China bricht mit dem Westen
Beim Nationalen Volkskongress wurde Hongkong ein „patriotisches“Wahlsystem verordnet.
PEKING Die Entscheidung fiel, wie zu erwarten, mehr als eindeutig aus: Am letzten Tag des Nationalen Volkskongresses haben Pekings Abgeordnete über die angekündigte „Wahlreform“für Hongkong abgestimmt. 2895 Kader votierten für die Resolution mit dem Namen„Patrioten regieren Hongkong“, Gegenstimmen gab es keine. Nur eine einzige Enthaltung hielt den minimalen Schein einer demokratischen Abstimmung aufrecht.
Das neue Gesetz wird die politische Pluralität in der früheren britischen Kronkolonie weiter deutlich einengen. Denn künftig wird ein„Überprüfungsausschuss“Kandidaten sowohl für das Hongkonger Parlament als auch für das Komitee, welches denVerwaltungschef wählt, auf ihre Tauglichkeit prüfen. Zugelassen wird demnach nur, wer laut Pekings Definition „patriotisch“ist – also der Linie der Kommunistischen Partei folgt.
Die internationale Staatengemeinschaft, darunter auch die Europäische Union, wertet die Reform weitestgehend als Bruch internationalerVerträge. Denn bei der Übergabe Hongkongs von Großbritannien an China wurde der Finanzmetropole „weitgehende Autonomie“bis 2049 zugesagt. Diese wurde jedoch bereits im Sommer 2020 mit Pekings aufgezwungenen „nationalem Sicherheitsgesetz“zunichte gemacht. Unter jenem Gesetz haben seither die Behörden dutzende Politiker des pro-demokratischen Lagers sowie etliche Aktivisten der Protestbewegung verhaftet. Chinas Antwort auf die Hongkong-Frage besteht vor allem aus politischer Repression.
Im Zuge des einwöchigen Volkskongresses möchte Pekings Staatsführung den Eindruck nationaler Stärke und Einigkeit vermitteln. Dies wird auch am neuen Fünf-Jahres-Plan deutlich, der verabschiedet wurde. Im Grundsatz geht es darum, den wirtschaftlichen Aufstieg der Volksrepublik krisensicher gegen Sanktionen und geopolitische Konflikte zu machen. In bestimmten Kerntechnologien, darunter etwa Halbleiter, möchte Peking künftig autark werden und nicht weiter von Importen aus dem Westen abhängig sein. Das Wachstum soll zudem vor allem aus dem Binnenkonsum generiert werden, Investitionen aus dem Ausland nur mehr eine geringere Rolle spielen.
China gilt als praktisch einzige große Volkswirtschaft, die im Krisenjahr 2020 gewachsen ist. Denn bereits seit Monaten ist die Pandemie innerhalb der Landesgrenzen unter Kontrolle. Doch der epidemiologische Erfolg wird mit verstärkter Isolation bezahlt: Politisch hat die Staatsführung aufgrund der Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang und der Intransparenz bei der Ursprungssuche des Coronavirus deutlich an Sympathie verloren – innerhalb der Staatengemeinschaft und bei derWeltbevölkerung. Gleichzeitig schottet sich China immer mehr vom Rest derWelt ab – politisch, wirtschaftlich, kulturell.
Militärisch hingegen rüstet China weiter hoch. Die Steigerung des Verteidigungsetats um 6,8 Prozent ist durchaus signifikant, wenn auch die Volksrepublik in absoluten Ausgaben nach wie vor deutlich hinter den Vereinigten Staaten an zweiter Stelle bleibt. Dennoch sind die zunehmenden Konflikte Chinas mit den Nachbarländern besorgniserregend: der Grenzkonflikt mit Indien, die zunehmenden Spannungen mit Taiwan oder die schleichende Annexion im Südchinesischen Meer.
Wenn sich US-Präsident Joe Biden am Freitag mit den Staatschefs aus Japan, Indien und Australien austauscht, ist dies zweifelsohne als Antwort auf Chinas wirtschaftlichen und militärischen Aufstieg zu verstehen. Der online abgehaltene Indopazifik-Gipfel soll vor allem eine mahnende Botschaft an Peking senden. Doch diese wird dort nicht nur auf taube Ohren stoßen, sondern vor allem als Bekräftigung der eigenen Strategie aufgefasst werden.