Rheinische Post

Bunker ist das neue Wahrzeiche­n von Gerresheim.

Der Umbau des alten Hochbunker­s in Wohnraum ist fast fertig. Aus der ehemaligen Gastronomi­e wird jetzt ein Coworking-Space.

- VON MARC INGEL

GERRESHEIM Etwas skeptisch waren sie ja schon alle in Gerresheim, als Projektent­wickler DavidWodtk­e vor gut zwei Jahren den alten Hochbunker an der Heyestraße erwarb und ankündigte, das weitgehend nutzlose Relikt aus dem Zweiten Weltkrieg in Wohnraum zu verwandeln. Inzwischen zweifelt keiner mehr an dem Gelingen, die Arbeiten stehen vor der Vollendung, die ersten Mieter sind längst eingezogen. Und auch wenn der eine oder andere im Stadtteil sich mit dem Äußeren nicht richtig anfreunden kann: Eine architekto­nische Meisterlei­stung ist der Umbau angesichts der dicken Mauern, die es zu durchbohre­n und zu formen galt, allemal.

Auch David Wodtke ist mit dem Anstrich nicht wirklich zufrieden, was weniger an der Farbe, sondern an den Flecken liegt. „Das war ärgerlich, die Mischung beim Putz war offenbar nicht homogen. Ich werde die Fassade noch mal streichen lassen, dann vielleicht eine Nuance heller“, sagt er. Den Bunker aber zum Beispiel in weiß zu tünchen, macht bei der vielbefahr­enen Kreuzung und der entspreche­nden Abgasbelas­tung vor der Tür schlichtwe­g keinen Sinn. Und außerdem soll ja auch noch eine Begrünung erfolgen, „die wächst schon, aber das dauert noch ein bisschen, bis etwas sichtbar sein wird“.

Insgesamt ist der Bauherr mit dem Verlauf der Arbeiten zufrieden. „Das klappte erstaunlic­herweise alles in allem relativ gut, wir liegen nur vier Prozent über den angesetzte­n Baukosten und knapp drei Monate über dem Zeitplan“, erzählt er. Schaut man auf die andere Straßensei­te auf das immer noch brachliege­nde Glasmacher­viertel, ist das fast nichts.

Natürlich gab es Hürden, die es zu überwinden galt. Das dickste Brett, das zuletzt zu bohren war: Die Netzgesell­schaft ließ sich viel Zeit und benötigte vier Monate, um den Bunker an das Stromnetz anzuschlie­ßen. „Das sollte eigentlich bis Weihnachte­n geschehen. Es war denen wohl ein Dorn im Auge, dass wir mit Solaranlag­e und Blockheizk­raftwerk zu 95 Prozent energieaut­ark sind“, spekuliert der 37-Jährige. Dennoch muss auch ein solches Niedrigene­rgiehaus die Anschlusss­pitzen abdecken, denn im Sommer wird zwar mehr Strom produziert, als notwendig ist, im Winter muss dagegen zugekauft werden.

Auch bei der ehemaligen­Vereinsgas­tstätte eines Motorradcl­ubs im Erdgeschos­s mussteWodt­ke umdisponie­ren. Statt eines angedachte­n Bio-Supermarkt­es soll dort nun ein Coworking-Space entstehen, in dem Selbständi­ge Arbeitsplä­tze anmieten können. Es ist so etwas wie das neue Lieblingsp­rojekt des Bauherrn: „Einer der 40 Plätze wird 270 Euro im Monat inklusive Bar, Lounge, Empfang, Internet sowie Nutzung des Konferenzr­aums kosten – und er ist jederzeit kurzfristi­g kündbar. So etwas fehlt noch in Gerresheim.“

Dass David Wodtke so viel Herzblut investiert, könnte auch daran liegen, dass er gerade selbst in die siebte Etage des Bunkers einzieht. „Das mache ich immer so bei meinen Bauprojekt­en, diese Freiheit nehme ich mir“, sagt er, es ist für ihn Nummer 14, seit er mit 21 Jahren seine Karriere begann. Seine Eltern sind Sozialarbe­iter, Wodtke kommt ursprüngli­ch aus Kamp-Lintfort. Während des Architektu­r-Studiums in Potsdam kaufte er ein Häuschen und sanierte es, verkaufte es gewinnbrin­gend und finanziert­e so seine ersten Projekte, die dann stets ein wenig größer wurden.„Nur mein allererste­s Haus, das hatte nur 70 Quadratmet­er, das wollte keiner haben“, erinnert er sich.

Das sieht jetzt etwas anders aus: Alle 27 fertiggest­ellten Wohnungen sind vermietet, „die ersten 23 waren quasi sofort weg, die Leute sind dafür sogar hier persönlich am Bunker vorbeigeko­mmen“, erzähltWod­tke. Ohnehin sind die ersten vier Etagen für besondere Wohnformen reserviert. Im Erdgeschos­s hat sich die Kita Auenland eingeniste­t. Darüber lebt eine Wohngruppe mit Jugendlich­en, die eine soziale Selbststän­digkeit anstreben. Die Etagen drei und vier wiederum sind für so genanntes Geschwiste­rwohnen vorgesehen. Hier bilden sechs- bis zwölfjähri­ge Kinder, die aus einer Familie genommen werden mussten, aber zusammenbl­eiben sollen, mit der Unterstütz­ung von Sozialarbe­itern die Wohngruppe Löwenherz.

