F95-KOLUMNE Demut steht dem Verein gut
er den Satz „Wir müs
demütig bleiben“aus einem Brevier oder als Kernaussage eines Kirchenfürsten zitiert, überrascht damit nicht. Wenn ich aber den Vorsitzenden des Fortuna-Aufsichtsrates, Björn Borgerding mit diesem Bekenntnis zitiere, dann macht das zumindest aufmerksam. Demut im Fußball: Das ist als tagesunabhängiger frommer Spruch abseits der Kirchenbank oft gut gemeint oder sogar beschworen, allerdings in der Praxis so gut wie nie umgesetzt.
Vermutlich wird gegenwärtig kaum jemand dem 39 Jahre alten Sportökonomen Borgerding widersprechen wollen. Es ist aktuell bemerkenswert ruhig um den Verein, der schon ganz andere Zeiten erlebt hat. Jeder Sieg, auch ein Unentschieden, erstickt Feuer. Man darf die Ruhe aber nicht mit Schlaf verwechseln. Tatsächlich scheint es so, als hätten sich Vorstand und Aufsichtsrat gefunden. Erkennbar ist das Bemühen, die Ressorts zu respektieren. Klaus Allofs, als Stratege geholt, kann in Ruhe arbeiten. Aus dem Aufsichtsrat kommt Anerkennung für den Vorstand. Beide flippen auch nicht aus, wenn es in den Medien mal rumpelt.
Demut hat im Nachdenken, Besinnung und Strategiefindung Verwandte. In hektischen Zeiten ist meist kein Raum für Langzeit-Überlegungen. Etwa für die Frage, wie man denn reagieren soll, wenn vielleicht morgen ein russischer Mogul mit viel Geld anklopft. Das Thema ist schon durch. Der Aufsichtsrat ist im „Nein“geeint. Man will auf dem Teppich bleiben. Und fühlt sich bestärkt, weil selbst in Pandemie-Zeiten die Sponsoren-Achse erhalten geblieben ist.
Zeit ist jetzt auch für grundsätzliche Fragen zu dem „danach“. Wie verhalten sich die Fans, wenn sie wieder ins Stadion dürfen? Kommen sie gleich alle oder doch eher „portionsweise“? Kommen eher die jungen Fans, weil die älteren vielleicht Angst vor Ansteckung haben? Oder sind die Jungen längst zu Streaming-Angeboten im Netz abgewandert? Manche von uns werden sich an die amerikanische Football-Show Rhein Fires vor 15 Jahren erinnern. Über 30.000 Menschen fühlten sich angezogen von einem spektakulären Drumherum. Mag gut sein, dass 90 Minuten Nur-Fußball als Attraktion nicht mehr reichen, um die Jungen ins Stadion zu locken. Nicht nur die Fortuna bekümmert, dass die Mitgliedschaft zunehmend altert. Nationale und international vernetzte Beraterfirmen arbeiten bereits an Vorschlägen. Fußball als Event, warum nicht? Aber bitte ohne Klamauk! (pabie) Diese Entwicklung haben Fortunas Verantwortliche Maduka Okoye wohl nicht zugetraut. Vor der laufenden Saison ließen die Düsseldorfer den Torwart ablösefrei zu Sparta Rotterdam in die niederländische Eredivisie ziehen. In Holland legte der 21-Jährige so richtig los. Nationaltrainer Frank de Boer bezeichnete Okoye nach einem Spiel gegen Eindhoven als einen der „besten Keeper der Eredivisie“.
Logisch, dass mittlerweile die ganz großen Vereine an seinen Diensten interessiert sind. So hat Ajax Amsterdam schon die Fühler nach dem Deutsch-Nigerianer ausgestreckt. Das bestätigte der Torwart dem Online-Portal „transfermarkt. de“. „Das ging in dem Moment alles etwas schnell. Aber da ist schon was dran, in dem Sinne, dass aktuell vieleVereine auf mich und mein Management zukommen“, sagt Okoye. Ajax-Chef Edwin van der Sar selbst, immerhin eine der größten Torwart-Ikonen der jüngeren Vergangenheit, soll sich dem Vernehmen nach bei Rotterdams Sportdirektor Henk van Stee gemeldet haben.
