Stiller Protest mit Pinsel und Leinwand
Sebastian Mayrle plant am Freitag eine Demo vor dem Landtag, um auf die schwierige Situation der Künstler aufmerksam zu machen.
GOLZHEIM Sebastian Mayrle war gerade dabei, so richtig durchzustarten. Zwei Galerien wollten seine Bilder ausstellen, eine in Hamburg, eine in Düsseldorf. Das war im letzten Frühjahr. Dann machte Corona dem 43-Jährigen einen dicken Strich durch die Rechnung. Seitdem hält der Golzheimer sich irgendwie über Wasser, er klagt nicht über die Situation und kann die Einschränkungen auch verstehen. Trotzdem will er auf seine Situation aufmerksam machen, auf die Situation anderer Künstler, Kollegen, Freunde, „die Kultur allgemein“, sagt Mayrle. Deshalb plant er eine Demo vor dem Landtag, ruft Kreative aus Düsseldorf auf, mit Staffeleien und Leinwänden zu kommen, „das Panorama hier bietet sich ja an mit dem Stadttor und den Gehry-Bauten“, sagt Mayrle, der glaubt, dass richtig tolle Bilder entstehen können.
Bis zum Herbst schaffte es Sebastian Mayrle noch, die Miete für ein Gemeinschaftsatelier zu bezahlen. Als die Aussichten auf Normalität nicht besser wurden und sein Vertrag bei seinem Nebenjob in einer Großküche auslief – ebenfalls wegen Corona –, da entschied er, fortan von zu Hause aus zu arbeiten. Ein bisschen Platz hat er geschaffen in seinerWohnung in Golzheim, wo er nun seine Bilder malt.
Farben, Flächen, Formen, alles miteinander kombiniert und kunterbunt – das ist Mayrles Stil. Maler wollte der kreative Mann schon lange werden, bewarb sich auch regelmäßig an Akademien. Erfahrungen hatte er vorher bereits gesammelt, arbeitete unter anderem in Galerien. 2017 machte er den Abschluss an einer privaten Einrichtung, „in der ich viele Techniken gelernt habe“, sagt Mayrle. „Aber man wird nicht so richtig vorbereitet auf das Künstlerleben.“
So geht es wohl nicht nur dem 43-Jährigen, „gerade die Künstler, die sich noch nicht etablieren konnten, haben es jetzt richtig schwer“. Zwar zeigt Mayrle einige seinerWerke jetzt in einer Schaufensterausstellung in der HWL-Galerie, aber das sei nicht vergleichbar mit einer richtigen Ausstellung. „Die Vernissagen fehlen“, sagt der Künstler. „Die Abende, an denen Menschen gemütlich durch die Räume schlendern, einen Wein trinken und Lust darauf bekommen, ein Bild zu kaufen.“
Das Motto der Demo lautet: „Malen gegen die Einschränkungen in Kunst und Kultur in der Pandemie“. Ohne Megafon und große Reden. Eine stille Gemeinschaftsaktion, an der Maler, Musiker, Tänzer teilnehmen können.„Gerade für die Tänzer ist die Situation besonders tragisch, weil sie ihre Arbeit nur bis zu einem bestimmten Alter machen können“, weiß Mayrle, dem es bei der Demo nicht darum geht, über Gesetze
zu schimpfen, „ich bin kein Corona-Rebell“, sagt er. Vielmehr gehe es um Solidarität, um den Zusammenhalt und auch ein bisschen darum, dass die angebotenen Hilfen und Förderprogramme nicht immer passen, „es gibt immer wieder Künstler, die durchs Raster fallen“.
Ein bisschen aufgeregt ist Sebastian Mayrle schon. Eine Demo hat er vorher nämlich noch nie angemeldet, er findet aber, „dass das sehr unkompliziert war dank unbürokratischer Ansprechpartner“. Einen langen Brief hat Mayrle auch schon geschrieben und an viele Künstler verschickt, damit auch eben viele Künstler kommen. Ganz gleich, ob mit Pinsel, Filz- oder Bleistift. Mayrle ist überzeugt: Wenn das lange noch so weitergeht, es keine Plattform gibt, wo sich Kreative zeigen können, dann wird es irgendwann keine Kreativen mehr geben. „Und ohne Kunst und Kultur wird es sehr still.“