Bunker ist das neue Wahrzeichen von Gerresheim.
Der Umbau des alten Hochbunkers in Wohnraum ist fast fertig. Aus der ehemaligen Gastronomie wird jetzt ein Coworking-Space.
GERRESHEIM Etwas skeptisch waren sie ja schon alle in Gerresheim, als Projektentwickler DavidWodtke vor gut zwei Jahren den alten Hochbunker an der Heyestraße erwarb und ankündigte, das weitgehend nutzlose Relikt aus dem Zweiten Weltkrieg in Wohnraum zu verwandeln. Inzwischen zweifelt keiner mehr an dem Gelingen, die Arbeiten stehen vor der Vollendung, die ersten Mieter sind längst eingezogen. Und auch wenn der eine oder andere im Stadtteil sich mit dem Äußeren nicht richtig anfreunden kann: Eine architektonische Meisterleistung ist der Umbau angesichts der dicken Mauern, die es zu durchbohren und zu formen galt, allemal.
Auch David Wodtke ist mit dem Anstrich nicht wirklich zufrieden, was weniger an der Farbe, sondern an den Flecken liegt. „Das war ärgerlich, die Mischung beim Putz war offenbar nicht homogen. Ich werde die Fassade noch mal streichen lassen, dann vielleicht eine Nuance heller“, sagt er. Den Bunker aber zum Beispiel in weiß zu tünchen, macht bei der vielbefahrenen Kreuzung und der entsprechenden Abgasbelastung vor der Tür schlichtweg keinen Sinn. Und außerdem soll ja auch noch eine Begrünung erfolgen, „die wächst schon, aber das dauert noch ein bisschen, bis etwas sichtbar sein wird“.
Insgesamt ist der Bauherr mit dem Verlauf der Arbeiten zufrieden. „Das klappte erstaunlicherweise alles in allem relativ gut, wir liegen nur vier Prozent über den angesetzten Baukosten und knapp drei Monate über dem Zeitplan“, erzählt er. Schaut man auf die andere Straßenseite auf das immer noch brachliegende Glasmacherviertel, ist das fast nichts.
Natürlich gab es Hürden, die es zu überwinden galt. Das dickste Brett, das zuletzt zu bohren war: Die Netzgesellschaft ließ sich viel Zeit und benötigte vier Monate, um den Bunker an das Stromnetz anzuschließen. „Das sollte eigentlich bis Weihnachten geschehen. Es war denen wohl ein Dorn im Auge, dass wir mit Solaranlage und Blockheizkraftwerk zu 95 Prozent energieautark sind“, spekuliert der 37-Jährige. Dennoch muss auch ein solches Niedrigenergiehaus die Anschlussspitzen abdecken, denn im Sommer wird zwar mehr Strom produziert, als notwendig ist, im Winter muss dagegen zugekauft werden.
Auch bei der ehemaligenVereinsgaststätte eines Motorradclubs im Erdgeschoss mussteWodtke umdisponieren. Statt eines angedachten Bio-Supermarktes soll dort nun ein Coworking-Space entstehen, in dem Selbständige Arbeitsplätze anmieten können. Es ist so etwas wie das neue Lieblingsprojekt des Bauherrn: „Einer der 40 Plätze wird 270 Euro im Monat inklusive Bar, Lounge, Empfang, Internet sowie Nutzung des Konferenzraums kosten – und er ist jederzeit kurzfristig kündbar. So etwas fehlt noch in Gerresheim.“
Dass David Wodtke so viel Herzblut investiert, könnte auch daran liegen, dass er gerade selbst in die siebte Etage des Bunkers einzieht. „Das mache ich immer so bei meinen Bauprojekten, diese Freiheit nehme ich mir“, sagt er, es ist für ihn Nummer 14, seit er mit 21 Jahren seine Karriere begann. Seine Eltern sind Sozialarbeiter, Wodtke kommt ursprünglich aus Kamp-Lintfort. Während des Architektur-Studiums in Potsdam kaufte er ein Häuschen und sanierte es, verkaufte es gewinnbringend und finanzierte so seine ersten Projekte, die dann stets ein wenig größer wurden.„Nur mein allererstes Haus, das hatte nur 70 Quadratmeter, das wollte keiner haben“, erinnert er sich.
Das sieht jetzt etwas anders aus: Alle 27 fertiggestellten Wohnungen sind vermietet, „die ersten 23 waren quasi sofort weg, die Leute sind dafür sogar hier persönlich am Bunker vorbeigekommen“, erzähltWodtke. Ohnehin sind die ersten vier Etagen für besondere Wohnformen reserviert. Im Erdgeschoss hat sich die Kita Auenland eingenistet. Darüber lebt eine Wohngruppe mit Jugendlichen, die eine soziale Selbstständigkeit anstreben. Die Etagen drei und vier wiederum sind für so genanntes Geschwisterwohnen vorgesehen. Hier bilden sechs- bis zwölfjährige Kinder, die aus einer Familie genommen werden mussten, aber zusammenbleiben sollen, mit der Unterstützung von Sozialarbeitern die Wohngruppe Löwenherz.
In den Obergeschossen fünf und sechs befinden sich normale Privatwohnungen, in der siebten Etage richtet sich David Wodtke gerade ein. Nur was mit dem noch nicht fertiggestellten Penthouse ganz oben geschehen soll, ist bislang offen, „wahrscheinlich wird's ein Büro“, so der Projektentwickler. Und dann gibt es ja noch den angebauten Flachbunker, der, hübsch verklinkert, Platz für zwölf weitere Familienwohnungen mit bis zu fünf Zimmern bietet. Natürlich sind auch die schon längst alle weg. Gearbeitet wird zudem noch in der Tiefgarage mit 13 Stellplätzen, die alle eine Elektro-Ladestation aufweisen.
David Wodtke ist durchaus experimentierfreudig, daher hat er den kompletten Bunker mit einem besonderen Innenanstrich versehen. Die Farbe soll als Virus-Infektionsschutz dienen und das Raumklima verbessern, was sich bei geringeren Heizkosten letztlich auch positiv auf die Atemluftqualität auswirkt, verspricht der Hersteller. „Ob das alles so stimmt, kann ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht bestätigen, das wird sich mit der Zeit zeigen. Aber die Qualität der Farbe war hochwertig, ohne dass sie teurer als vergleichbare gewesen wäre. Also habe ich mich darauf eingelassen“, sagt Wodtke.
Die Geschichte des Gerresheimer Hochbunkers wird nun also neu geschrieben, was aber natürlich nicht heißen darf, dass die Vergangenheit in Vergessenheit geraten soll. Und so wurde die mit dem Beginn der Sanierung abgenommene Erinnerungstafel an die im März 1945 durch einen Artilleriebeschuss umgekommenen Gerresheimer wieder am fertigen Gebäude angebracht – jedoch nicht an der bisherigen Stelle, sondern direkt am Haupteingang über den Klingelschildern. Somit erfährt auch die Historie des 1942 von französischen Kriegsgefangenen errichteten Bunkers eine gebührende Würdigung.