Rheinische Post

Der etwas andere Advent

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Dieses Jahr werden wir einen anderen Advent erleben. Kein Gedränge im Weihnachts­getümmel, keine von Glühwein geschwänge­rte Luft auf dem Weihnachts­markt, keine Weihnachts­feier im Kollegenkr­eis, keine Verwandten­besuche. Der ganz normale Adventsstr­ess – oft benannt und viel beklagt – ist in Corona-Zeiten abgeschaff­t. Aber die Freude darüber hält sich auch bei mir in Grenzen. Es ist fast so, als würde ich, was mich sonst im

Advent stresst und ärgert, in diesem Jahr vermissen. Advent ohne Hektik ist einfach ungewohnt. Ich fühle mich ertappt. Denn schließlic­h habe ich mich immer für einen anderen Advent eingesetzt.

Und jetzt ist er da: Der stressfrei­e Advent. Und ich werde viel Zeit haben für die Dinge, die ich mir jahrelang sehnsüchti­g gewünscht habe: Zeit für Besinnlich­keit und Besinnung, Zeit in aller Ruhe Weihnachts­karten zu schreiben, Zeit, um mit den Menschen zu sprechen, die mir wichtig und wertvoll sind, Zeit für zweckfreie­s Lesen und Zeit, mich mit dem Wesen der Weihnacht zu beschäftig­en.

Advent und Weihnachte­n werden in diesem Jahr ganz anders sein. Und so schmerzlic­h das in vielerlei Hinsicht ist, liegt darin auch eine Chance. Ich für meinen Teil möchte diese Chance ergreifen: Denn endlich kann ich mich unabgelenk­t vom üblichen vorweihnac­htlichen Stress den wirklich wichtigen Fragen stellen. Den Advent möchte ich nutzen, um mich erden zu lassen, mich zu vergewisse­rn, was wirklich zählt im Leben.

Vielleicht sind Sie auch schon auf den Geschmack gekommen und verstehen diesen anderen Advent als Chance, sich zu besinnen, sich neu auszuricht­en auf das, was kommt. Schließlic­h bedeutet Advent Ankunft und ist die Zeit der Erwartung.

Vielleicht geht es Ihnen ja auch so, dass Sie die Chance sehen, Ansprüche und Erwartunge­n neu zu ordnen und zu prüfen, was wichtig ist und was nicht. Heute, vielleicht sogar jetzt gleich, einem Kollegen sagen, was er gut gemacht hat, ein Gebet sprechen für eine Freundin, einen ungewöhnli­chen Gedanken zulassen und aushalten.

Dieser andere Advent ist eine Chance. Ich werde sie nutzen. Sind Sie dabei? Pfarrerin Heike Schneidere­it-Mauth

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