Jung, radikal – Präsident?
Der Ingenieur Saaed Mohammad wird als Geheimfavorit für die nächste Wahl im Iran gehandelt. Revolutionsführer Ali Khamenei stärkt ihm den Rücken.
TEHERAN Er ist jung, er ist radikal – und er hat gute Chancen, neuer Präsident des Iran zu werden: Saaed Mohammad, ein 52-jähriger Ingenieur und Hardliner aus den Reihen der Revolutionsgarde, ist ein Präsidentschaftskandidat nach dem Geschmack von Revolutionsführer Ali Khamenei. Mohammad ist zwar nicht so bekannt wie andere Revolutionsgardisten, die bei der Wahl im Juni kandidieren. Doch er könnte nach Ansicht von Beobachtern die Wahl gewinnen.
Mohammad trat vor zwei Wochen von seinem Posten als Chef des mächtigen Baukonzerns der Revolutionsgarde zurück und begründete dies damit, dass er die Garde nicht in den Wahlkampf ziehen wolle. Offiziell hat er seine Kandidatur noch nicht erklärt, doch er lässt keinen Zweifel daran, dass seine Rücktrittserklärung als Startschuss für seinen Wahlkampf zu verstehen ist. Mohammad zeigt sich häufig im schicken Anzug statt in Uniform und bereist auffällig häufig die iranische Provinz: Er will bekannter werden, denn bisher ist er den meisten iranischen Normalbürgern kein Begriff. Mit öffentlichen Auftritten präsentiert er sich als Vertreter aller Iraner. Bei einer Preisverleihung zeigte er sich kürzlich mit Frauen, die ihre Haare nicht unter einem Kopftuch versteckten, sondern nur notdürftig verhüllten.
Für Khamenei könnte Mohammad der ideale Präsident sein. Der 81-jährige, der die Islamische Republik seit 1989 führt, will sicherstellen, dass die Konservativen auf Dauer die Geschicke des Landes bestimmen. Im vergangenen Jahr hatten die Hardliner bereits die Parlamentswahlen gewonnen. Ein junger Präsident aus ihren Reihen, der zwei Amtszeiten und damit acht Jahre lang regieren könnte, würde ihre Macht zementieren. Khamenei hat sich öffentlich für eine „junge und revolutionäre“– sprich: kompromisslose – Regierung ausgesprochen. Zum iranischen Neujahrsfest Nowruz sagte Khamenei, er hoffe auf eine „energische und hoch motivierte“neue Führung.
Diese Vorgaben stärken Mohammads Kandidatur. Er gehört zu einer neuen Generation von Revolutionsgardisten, die weniger vom Krieg gegen den Irak von 1980 bis 1988 geprägt wurde als die alte Riege der Revolutionsgarde – Mohammad trat 1987 in die iranische Elitetruppe ein. Seinen Namen machte er sich nicht auf dem Schlachtfeld, sondern in der Verwaltung von Wirtschaftsunternehmen der Garde, die etwa 40 Prozent der iranischen Volkswirtschaft kontrolliert.
Militärische oder politische Erfahrung hat Mohammad nicht – andere Hardliner, die sich Hoffnungen auf das Präsidentenamt machen, dagegen schon: Parlamentspräsident Baker Kalibaf etwa ist nicht nur Veteran des iranisch-irakischen Krieges, sondern auch ein früherer Bürgermeister von Teheran. Hussein
Dehghan, Khameinis Militärberater, ist ein ehemaliger Kommandant der Revolutionsgarde und ein Ex-Verteidigungsminister. Die älteren Anwärter sollen von Mohammad nicht begeistert sein, heißt es.
Allerdings haben Mohammads Rivalen ihre eigenen Schwierigkeiten. Kalibaf ist schon bei drei Präsidentenwahlen gescheitert. Ein weiterer möglicher Kandidat, Ibrahim
Raisi, ist wegen seiner Rolle als Richter bei Massenhinrichtungen in den 1980er-Jahren umstritten. Ex-Präsident Mahmud Ahmadinedschad, der ebenfalls wieder antreten will, ist bei Khamenei und anderen Politikern so unbeliebt, dass noch offen ist, ob er überhaupt zurWahl zugelassen wird.
Für die iranischen Pragmatisten um den scheidenden Präsidenten Hassan Ruhani sieht es noch düsterer aus. Sie hatten den Iranern nach Abschluss des internationalen Atomabkommens 2015 ein Ende der Sanktionen und einen wirtschaftlichen Aufschwung versprochen, doch stattdessen verschärften neue Sanktionen des früheren US-Präsidenten Donald Trump die Wirtschaftskrise. Hinzu kommen Vorwürfe von Korruption und Misswirtschaft. Protestdemonstrationen wurden in den vergangenen
Jahren vom Regime brutal niedergeschlagen. Auch die Corona-Pandemie trifft den Iran hart. Ruhani darf nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten. Ob die gemäßigten Kräfte einen zugkräftigen Kandidaten finden, ist offen.
Für Khameini ist die Schwäche der Pragmatisten nicht unbedingt eine gute Nachricht. Fast noch schlimmer als der Wahlsieg eines ungeliebten Präsidenten wäre für ihn eine geringe Wahlbeteiligung, denn ein solcher Boykott wäre ein Misstrauensvotum gegen die Islamische Republik. Mohammad dürfte versuchen, sich den frustrierten Wählern als unabhängiger Kandidat zu präsentieren, der genau wie sie die ewigen Machtkämpfe satt hat, mutmaßt die Internetseite Amwaj, die auf die Golf-Region spezialisiert ist. Auch der Iran-Experte Arash Azizi, Autor des Buches„Shadow Commander“über den Garde-General Qassem Soleimani, gibt Mohammad gute Chancen. Aus seiner Sicht sei der Ingenieur derzeit der Spitzenreiter, sagte Azizi unserer Redaktion. „Er wird keine Probleme haben, die bekannteren Kandidaten der Hardliner zu schlagen.“