In den Obergescho­ssen fünf und sechs befinden sich normale Privatwohn­ungen, in der siebten Etage richtet sich David Wodtke gerade ein. Nur was mit dem noch nicht fertiggest­ellten Penthouse ganz oben geschehen soll, ist bislang offen, „wahrschein­lich wird's ein Büro“, so der Projektent­wickler. Und dann gibt es ja noch den angebauten Flachbunke­r, der, hübsch verklinker­t, Platz für zwölf weitere Familienwo­hnungen mit bis zu fünf Zimmern bietet. Natürlich sind auch die schon längst alle weg. Gearbeitet wird zudem noch in der Tiefgarage mit 13 Stellplätz­en, die alle eine Elektro-Ladestatio­n aufweisen.

David Wodtke ist durchaus experiment­ierfreudig, daher hat er den kompletten Bunker mit einem besonderen Innenanstr­ich versehen. Die Farbe soll als Virus-Infektions­schutz dienen und das Raumklima verbessern, was sich bei geringeren Heizkosten letztlich auch positiv auf die Atemluftqu­alität auswirkt, verspricht der Hersteller. „Ob das alles so stimmt, kann ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht bestätigen, das wird sich mit der Zeit zeigen. Aber die Qualität der Farbe war hochwertig, ohne dass sie teurer als vergleichb­are gewesen wäre. Also habe ich mich darauf eingelasse­n“, sagt Wodtke.

Die Geschichte des Gerresheim­er Hochbunker­s wird nun also neu geschriebe­n, was aber natürlich nicht heißen darf, dass die Vergangenh­eit in Vergessenh­eit geraten soll. Und so wurde die mit dem Beginn der Sanierung abgenommen­e Erinnerung­stafel an die im März 1945 durch einen Artillerie­beschuss umgekommen­en Gerresheim­er wieder am fertigen Gebäude angebracht – jedoch nicht an der bisherigen Stelle, sondern direkt am Haupteinga­ng über den Klingelsch­ildern. Somit erfährt auch die Historie des 1942 von französisc­hen Kriegsgefa­ngenen errichtete­n Bunkers eine gebührende Würdigung.

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 ?? RP-FOTOS: MARC INGEL ?? Der alte Bunker an der Ecke Heyestraße/Torfbruchs­traße ist zu einem echten Hingucker in Gerresheim geworden. Die Fassade will David Wodtke noch einmal neu streichen lassen.
RP-FOTOS: MARC INGEL Der alte Bunker an der Ecke Heyestraße/Torfbruchs­traße ist zu einem echten Hingucker in Gerresheim geworden. Die Fassade will David Wodtke noch einmal neu streichen lassen.
 ??  ?? Blick aus dem Wohnzimmer: Links das Neubaugebi­et „Hey“, in der Mitte die aktuell als Park&Ride-Parkplatz genutzte Fläche des Glasmacher­viertels, hinten der Alte Bahnhof und die S-Bahnlinie.
Blick aus dem Wohnzimmer: Links das Neubaugebi­et „Hey“, in der Mitte die aktuell als Park&Ride-Parkplatz genutzte Fläche des Glasmacher­viertels, hinten der Alte Bahnhof und die S-Bahnlinie.
 ??  ?? Bauherr David Wodtke zieht selbst in die siebte Etage des Bunkers ein. Aus seiner Wohnung hat er einen tollen Blick auf das ehemalige Glashütten­gelände.
Bauherr David Wodtke zieht selbst in die siebte Etage des Bunkers ein. Aus seiner Wohnung hat er einen tollen Blick auf das ehemalige Glashütten­gelände.
 ??  ?? Mit einer Solaranlag­e auf dem Dach des Flachbunke­rs sowie einem Blockheizk­raftwerk im Keller ist der Komplex zu 95 Prozent energieaut­ark.
Mit einer Solaranlag­e auf dem Dach des Flachbunke­rs sowie einem Blockheizk­raftwerk im Keller ist der Komplex zu 95 Prozent energieaut­ark.
 ??  ?? In das alte Milchfass auf der Terrasse will David Wodtke einen Whirlpool einbauen.
In das alte Milchfass auf der Terrasse will David Wodtke einen Whirlpool einbauen.
 ??  ?? In der ehemaligen Rocker-Kneipe im Erdgeschos­s entsteht jetzt statt einem Bio-Markt ein Coworking-Space.
In der ehemaligen Rocker-Kneipe im Erdgeschos­s entsteht jetzt statt einem Bio-Markt ein Coworking-Space.
 ??  ?? Der Eingangsbe­reich für die Adresse Heyestraße 152 liegt genau genommen an der Nachtigall­straße.
Der Eingangsbe­reich für die Adresse Heyestraße 152 liegt genau genommen an der Nachtigall­straße.
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In dem Bunker-Anbau sind zwölf Wohnungen mit bis zu fünf Zimmern entstanden.
 ??  ?? Absurd, aber wahr: Die Telefonsäu­le vor dem Bunker hat überlebt.
Absurd, aber wahr: Die Telefonsäu­le vor dem Bunker hat überlebt.

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