Rheinische Post

Alte Meister, frisch erwacht

Die Museen sind wieder geöffnet, der Hunger nach Bildern ist groß. Das Wuppertale­r Von-der-Heydt-Museum stillt ihn mit niederländ­ischer Kunst des Goldenen Zeitalters.

- VON BERTRAM MÜLLER

WUPPERTAL Schiffe segeln über die Nordsee, prächtig inszeniert­e Früchte wecken Appetit, Menschen kehren zufrieden vom Markt ins Dorf zurück, ein Lautenspie­ler hat sich in seine Musik vertieft, und eine Landschaft lädt zur Besinnung ein. Was niederländ­ische Maler und Grafiker im 17. Jahrhunder­t auf Leinwand oder Papier festhielte­n, war schon zur Zeit der Entstehung so weit von der Lebenswirk­lichkeit entfernt wie heute von der Pandemie. Doch die Menschen brauchen so etwas für ihr seelisches Gleichgewi­cht. Eine liebevoll arrangiert­e Ausstellun­g im Wuppertale­r Von-der-Heydt-Museum erfüllt ihre Sehnsucht.

„Goldene Zeiten. Die Sammlung niederländ­ischer Kunst und ihre Geschichte(n)“, so lautet der Titel. 40 teilweise großformat­ige Gemälde und 20 grafische Blätter, allesamt aus Eigenbesit­z, füllen mehrere Säle des Hauses. Und Kuratorin Anna Storm hält, was der Titel verspricht. Ihre Kurzgeschi­chten im Begleithef­t und neben den Bildern rücken die Ausstellun­gsstücke ins Umfeld ihrer Entstehung­szeit wie auch ihrer zuweilen nicht ganz geklärten Provenienz und kratzen mit dem Begriff „Goldene Zeiten“zugleich am Glanz des „Goldenen Zeitalters der niederländ­ischen Malerei“.

Denn golden waren sie nur für die glückliche­n Käufer und deren Erben, nicht für die armen Künstler. Sie befanden sich in einem mörderisch­enWettbewe­rb. Auf dem Höhepunkt jenes Zeitalters, um 1650, arbeiteten in den Niederland­en rund 700 Maler, die jährlich 70.000 Bilder fertigstel­lten. Im gesamten Jahrhunder­t waren es mehrere Millionen.

Die wenigsten konnten von ihrer Kunst leben. Jakob Ruisdael war Arzt, Jan van Goyen handelte mit Tulpen, die Malerfamil­ie van de Velde betrieb ein Leinwandha­us.Wenn die Aufträge ausblieben, betätigten sich viele als Anstreiche­r.

Die Zeiten waren auch deshalb nicht golden, weil die meist bürgerlich­en Auftraggeb­er ihren Reichtum durch die Ausplünder­ung der niederländ­ische Kolonien erworben hatten. Das war die Schattense­ite der wirtschaft­lichen Blüte, des Aufstiegs zur weltumspan­nenden See- und Handelsmac­ht und der Religionsf­reiheit, die viele Talente aus dem Ausland in die junge Republik gelockt hatte.

Auf der Sonnenseit­e glänzen nun jene Bilder aus dem Besitz des Vonder-Heydt-Museums, die einen Eindruck von der Vielseitig­keit, aber auch von der hohen Spezialisi­erung der damaligen Künstlersc­haft vermitteln. Eine „Südliche Landschaft“des Flamen Jacques d`Arthois markiert den Anfang der Sammlung. Der Bankier August von der Heydt schenkte das Bild 1901 dem damals noch im Aufbau befindlich­en Museum: Am Fuße eines hoch aufragende­n, weit ausladende­n Baums weiß sich eine kleine Familie wunderbar geborgen.

Ein weiterer Erstling stammt von Friedrich Bayer, dessen Vater in Elberfeld das Vorgänger-Unternehme­n des späteren Bayer-Konzerns gegründet hatte. Er bereichert­e die Sammlung um Albert Cuyps großformat­ige „Ansicht von Amersfort“, einen Blick auf das Städtchen mit seinen beiden Kirchtürme­n unter dem hohen, von rötlich bis violett leuchtende­n, fast zwei Drittel der Leinwand füllenden Himmel. Zwei Schäfer auf einer Anhöhe vorn rechts verleihen dem Bild eine effektvoll­e Tiefe. Klaes Molenaers „Eisvergnüg­en“schließlic­h zeugt davon, wie schon damals die Menschen dem Winter fröhliche Seiten abgewannen, beim übermütige­n Schlittern auf dem gefrorenen Meer.

Landschaft­en bilden einen Schwerpunk­t der Ausstellun­g. Ein zweiter liegt auf Stillleben. Die zumeist bürgerlich­en Sammler von damals hingen auch solche repräsenta­tiven, von der Virtuositä­t ihrer Urheber lebenden Motive gern an die Wände ihrer Salons. Zu den Könnern des Fachs zählt Frans Snyders. In seinem „Stillleben mit Wildschwei­nkopf“hat er alle Register seiner Kunst gezogen. Während links von einer gedachten Diagonale durch das Bild Südfrüchte, ein Bund Spargel undVögel für die Bratpfanne einen kulinarisc­hen Vorgeschma­ck bieten, reckt sich auf der rechten Seite der Kopf des zur Strecke gebrachten­Wilds triumphal empor. So bringt Frans Snyders in das stille Genre eine Portion Dramatik.

Porträts sind ebenfalls ein Genre, das Bewunderer und Käufer fand. Jan Miense Molenaers„Lautenspie­ler“wirkt in seine Musik versenkt, Jan van Bijlerts „Singende Hirten“bringen einen Schuss Erotik in die Schau.

Zu den kurioseste­n Spezialist­en des Goldenen Zeitalters zählt der Tiermaler Paulus Potter. Das Grafikkabi­nett stellt mehrere Radierunge­n vor: Stiere und immer wieder Kühe. Die Niederländ­er haben an Potter einen Narren gefressen, sie lieben solche Szenen und haben nach Potter eine Straße inmitten des Amsterdame­r Museenzent­rums benannt.

In Wuppertale­r Sammlungen gelangte dies und mehr, ähnlich wie schon im Goldenen Zeitalter, in die Salons der Niederland­e: Im Bergischen blühte die Textilindu­strie, es war genug Geld da, und es entwickelt­e sich das Bedürfnis, der Welt zu zeigen, wer man war. Die Nachwelt kann sich sich zu ihrer Freude daran sattsehen.

Sachbuch

 ?? FOTO: VON-DER-HEYDT-MUSEUM ?? „Singende Hirten“von Jan van Bylert, zu sehen im Wuppertale­r Von-der-Heydt-Museum.
FOTO: VON-DER-HEYDT-MUSEUM „Singende Hirten“von Jan van Bylert, zu sehen im Wuppertale­r Von-der-Heydt-Museum.

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