Urteil armseliger als das Vergehen
Der Fußball wird nicht müde, Erwartungen an ihn nach unten zu korrigieren. Neuestes Beispiel: das Sportgerichtsurteil gegen Heiko Vogel, den Trainer der Regionalliga-Mannschaft von Borussia Mönchengladbach. Vogel hatte bereits Ende Januar zwei Schiedsrichterassistentinnen vom Westdeutschen Fußballverband (WDFV) beleidigt: „Frauen haben auf dem Fußballplatz einfach absolut nichts zu suchen“, soll er gesagt haben, wie eine der Betroffenen bestätigte.
Doch nicht mal dieses armselige Verhalten ist es, was dieser Tage am meisten empört. Nein, das folgende Urteil des WDFV unterbietet das Niveau von Vogels Entgleisung noch einmal. Denn dem wurde auferlegt, sechs Trainingseinheiten einer Frauenmannschaft seines Vereins zu leiten. Ein Urteil, das fassungslos macht. Aber eins, das entlarvt, wes Geistes Kinder im Fußball etwas zu sagen haben.
Dabei ist es unerheblich, ob das Gericht diese Strafe aus eigenem Antrieb verhängt hat oder Vogel sie selbst angeboten hat. Beide Varianten beschreiben den Fußball als Funktionärs-Patriarchat, dem Benehmen, Respekt und die Fähigkeit fehlen, im Vorhinein über das nachzudenken, was er tut. Das WDFV-Gremium legt dabei die gleiche Geisteshaltung an den Tag wie Uefa-Präsident Aleksander Ceferin, wenn der von den Ausrichter-Städten der EM fordert, Spiele vor Zuschauern aller Pandemie zum Trotz zu garantieren.
Der Schaden, den erst Vogel und dann der Verband anrichten, ist ein langfristiger. Denn kritische Geister sehen sich mehr und mehr darin bestätigt, Goodwill-Kampagnen im Fußball-Geschäft oftmals nur als die Kreide zu sehen, die der Wolf frisst, während er den nächsten Geißlein-Braten vorbereitet. Aktionen wie im Fall Vogel untergraben zudem das Bemühen all der Ehrenamtler, die tagtäglich mit dem Fußball als Mittel etwas verbessern wollen.
Der Schaden ist also angerichtet. Wieder einmal. Und es ist gut, dass er in der Öffentlichkeit weite Kreise zieht. Es ist gut, dass die Spielerinnen der ersten und zweiten Liga in einem offenen Brief ihrem Unmut Luft gemacht haben. Wie DFB und WDFV nun um Schadensbegrenzung bemüht sind, macht es auch nicht besser. Echte Verbesserung würde bedeuten, eine Geisteshaltung zu ändern.