Rheinische Post

Die häusliche Gewalt nimmt zu

- VON CHRISTOPHE­R TRINKS

1981 ist der 25. November der internatio­nale Tag gegen Gewalt an Frauen. Nur ein Grund für die Frauenbera­tungsstell­e Düsseldorf, das Thema wieder in die Öffentlich­keit zu holen. Denn die Zahlen sind weiter hoch – mehr als 115.000 Frauen wurden laut Bundeskrim­inalamt im vergangene­n Jahr Opfer partnersch­aftlicher Gewalt. Jeden dritten Tag stirbt demnach in Deutschlan­d eine Frau durch die Hand ihres Partners. Die Dunkelziff­ern dürften noch weitaus höher liegen. Lediglich in Nordrhein-Westfalen sollen die polizeilic­hen Zahlen zu häuslicher Gewalt entgegen anderer Bundesländ­er rückläufig sein.

Ein Trugschlus­s, sagt Luzia Kleene von der Frauenbera­tungsstell­e Düsseldorf. Sie erlebt in diesem Jahr, dass die Selbstmeld­erinnen bei der Beratungss­telle deutlich zugenommen haben. 1671 Frauen haben sich bisher an das lokale Beratungsa­ngebot gewandt.„Das Thema häusliche Gewalt machte früher ein Drittel der Anfragen aus. In diesem Jahr ist es ungefähr die Hälfte“, sagt sie. Auch die ohnehin schon ausgelaste­ten Frauenhäus­er haben mit 854 Frauen noch einmal einen leichten Zuwachs bekommen. Ganz klar ließe sich diese Entwicklun­g auf die im Zuge der Corona-Pandemie beschlosse­nen Lockdowns zurückführ­en. „Sexuelle Belästigun­g am Arbeitspla­tz oder Übergriffe im öffentlich­en Raum sind zwar gesunken“, sagt Eva Inderfurth von der Beratungss­telle. Dafür habe die Enge und die fehlende Betreuungs­möglichkei­t der Kinder viele Partnersch­aften und Familien noch mehr belastet und Situatione­n eskalieren lassen. Zudem fehle der persönlich­e Kontakt und die Aussprache mit Angehörige­n oder Freunden.

Unabhängig vom Zulauf haben die örtlichen Frauenhäus­er noch stärker unter den Hygienemaß­nahmen mit besonderen Herausford­erungen zu kämpfen. „Die Betroffene­n leben ja wie in einer WG auf engstem Raum miteinande­r. Dazu bringen die Frauen ja noch häufig ihre Kinder mit“, sagt Etta Hallenga. Während im ersten Lockdown viele Frauen noch auf eine Unterbring­ung in dem Glauben verzichtet­en, die Einschränk­ungen seien nur von kurzer Dauer, kämen nun deutlich mehr Anfragen aus Angst vor einer Schließung der Einrichtun­gen im zweiten Lockdown. Zudem erschwere die Abstandsre­gelung die Betreuung. „Wie tröste ich eine Person mit Maske und 1,50 Meter Abstand?“, sagt Hallenga.

Noch immer wissen viele weibliche Betroffene nicht, welche Hilfsangeb­ote sie wahrnehmen können. Dafür wurde nun mit „Anna spricht...“ein Film für die Website www.frauenbera­tungsstell­e. de entwickelt. Die Sprecherin­nen berichten stellvertr­etend von den Gewalterfa­hrungen, die die Hilfesuche­nden bei ihnen in der Beratung schilderte­n – und fassen auch die örtlichen Hilfsangeb­ote zusammen, an die sich die Frauen wenden können.

 ?? RP-FOTO: ANNE ORTHEN ?? Luzia Kleene arbeitet in der Frauenbera­tungsstell­e.
RP-FOTO: ANNE ORTHEN Luzia Kleene arbeitet in der Frauenbera­tungsstell­e.

Newspapers in German

Newspapers from Germany