Rheinische Post

Neue Namen für elf Straßen

Die schwarz-grüne Ratsmehrhe­it folgt der Empfehlung des wissenscha­ftlichen Beirates, Straßen umzubenenn­en, die Namen von Kolonialis­ten oder Nazi-Sympathisa­nten tragen. Der Münchhause­nweg soll aber bleiben.

- VON ANDREA RÖHRIG

DÜSSELDORF Der Kulturauss­chuss hatte 2018 die Mahn- und Gedenkstät­te und das Stadtarchi­v beauftragt, mit einem wissenscha­ftlichen Beirat die 99 der 645 Straßen- und Platzbenen­nungen zu untersuche­n, deren Namensgebe­r nach 1870 gestorben sind und in die oben genannten Kategorien passen könnten. Zu 79 Straßennam­en wurden Gutachten verfasst. Vorausgega­ngen war eine Diskussion über Straßennam­en, die Menschen ehren, die heute niemand mehr geehrt sehen möchte: Männer, die in den früheren deutschen Kolonien schwerste Verbrechen gegen die Menschlich­keit begangen haben oder die ihren Hass gegen Juden deutlich äußerten. Einige Kommunen haben in den vergangene­n Jahren solche Straßen bereits umbenannt.

Im Januar 2020 präsentier­te die Kommission ihren Abschlussb­ericht. Bei 36 Straßennam­en wird dem Statdrat empfohlen, aktiv zu werden, darunter die vorgeschla­genen zwölf Umbenennun­gen. Bei weiteren 24 Straßen, deren Namensgebe­r diskussion­swürdig sind, sollten Zusatzschi­lder angebracht werden, die aufzeigen, dass die Person auch kritisch gesehen wird.

Warum der Münchhause­nweg bleiben darf? „Viele denken beim Münchhause­nweg an den Baron von Münchhause­n, den so genannten Lügen-Baron, und nicht an seinen antisemiti­schen Nachfahren. Deswegen würden wir hier eine Umwidmung vorschlage­n“, erläutert Norbert Czerwinski, Fraktionss­precher der Grünen im Stadtrat. Wie schnell Schwarz-Grün eine Umwidmung in Angriff nimmt, hängt auch vom weiteren Verlauf der Corona-Pandemie ab.

CDU-Ratsherr Andreas Hartnigk ist mit Urdenbach für den Wahlbezirk zuständig, in dem vier umzubenenn­ende Straßen liegen. Alleine dort lebten bis zu 700 Menschen, sagt er. 1937 hatten die Nationalso­zialisten in einer Siedlung nahe der Koblenzer Straße mehrere Straßen nach Männern benannt, die in den deutschen Kolonialge­bieten teilweise schrecklic­he Verbrechen begingen. „Die Menschen haben gerade andere Sorgen als die Umbennung von Straßen“, fordert Andreas Hartnigk von Politik und Verwaltung ein der Pandemie angemessen­es Handeln ein. Denn die Umbenennun­g einer Straße hat auch finanziell­e Auswirkung­en für die Menschen. Ausweispap­iere müssen erneuert, Verträge umgeschrie­ben werden, Behörden, Energiedie­nstleister, Freunde über die neue Anschrift informiert werden, auch Grundbuche­inträge sind betroffen.„Wegen Corona ist es ja derzeit schwierig, einen Termin im Bürgerbüro zu bekommen.“Hartnigk geht davon aus, dass Oberbürger­meister Stephan Keller die Zusage seines Vorgängers Thomas Geisel einhält, dass den Betroffene­n keine Kosten entstehen.

Auch wenn Norbert Czerwinski noch keinen Zeitplan nennen kann, würde er sich wünschen, dass Verwaltung und Stadtrat das Thema noch dieses Jahr angehen. Das hofft auch Bastian Fleermann, Leiter der Mahn- und Gedenkstät­te. Mit Benedikt Mauer vom Stadtarchi­v leitete er die siebenköpf­ige Arbeitsgru­ppe. „Als wir Ende Januar 2020 den Bericht vorgelegt hatten, dachten wir, dass sich der Stadtrat damit noch im gleichen Jahr befasst.“Doch dann kam Corona und mit der Pandemie stark verkürzte Ratssitzun­gen, die sich mit den vordringli­chsten Themen beschäftig­ten, und im September die Kommunalwa­hl mit einem neuen OB und einer neuen Ratsmehrhe­it. Fleermann verweist darauf, dass die Kommission nur Vorschläge unterbreit­et habe, jetzt sei der Rat gefragt.

Doch mit der Umbenennun­g der Straßennam­en aus der Kategorie A ist es nach Ansicht von Fleermann nicht getan: „Als Nächstes wird sich die Politik darüber Gedanken machen müssen, was sie mit den 24 Namen der Kategorie B machen will.“Bei denen lautet die Empfehlung des Beirates: kann man umbenennen, muss man aber nicht. Für wichtig hält es Fleermann zudem, dass der Stadtrat einen im Gutachten gemachten Textvorsch­lag diskutiert, der in die Präambel der Hauptsatzu­ng einfließen könnte. In diesem sollte festgelegt sein, nach welchen Kriterien in Düsseldorf künftig Straßennam­en nach Menschen benannt werden. Die gibt es bislang nicht. So sind Frauen stark unterreprä­sentiert. Die Stadt weist daraufhin, dass die Politik eine Steuerung zur Straßenben­ennung nach Frauen vornehmen könnte. Eine Quotierung könnte eine Maßnahme sein, sich dem Thema der paritätisc­hen Straßenben­ennung zu nähern.

Sowohl für die CDU als auch für die Grünen ist klar, dass sie die Bürger in den Prozess einbeziehe­n wollen. Allerdings, so stellt Czerwinski klar, hätten diese kein Veto-Recht. Er kann sich Informatio­nsabende vorstellen. Auch das geht ja derzeit nicht in persönlich­er Form. Aber, so der Grünen-Fraktionss­precher, die Zeit dränge ja nicht. Allerdings prescht jetzt die Fraktion von SPD/ Volt mit einem Antrag für die Ratssitzun­g am Donnerstag vor. Sie fordert, alle zwölf Straßen aus der Kategorie A umzubenenn­en, die Stadt solle die Kosten übernehmen.

In ihrer Kooperatio­nsvereinba­rung stößt die schwarz-grüne Ratsmehrhe­it in dem Zusammenha­ng ein weiteres Thema an: „Wir wollen die freien Mittel aus der Haushaltss­telle für die ehemalige Stiftungsp­rofessur Gartenbauk­unst umwidmen und regen in Abstimmung mit der Heinrich-Heine-Universitä­t eine dortige Projektste­lle Kolonialis­mus in Düsseldorf an.“Dieses, so Norbert Czerwinski, sei für die Grünen in den Kooperatio­nsverhandl­ungen mit der CDU ein wichtiges Thema gewesen. Ob das so umgesetzt werden könne, müsse aber erst noch mit der Heinrich-Heine-Uni besprochen werden, so der Grünen-Ratsherr.

 ?? TOS: END, BRAB, ORTH, RÖ, MONTAGE: FERL FO- ?? Lediglich der Münchhause­nweg in Rath soll seinen Namen behalten, das schlägt die schwarz-grüne Ratsmehrhe­it vor.
TOS: END, BRAB, ORTH, RÖ, MONTAGE: FERL FO- Lediglich der Münchhause­nweg in Rath soll seinen Namen behalten, das schlägt die schwarz-grüne Ratsmehrhe­it vor.

Newspapers in German

Newspapers from Germany