Für Okoye ist das ein Ritterschlag. Zumal er in Düsseldorf nie die Anerkennung erfuhr, die er nun in den Niederlanden erhält.Wenn er weiter solche Leistungen abruft, wird er für seinen jetzigen Klub nur schwerlich zu halten sein. Zumal es weitere Interessenten gibt. „Es gibt auch zwei namhafteVereine aus England sowie je einen tollen Klub aus Italien und Belgien, die schon mit meinem Management im Gespräch sind.“
Beweisen muss Norbert Meier niemandem mehr etwas. Als Trainer hat der gebürtige Reinbeker Fortuna Düsseldorf aus der Dritten Liga bis in die Bundesliga geführt, zuvor als Profi 372 Pflichtspiele für Werder Bremen und noch einmal 53 für Borussia Mönchengladbach absolviert, zudem 17 Mal das Trikot der deutschen Nationalmannschaft getragen. Nachdem im Sommer 2019 sein Vertrag beim KFC Uerdingen ausgelaufen war, hatte Meier dann verkündet, nicht mehr als Trainer arbeiten zu wollen.
„Und selbst wenn man niemals im Leben nie sagen sollte: Wenn ich einmal so etwas sage, dann wird es im Normalfall auch so bleiben“, betont der heute 62-Jährige. Aber so ganz vom Fußball lassen – das kann und will er nun doch nicht. So hat er nun seine dritte Karriere im Fußball gestartet: als Spielerberater. In einer Branche also, die nicht immer den allerbesten Ruf genießt.
„Der Vorteil unserer jungen Agentur, die erst im Dezember 2019 gegründet wurde, ist, dass wir nicht gezwungen sind, über irgendwelche Brandherde Spieler zu verpflichten“, sagt Meier im Gespräch mit unserer Redaktion. „Es geht uns um das wichtige Thema Nachhaltigkeit. Das heißt: Natürlich wollen wir irgendwann auch mal Geld verdienen, aber nicht um jeden Preis. Es kommt im Fußball sehr häufig vor, dass es für Spieler, die in der U16 oder U17 äußerst vielversprechend waren, in der U19 einfach nicht mehr weitergeht.
WeilVerletzungen oder andere Dinge dazwischenkommen. Solche Spieler wollen wir nicht fallenlassen, sondern versuchen, ihnen beruflich weiterzuhelfen. Da sind wir gut vernetzt.“
Wir – das sind neben Meier unter anderem der ehemalige Fortuna- und Borussia-Mönchengladbach-Profi Holger Fach sowie Horst Quade.„Horst hat im Fußball eigentlich schon alles gemacht“, sagt Meier,„zum Beispiel Scouting bei St. Pauli und Union Berlin. Er hat unglaubliche Erfahrung und ein unglaubliches Netzwerk.“Fach als Ex-Profi, Ex-Trainer und Ex-Sportdirektor ebenso,„und ich selbst kann sehr viel Erfahrung einbringen, wenn es darum geht, junge Spieler undTrainer zu betreuen“.
Darin sieht der langjährige Trainer seine Hauptaufgabe. „Ich kann mein großes Hobby Fußball auf hohem Leistungsniveau weiterpflegen und mir eine berufliche Perspektive aufbauen“, erklärt er. „Dazu gehören viel Akquise und viele Expertisen über Scoutingfeed, denn auf die Plätze kann man ja derzeit nicht. Das macht die Sache schwieriger, denn auf den Plätzen bekommt man immer Infos, da bekommt man immer vieles mit.“
So wie ganz zu Beginn seiner neuen Tätigkeit, als er gerade auf den Job in der Beratungsagentur angesprochen worden war. „Da habe ich mir ein U17-Spiel der Fortuna gegen den 1. FC Köln angesehen.Trainer der U17 ist Jens Langeneke, Co-Trainer Ahmet Cebe – da ist man sofort im Gespräch mit seinen ehemaligen Spielern.“
In diesen Zeiten müsse man fleißig sein und ein Gefühl entwickeln, so Meier. „Es macht nicht viel Sinn, sich über Scoutingfeed Kai Havertz anzugucken. Da muss man bei viel jüngeren Leuten anfangen. Und wenn ich dann einen Spieler angeboten bekomme, dann muss ich schon etwas über diesen Spieler wissen.“
An diesem Punkt kommen dann wieder die schwarzen Schafe der Spielerberatungs-Branche ins Spiel – denn im Gegensatz zu diesen wollen Meier und seine Kollegen durch Qualität, eben Nachhaltigkeit überzeugen. „Wir versuchen, bei jedem unserer Spieler klar einzuordnen, für welche Liga er geeignet ist“, erklärt er. „Einen Spieler über seinen Möglichkeiten zu vermitteln, das wäre unseriös. Und der betreffendeVerein hätte kaum mehr Lust, ein weiteres Mal mit uns zu arbeiten.“Und arbeiten möchte Norbert Meier mit seinem großen Hobby Fußball schließlich noch eine ganze Weile.