Vorsicht, Aktienfalle!
Der Fall einer jungen Leverkusenerin macht derzeit bundesweit Schlagzeilen: Erst hatte sie über ihr Konto bei der Comdirect-Bank Aktien im Wert von 600.000 Euro gekauft, obwohl auf dem Konto nur 25.000 Euro lagen. Nun hat sie Schulden. Wir erklären die Hi
DÜSSELDORF/LEVERKUSEN Da hat man 25.000 Euro auf einem Konto und will dafür Aktien kaufen – und auf einmal steht man tief in der Kreide, weil stattdessen Papiere für 600.000 Euro gekauft wurden und das Konto mit 360.000 Euro im Minus ist. So passierte es einer Frau aus Leverkusen, die jetzt mit dem Commerzbank-Ableger Comdirect über Schuld und Haftung streitet. Die Bank selbst verweist darauf, dass sie sich „aufgrund des Bankgeheimnisses und auch grundsätzlich bei laufenden Rechtsverfahren“zu dem Thema nicht äußern will.
Was ist passiert? Comdirect hatte für die Frau Aktien des US-Unternehmens Greenwich Lifesciences im Wert von 600.000 Euro gekauft. Und das, obwohl auf deren Konto nicht mal fünf Prozent dieses Betrags vorhanden waren und vertraglich festgelegt war, dass das Konto nicht überzogen werden sollte. Die Frau wollte 5800 Aktien kaufen, zu einem Kurs von jeweils etwa fünf US-Dollar. Comdirect hat den Auftrag offensichtlich an die Börse weitergeleitet, aber der Kurs war zwischenzeitlich explodiert. Das hat die Leverkusenerin gemerkt, alle Aktien (deren Kurs wieder gesunken war) verkauft und so hohe Verluste gemacht. Geblieben ist das sechsstellige Minus auf dem Konto.
Kann ein Kaufauftrag ausgeführt werden, obwohl das Verrechnungskonto gar nicht so viel Geld aufweist? Ja. Die Kundenorder ist zumindest in Grenzen unabhängig vom Kontobestand. Theoretisch kann es also eine geduldete Überziehung geben, ähnlich wie beim Girokonto, bei dem Banken Kunden ja auch zugestehen, dass das Konto überzogen wird. In diesem Fall wurde es aber um das 24-Fache seines Bestands überzogen. Das gehört wohl nicht mehr zum üblichen Rahmen.
Hätte die Bank also handeln müssen? Eine schwierige Frage. Comdirect war lange eine rechtlich selbstständige Direktbank, bei der die Beratungspflichten viel geringer sind als beispielsweise bei einer Sparkasse oder Volksbank, bei der man direkt mit seinem Anlageberater sprechen kann. Das ist höchstrichterlich geklärt. Der Bundesgerichtshof hat 2013 festgestellt, „dass zwischen einem Kapitalanleger und einer Direktbank im Zusammenhang mitWertpapiergeschäften grundsätzlich kein stillschweigend geschlossener Anlageberatungsvertrag zustandekommt“. Aber: Comdirect ist seit November 2020 – also schon vor dem Aktienkauf – lediglich eine Marke der Commerzbank – und die ist selbst keine Direktbank.
Was bedeutet der Fall für Anleger generell? Dass sie bei solchen Anlagegeschäften doppelt vorsichtig sein sollten. Die Aktie des amerikanischen Unternehmens ist offensichtlich extrem volatil: Schon eine relativ geringe Zahl von Kauf- oder Verkaufsorders kann den Kurs binnen kürzester Zeit stark bewegen. Heißt für Anleger: sich vorab immer über die Aktie informieren und Experten fragen, wie groß die Risiken bei einem Investment sind.
Was sollte man sonst noch machen? Bei Kaufaufträgen auf jeden Fall ein Limit einziehen. Das heißt: Der Bank also beispielsweise mitteilen, bis zu welchem Kurs man kaufen möchte, und das vertraglich so festhalten. Ob das in diesem Fall schon durch den Ausschluss der Kontoüberziehung passiert sein könnte, müssen nun Juristen klären.
Greifen in solchen Fällen wie bei Comdirect keine IT-Sicherungssysteme? Womöglich haben die beim Kauf der Greenwich-Lifesciences-Aktien versagt. Theoretisch könnte es aber natürlich auch sein, dass jemand diese Sicherungssysteme bei Comdirect ausgehebelt hat – warum und mit welchem fachlichen Hintergrund auch immer.
Wer kommt jetzt für den Schaden auf? Dazu müsste zunächst geklärt werden, wem welcher Schaden entstanden ist. Die Frau wollte für 25.000 Euro Aktien kaufen und hat nun kein Geld mehr auf dem Konto, stattdessen ein Minus von 360.000 Euro, das Comdirect ausgeglichen sehen möchte. Darüber ist der Rechtsstreit entbrannt. Wer nun einen Anspruch gegen den jeweils anderen geltend machen will, muss seinen Schaden beweisen.
Ist Comdirect in solchen Fällen der Verhandlungspartner für die Kundin? Weil die Comdirect, die einstmals börsennotiert war, seit dem November 2020 wieder in die Commerzbank AG integriert ist, wäre diese auch der juristische Ansprechpartner für Kunden, die eine Forderung geltend machen wollen.