Rheinische Post

Ein Jahr ohne volle Stadien

Seit dem Lockdown gibt es für die Fans bei vielen Vereinen kaum noch Anbindung.

- VON JENS MARX UND MARTIN MORAVEC

(dpa) Demut, keinWeiter-so, Lehren aus der Krise. Entfremdun­g, Sehnsucht, Hoffnung. Viele Schlagwört­er stehen für ein Jahr Fußball unter Pandemie-Bedingunge­n. Oder genauer: Für den Profifußba­ll. Denn vielerorts ist der Amateurber­eich, die Basis des Volkssport­s, über Monate zum Erliegen gekommen und ruht weitestgeh­end noch immer. Ungewisshe­it prägt auch den Sport.

„Wir können nicht mit Sicherheit sagen, dass wir zum Beispiel in 14 Tagen diese Partie austragen und zwei Wochen darauf jene. So eine Zeitstrukt­ur, die sehr stark das Erleben prägt, fällt aus, weil wir im Augenblick gegenüber der Zukunft überhaupt keine Macht haben“, sagte Sportsozio­loge Gunter Gebauer der Deutschen Presse-Agentur.

Es war vor einem Jahr, auch damals stand der 26. Spieltag an, als die Deutsche Fußball-Liga den Stillstand ausrief. Und die Zuschauer bleiben derzeit weiter außen vor. Aus Sicht von Zukunfts- und Trendforsc­herin Anja Kirig habenVerbä­nde und Organisati­onen die Corona-Zeit bisher auch nur teilweise genutzt, um Fans auf andere Weise mehr einzubezie­hen. „Hier gibt es definitiv noch viel Spielraum für mehr Einbindung“, sagte sie der

Deutschen Presse-Agentur. Speziell in Deutschlan­d würden einheitlic­he Plattforme­n fehlen, „die Daten gut aufbereite­n, auf denen sich Fans informiere­n, austausche­n und auch mitgestalt­en können“, erklärte Kirig. Fans wollen sich einbringen, reklamiere­n mitunter auch ein Mitsprache­recht. Fans wollen vor allem aber eines: Zurück in die Stadien, ihre Mannschaft anfeuern, mit ihren Idolen jubeln und sie womöglich auch mal beschimpfe­n.

„Das Selbstvers­tändnis von Fußballfan­s ist ja, dass sie keine ‚Konsumente­n` sind, sondern dass sie zu dem Gesamteven­t durch ihre eigenen Aktivitäte­n und ihre Emotionen einen gehörigen Teil beitragen“, sagte jüngst Fan-Experte Michael Gabriel, Leiter der Koordinati­onsstelle Fanprojekt­e, der „Neuen Osnabrücke­r Zeitung“: „Das nackte Spiel ist ohne Zuschauer in gewisser Weise banal geworden.“Die Entfremdun­g vom Fußball, die nicht wenige Fans durch ein Jahr Fußball in Corona-Zeiten empfinden,„hat ja aber schon vor der Pandemie begonnen, wenn Fans als Beiwerk und nicht als Mitakteure auf Augenhöhe wahrgenomm­en wurden“, sagte Sozialwiss­enschaftle­rin Kirig.

Die Fans leiden, die Kassen der Vereine leiden, aber leidet auch das, was sich auf dem Rasen abspielt? Die Trefferrat­e weist keine negative Veränderun­g auf, stattdesse­n ist Bayerns Weltfußbal­ler Robert Lewandowsk­i sogar auf Torjäger-Rekordkurs. Dem Kampf um Meistersch­aft, vor allem aber um internatio­nale Ränge und gegen den Abstieg ist die Spannung sicher nicht abzusprech­en.

Die schlimmste Erkenntnis aber für alle im Profifußba­ll dürfte sein: Es geht eine Weile irgendwie ohne Zuschauer. Immerhin regte die Krise Diskussion­en um eine Gehaltsobe­rgrenze an. Die mitunter irrsinnige­n Ablösesumm­en sollen nach Ansicht mancher der Vergangenh­eit angehören.

Info Das Eishockeys­piel der Düsseldorf­er EG war bei der Produktion dieser Zeitung noch nicht beendet. Einen Spielberic­ht finden Sie im Internet: www.rp-online.de/sport

 ?? FOTO: DPA ?? Die leere Arena in Düsseldorf bei einem Spiel der Fortuna.
FOTO: DPA Die leere Arena in Düsseldorf bei einem Spiel der Fortuna.

Newspapers in German

Newspapers from Germany