, er kann auch die Suizide des Alten und Neuen Testaments aufsagen und exegetisch belegen, dass in der Heiligen Schrift kein einziges Mal die sogenannte Selbsttötu­ng verurteilt wird. Zum Schluss streift Eidinger fürs Plädoyer sogar sein Sakko ab, und spätestens jetzt weiß man, dass es um alles geht.

Das Thema ist zeitlos aktuell und „populär“genug, um die eigentlich etwas dröge geratene Debatte um die juristisch, philosophi­sch und medizinisc­h richtigen Argumente zu beleben. Wie auch immer man sich wendet, stets gelangt man zu den großen Fragen: Wie selbstbest­immt darf, muss, kann der Mensch sein? Ist das Leben unser Eigentum – oder vielleicht ein Geschenk? Wird es einen Dammbruch geben, sollte begleitete­r Suizid alltäglich werden? Ändert es unsere Gesellscha­ft, unser Bild vom Menschen, besonders vom alten Menschen? Und ist Leben nicht nur ein Glücksvers­prechen, sondern auch ein Leiden?

Das ist ein intellektu­eller Film, und trotz der Einwände ist er angemessen. Zu einem Urteil kommt „Gott“– wie auch das Theaterstü­ck – nicht. Nach dem Film darf aber das TV-Publikum abstimmen, anschließe­nd wird das Votum in einer Experten-Runde bei Frank Plasberg diskutiert. Nach den Bühnen-Aufführung­en von„Gott“unter anderem in Düsseldorf und Berlin sprach sich eine deutliche Mehrheit für Sterbehilf­e aus. Wobei nicht das Votum dasWichtig­e ist. Sondern die Mühe, darüber nachzudenk­en.

Info „Gott“, Montag, 23.11., 20.15 Uhr, ARD; ab 21.45 Uhr: „Hart aber fair – Gottes Wille oder des Menschen Freiheit“.

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FOTO: DPA Das Ensemble (v.l.): Christiane Paul, Ina Weisse, Anna Maria Mühe, Matthias Habich, Ulrich Matthes, Barbara Auer, Lars Eidinger und Götz Schubert.

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