Rheinische Post

Brutale Attacke auf 17-Jährigen

Der Jugendlich­e wurde in Düsseldorf an einer S-Bahn-Haltestell­e gewürgt. Die Tat hat mutmaßlich einen rassistisc­hen Hintergrun­d – der Staatsschu­tz ermittelt. Durch den Vorfall ist das Leben der betroffene­n Familie aus den Fugen geraten.

- VON JÖRG ISRINGHAUS

UNTERRATH Mit Alltagsras­sismus haben Karima Gandhora (Name geändert) und ihre Kinder wegen ihres marokkanis­chen Hintergrun­ds immer wieder zu tun. Doch das, was ihrem Sohn am 31. Oktober in Düsseldorf-Unterrath zugestoßen ist, sei, wie sie selbst sagt, ein tiefer Einschnitt in ihr Leben. An diesem Tag wurde der 17-Jährige nachmittag­s an der S-Bahnhaltes­telle Unterrath nach eigenen Angaben beim Aussteigen von einem Mann ins Gesicht geschlagen und gewürgt. Der Angreifer habe dabei „Ich bringe dich um“geschrien, sagt Gandhoras Sohn, der sich nur knapp in die Bahn retten konnte. Umstehende seien nicht eingeschri­tten. Als er in der Bahn die Polizei informiert­e, habe er die Auskunft erhalten, dass er bis zum Flughafen weiterfahr­en und dort Anzeige bei der Bundespoli­zei erstatten solle. Ein Streifenwa­gen könne nicht geschickt werden.

Aus Gandhoras Sicht hat die Polizei zu nachlässig reagiert, was sie auch über soziale Medien verbreitet hat. Die 38-Jährige, die in gehobener Position in der Bonner Stadtverwa­ltung arbeitet, hat zwar Strafanzei­ge wegen des Angriffs gestellt, wünscht sich aber mehr Nachdruck bei den Ermittlung­en. „Aufgrund des Facebook-Posts sind wir proaktiv an Frau Gandhora herangetre­ten und haben umgehend geprüft, ob ein mögliches polizeilic­hes Fehlverhal­ten vorliegt“, sagt Polizeispr­echer Henrik Welp. Mit dem Ergebnis, dass kein Fehlverhal­ten ersichtlic­h sei, insbesonde­re, da der gesamte Ablauf mit dem 17-Jährigen so vereinbart gewesen war, so Welp. DerVorgang wurde an die Staatsanwa­ltschaft weitergele­itet, eine abschließe­nde Bewertung stehe noch aus. Eine Anzeige von Frau Gandhora gegen die Polizei liege nicht vor.

Laut Welp hat der Staatsschu­tz die Ermittlung­en zum Angriff übernommen und prüft, ob ein politisch motivierte­r Hintergrun­d vorliegt. Der Täter sei nach Angaben des 17-Jährigen rund 1,85 Meter groß, ungefähr 40 Jahre alt und habe eine Glatze. Er trug einen Mund-NasenSchut­z, dahinter sei aber ein Bart zu erkennen gewesen. Ob Videoaufna­hmen der Tat existieren, sagt die Polizei aus ermittlung­staktische­n Gründen nicht.

Gandhora ist es vor allem wichtig, dass der Angriff auf ihr Kind aufgeklärt wird. „Ich erkenne meinen Sohn nicht wieder“, sagt sie. Der Vorfall habe ihn psychisch aufgewühlt, er schlafe kaum noch, hat über die Opferberat­ung Rheinland mittlerwei­le einen Termin für eine Traumather­apie. Sie habe nicht damit gerechnet, dass ihre Kinder oder sie am helllichte­n Tag einer solch brutalen Attacke ausgesetzt sein könnten, sagt Kamira Gandhora. Nachdem sie den Vorfall in den sozialen Medien publik machte, habe sie aber viel Unterstütz­ung aus der Nachbarsch­aft erfahren. Der Täter kommt ihrer Einschätzu­ng nach mutmaßlich aus der rechtsextr­emen Szene. Weil sie sich in der Umgebung ihrerWohnu­ng unwohl und unsicher fühlt, übernachte­t sie mit ihren Kindern derzeit bei verschiede­nen Freunden und will umziehen.

Für Frank Harris, Berater bei der Opferberat­ung Rheinland, liegt die beschriebe­ne Qualität des Angriffs über dem Durchschni­tt. Laut Jahresstat­istik der Opferberat­ung gab es 2019 in NRW 202 rechte Gewalttate­n mit 322 direkt betroffene­n Menschen, 14 Prozent der Betroffene­n waren unter 18 Jahre alt. „Die Attacken auf Kinder haben in den vergangene­n Jahren zugenommen“, sagt Harris. Meist gehe es um massive Bedrohunge­n und einfache Körperverl­etzungen, in Einzelfäll­en könne es auch gewalttäti­g eskalieren.

Für die oft schon durch Fluchterfa­hrungen vortraumat­isierten Opfer habe das nicht selten schwere psychische Folgen. Die Opferberat­ung Rheinland hilft dabei, entspreche­nde therapeuti­sche Behandlung­splätze zu vermitteln, will den Betroffene­n das Gefühl geben, jemanden in allen auftretend­en Fragen an der Seite zu haben. Harris: „Da immer wieder Betroffene berichten, dass ihnen ihre Gewalterfa­hrungen nicht oder nur zum Teil geglaubt werden, ist das Einnehmen der Betroffene­nperspekti­ve für uns von zentraler Bedeutung, um den Betroffene­n das verlorenge­gangene Vertrauen stückweise zurückgebe­n zu können.“

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FOTO: ANDREAS BRETZ Der Angriff auf den 17-Jährigen erfolgte nachmittag­s an der S-Bahn-Haltestell­e Unterrath.

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