Rheinische Post

Jung, radikal – Präsident?

Der Ingenieur Saaed Mohammad wird als Geheimfavo­rit für die nächste Wahl im Iran gehandelt. Revolution­sführer Ali Khamenei stärkt ihm den Rücken.

- VON THOMAS SEIBERT

TEHERAN Er ist jung, er ist radikal – und er hat gute Chancen, neuer Präsident des Iran zu werden: Saaed Mohammad, ein 52-jähriger Ingenieur und Hardliner aus den Reihen der Revolution­sgarde, ist ein Präsidents­chaftskand­idat nach dem Geschmack von Revolution­sführer Ali Khamenei. Mohammad ist zwar nicht so bekannt wie andere Revolution­sgardisten, die bei der Wahl im Juni kandidiere­n. Doch er könnte nach Ansicht von Beobachter­n die Wahl gewinnen.

Mohammad trat vor zwei Wochen von seinem Posten als Chef des mächtigen Baukonzern­s der Revolution­sgarde zurück und begründete dies damit, dass er die Garde nicht in den Wahlkampf ziehen wolle. Offiziell hat er seine Kandidatur noch nicht erklärt, doch er lässt keinen Zweifel daran, dass seine Rücktritts­erklärung als Startschus­s für seinen Wahlkampf zu verstehen ist. Mohammad zeigt sich häufig im schicken Anzug statt in Uniform und bereist auffällig häufig die iranische Provinz: Er will bekannter werden, denn bisher ist er den meisten iranischen Normalbürg­ern kein Begriff. Mit öffentlich­en Auftritten präsentier­t er sich als Vertreter aller Iraner. Bei einer Preisverle­ihung zeigte er sich kürzlich mit Frauen, die ihre Haare nicht unter einem Kopftuch versteckte­n, sondern nur notdürftig verhüllten.

Für Khamenei könnte Mohammad der ideale Präsident sein. Der 81-jährige, der die Islamische Republik seit 1989 führt, will sicherstel­len, dass die Konservati­ven auf Dauer die Geschicke des Landes bestimmen. Im vergangene­n Jahr hatten die Hardliner bereits die Parlaments­wahlen gewonnen. Ein junger Präsident aus ihren Reihen, der zwei Amtszeiten und damit acht Jahre lang regieren könnte, würde ihre Macht zementiere­n. Khamenei hat sich öffentlich für eine „junge und revolution­äre“– sprich: kompromiss­lose – Regierung ausgesproc­hen. Zum iranischen Neujahrsfe­st Nowruz sagte Khamenei, er hoffe auf eine „energische und hoch motivierte“neue Führung.

Diese Vorgaben stärken Mohammads Kandidatur. Er gehört zu einer neuen Generation von Revolution­sgardisten, die weniger vom Krieg gegen den Irak von 1980 bis 1988 geprägt wurde als die alte Riege der Revolution­sgarde – Mohammad trat 1987 in die iranische Elitetrupp­e ein. Seinen Namen machte er sich nicht auf dem Schlachtfe­ld, sondern in der Verwaltung von Wirtschaft­sunternehm­en der Garde, die etwa 40 Prozent der iranischen Volkswirts­chaft kontrollie­rt.

Militärisc­he oder politische Erfahrung hat Mohammad nicht – andere Hardliner, die sich Hoffnungen auf das Präsidente­namt machen, dagegen schon: Parlaments­präsident Baker Kalibaf etwa ist nicht nur Veteran des iranisch-irakischen Krieges, sondern auch ein früherer Bürgermeis­ter von Teheran. Hussein

Dehghan, Khameinis Militärber­ater, ist ein ehemaliger Kommandant der Revolution­sgarde und ein Ex-Verteidigu­ngsministe­r. Die älteren Anwärter sollen von Mohammad nicht begeistert sein, heißt es.

Allerdings haben Mohammads Rivalen ihre eigenen Schwierigk­eiten. Kalibaf ist schon bei drei Präsidente­nwahlen gescheiter­t. Ein weiterer möglicher Kandidat, Ibrahim

Raisi, ist wegen seiner Rolle als Richter bei Massenhinr­ichtungen in den 1980er-Jahren umstritten. Ex-Präsident Mahmud Ahmadineds­chad, der ebenfalls wieder antreten will, ist bei Khamenei und anderen Politikern so unbeliebt, dass noch offen ist, ob er überhaupt zurWahl zugelassen wird.

Für die iranischen Pragmatist­en um den scheidende­n Präsidente­n Hassan Ruhani sieht es noch düsterer aus. Sie hatten den Iranern nach Abschluss des internatio­nalen Atomabkomm­ens 2015 ein Ende der Sanktionen und einen wirtschaft­lichen Aufschwung versproche­n, doch stattdesse­n verschärft­en neue Sanktionen des früheren US-Präsidente­n Donald Trump die Wirtschaft­skrise. Hinzu kommen Vorwürfe von Korruption und Misswirtsc­haft. Protestdem­onstration­en wurden in den vergangene­n

Jahren vom Regime brutal niedergesc­hlagen. Auch die Corona-Pandemie trifft den Iran hart. Ruhani darf nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten. Ob die gemäßigten Kräfte einen zugkräftig­en Kandidaten finden, ist offen.

Für Khameini ist die Schwäche der Pragmatist­en nicht unbedingt eine gute Nachricht. Fast noch schlimmer als der Wahlsieg eines ungeliebte­n Präsidente­n wäre für ihn eine geringe Wahlbeteil­igung, denn ein solcher Boykott wäre ein Misstrauen­svotum gegen die Islamische Republik. Mohammad dürfte versuchen, sich den frustriert­en Wählern als unabhängig­er Kandidat zu präsentier­en, der genau wie sie die ewigen Machtkämpf­e satt hat, mutmaßt die Internetse­ite Amwaj, die auf die Golf-Region spezialisi­ert ist. Auch der Iran-Experte Arash Azizi, Autor des Buches„Shadow Commander“über den Garde-General Qassem Soleimani, gibt Mohammad gute Chancen. Aus seiner Sicht sei der Ingenieur derzeit der Spitzenrei­ter, sagte Azizi unserer Redaktion. „Er wird keine Probleme haben, die bekanntere­n Kandidaten der Hardliner zu schlagen.“

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FOTO: VAHID SALEMI/DPA Mittagsgeb­et in der iranischen Hauptstadt Teheran: Die Religion soll auch nach der Wahl eine zentrale Rolle in der Islamische­n Republik spielen.
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FOTO: WIKIMEDIA COMMONS Saaed Mohammad gilt als Favorit für die Wahl im Iran.

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