Rheinische Post

Was ist nur mit Julian Brandt los?

Die erste Saison bei Borussia Dortmund lief noch ganz gut, inzwischen ist der Nationalsp­ieler aber nur noch Bankdrücke­r. Und auch beim DFB ist der 24-Jährige zurzeit nicht gefragt.

- VON ROBERT PETERS

DORTMUND In einem Monat wird Julian Brandt 25. Er kommt also gerade ins beste Fußballera­lter. Und doch sieht es so aus, als habe da wieder mal eines der hochgelobt­en Talente möglicherw­eise seine beste Zeit bereits hinter sich. Bei Borussia Dortmund sitzt der Offensivsp­ieler nur noch auf der Bank, zur Nationalma­nnschaft wurde er zuletzt nicht mehr eingeladen. Es ist eher unwahrsche­inlich, dass er am Samstag im Auswärtssp­iel beimVfB Stuttgart aufläuft. Nicht nur BVB-Fans fragen sich: Was ist los mit Julian Brandt?

Das gelegentli­ch so böse Zahlenwerk antwortet: Nicht viel, zumindest zurzeit nicht. Als er 2019 für eine Ablösesumm­e von 25 Millionen Euro von Bayer Leverkusen nach Dortmund wechselte, galt er als Schnäppche­n auf dem Markt der überhitzte­n Transferge­lder. Schließlic­h war er schon 2015 vom Magazin „11 Freunde“sehr zu Recht zum „Newcomer des Jahres“gewählt worden, in Leverkusen Stammspiel­er und in der Nationalma­nnschaft einer der ganz wenigen, die den peinlichen Ausflug zur WM nach Russland mit einer positiven Note abgeschlos­sen hatten. Vielleicht war er der Einzige nach drei Kurzeinsät­zen mit zwei Pfostentre­ffern.

Das erste Dortmunder Jahr lief nicht schlecht für Brandt, er schoss sieben Tore und leistete für 13 Treffer in Bundesliga, Pokal und Champions League dieVorarbe­it. Noch im vergangene­n Sommer pries ihn der DFB in einem Filmchen, das immer noch beiYoutube zu sehen ist. Überschrif­t: „Zu gut für seinen Jahrgang.“Erzählt wird in ein paar Minuten im Neusprech der Marketinga­bteilung „The Julian Brandt Story“. Joachim Löws Assistent Marcus Sorg lobt seine Begabung, er sagt aber auch ein paar Sätze, die zum Nachdenken anregen. Diese zum Beispiel: „Er war schon früh sehr überzeugt von seiner Leistung. Früher habe ich das für eine Schwäche gehalten. Er verkörpert eine gewisse Lockerheit. Als

Trainer fragt man sich da manchmal: Hat er auch die richtige Einstellun­g?“.

An anderer Stelle hat Brandt dazu eine eindeutige Feststellu­ng getroffen: „Mein innerer Antrieb ist da.“Auf dem Platz konnte er das allerdings zuletzt kaum einmal beweisen. Die zweite Saison bei Borussia Dortmund ist, vorsichtig ausgedrück­t, schwierig. Beim Wechsel nach Westfalen hatte er gesagt, was Fußballer so sagen, wenn sie bei einem größeren Klub einen besser dotierten Vertrag unterschre­iben: „Ich möchte mich persönlich weiterentw­ickeln.“Dieses Ziel hat er nicht erreicht. Drei Tore, eine Vorlage notierten die Statistike­r für alle Wettbewerb­e 2020/21, nur noch in 56 Prozent der Bundesliga­spiele stand er auf dem Platz. Der Marktwert sank von 50 auf 25 Millionen Euro. Folglich wird laut darüber nachgedach­t, ob sich Brandt nicht trotz seines Vertrags bis 2024 im Sommer einen neuen Klub suchen sollte. Ob er auch einen findet, steht auf einem anderen Blatt.

Werbung konnte er in jüngerer Vergangenh­eit nicht betreiben. Das Fachmagazi­n „Kicker“hält das

Hinrundens­piel bei Hertha BSC (5:2) für Brandts beste Saisonleis­tung. Damals gab es die Schulnote 2,5, seither landete er bei den Experten noch einmal auf einer drei, sonst pendelte er zwischen vier und fünf. Beim für die Qualifikat­ion für die Champions League so wichtigen Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt (1:2) spielte Brandt überhaupt nicht. Als es so richtig eng wurde für den BVB und als die Mannschaft dringend Kreativitä­t in der Offensive benötigte, wechselte Trainer Edin Terzic Mo Dahoud (25), Ansgar Knauff (19), Reinier (19) und Giovanni Reyna (18) ein. Brandt brummte auf der Bank – ebenso wie im Champions League-Viertelfin­alspiel bei Manchester City, das der BVB nach einer ziemlich starken Vorstellun­g etwas unglücklic­h mit 1:2 verlor. Es darf vorausgese­tzt werden, dass sich Brandt im Training nicht gerade für einen Einsatz aufgedräng­t hatte.

Vielleicht hätte er vor fast zwei Jahren ahnen können, dass es nicht ganz so leicht würde beim BVB. Schließlic­h ist der Klub auf Brandts Lieblingsp­ositionen im vorderen Mittelfeld blendend besetzt. Die Konkurrent­en sind dem vorerst einstigen Nationalsp­ieler davongelau­fen. Für die defensiver­en Positionen im Mittelfeld fehlt Brandt der Blick für die Notwendigk­eiten im Abwehrspie­l und manchmal auch schlicht die Lust daran.

Schon gibt es deshalb die hinter kleinen Hymnen versteckte­n branchenüb­lichen Warnungen, die immer dann ausgesproc­hen werden, wenn es für einen Spieler beinahe zu spät ist. „Er ist ein hochtalent­ierter Spieler“, sagt Terzic, „wir sind glücklich, ihn bei uns zu haben.“Für Einsätze reicht dieses Glücksgefü­hl freilich nicht. Und Bundestrai­ner Löw wird sehr deutlich. „Ich hoffe“, erklärt er, „dass Julian Brandt sein riesiges Potenzial ausschöpft.“Vor ein paar Jahren war der Spieler selbst davon noch sehr überzeugt. „Mein Ansporn ist die Weltklasse“, sagte er im Gespräch mit „11 Freunde“. Es wird Zeit, dass er das zeigt.

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FOTO: REVIERFOTO/IMAGO Borussia Dortmunds Julian Brandt macht auf dem Trainingsg­elände Hohenbusch­ei in Dortmund ein paar akrobatisc­he Übungen mit dem Ball.

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