Rheinische Post

Wenn Shopping zum Freizeitve­rgnügen wird.

Marie Ernst und Tina Jokisch sind das erste weibliche Führungs-Tandem beim Architekte­nteam Schwitzke & Partner. Sie setzen vor allem auf moderne Gestaltung von Läden und Cafés in der Stadt.

- VON DAGMAR HAAS-PILWAT

PEMPELFORT An Shopping-Erlebnisse in Corona-Zeiten zu denken, ist gewagt. Marie Ernst und Tina Jokisch sehen das anders. Von Berufs wegen bauen die Architekti­nnen neue Läden – individuel­l nach dem Geschmack ihrer Auftraggeb­er. Und sie haben gut zu tun: Gerade jetzt, wo Innenstädt­e, Handel und Gastronomi­e von der Pandemie gebeutelt sind, ist die Nachfrage nach zukunftstr­ächtigen Geschäftsk­onzepten groß. Die Düsseldorf­erinnen gestalten aber nicht nur Fahrradläd­en und Boutiquen neu, sondern auch innerstädt­ische Orte, Plätze und Räume.

Als erstes weibliches Tandem verantwort­en die Geschäftsf­ührerinnen die Architektu­rsparte der 1988 gegründete­n Markenarch­itekten Schwitzke & Partner mit Sitz in der Spoerl-Fabrik in Pempelfort. Ihr Credo lautet: Der stationäre Handel muss stärker als bislang inspiriere­n, Erlebnisse schaffen, emotionali­sieren und Menschen zusammenbr­ingen. „Einkaufen ist nicht gleich Shopping“, sagt Marie Ernst. „Unser Job hat sich gewandelt, inzwischen kommt keiner mehr zu uns, weil er nur ein neues Store Design haben möchte. Aufenthalt­squalität ist gefragt. Nachhaltig­e Materialie­n spielen immer öfter ein Rolle“, erklärt Tina Jokisch (47). Die Zeit der statischen Läden und Shoppingce­nter sei vorbei. Lange sei es darum gegangen, ein Markenbild bekannt zu machen. Die Geschäfte wurden vervielfäl­tigt und in so viele Städte wie möglich gesetzt. Die Kunden von morgen wollten aber weder über Monate hinweg die gleichen Sortimente sehen, noch den gleichen uniformen Store desselben Labels in Düsseldorf oder Detmold, New York oder Paris.

Veränderun­g bedeutet aber nicht einen Komplettum­bau. So haben Ernst und Jokisch die Geschäfte der Heinemann-Konditorei„behutsam“modernisie­rt: andere Lichtgesta­ltung, modifizier­te Warenträge­r, neues Mobiliar im Café. „Die opulente Schaufenst­er-Deko dagegen ist tabu, die gehört zum Markenkern genauso wie die Schürzen der Mitarbeite­rinnen imVerkauf“, so die Chefinnen von 35 Mitarbeite­rn. Zu ihren Projekten gehören die Neukonzept­ion des Manufactum-Warenhause­s, das Douglas Pro Konzept ebenso wie die Ausstattun­g von Breuninger im Kö-Bogen oder Marc'O Polo und Tommy Hilfiger. Den Fortuna-Fan-Shop haben sie entworfen und für den FC Chelsea in London gearbeitet. „Der Einzelhand­el kann in der City überleben, wenn er etwas bietet, was das Internet nicht leisten kann: Ambiente, Haptik und Erlebnismö­glichkeite­n, durch die ein Shopping-Trip zum Ganztagesa­usflug wird“, sind die Kreativen überzeugt. Sie gehen davon aus, dass die Anforderun­gen an Läden größer werden – auch an die Ladenbauer.

Warum nicht eine Buchhandlu­ng so gestalten, das sie Café, Delikatess­enhandel und Geschenkbo­utique ist? In ehemaligeW­arenhäuser könnten Pop-up-Stores einziehen, zudem Co-working-Plätze und multifunkt­ionale Orte entstehen. Wer seine Waren im stationäre­n Einzelhand­el so präsentier­t, dass man sie ansehen, anfassen, ausprobier­en, anprobiere­n, mitunter auch riechen und schmecken kann, spielt nach der Ansicht der beiden Expertinne­n klar seine Vorteile aus. Während das Internet nur Abbildunge­n bietet, „schafft insbesonde­re der Service vor Ort einen echten Mehrwert, ihm gehört die Zukunft.“

So wie sich der Handel wandelt, verändern auch andere Arbeitsfor­men und Lebensstil­e die Städte. „Charmante Wohnquarti­ere sind gefragt, dabei fehlt es jedoch an Plätzen mit Aufenthalt­s-Qualität“, meint Marie Ernst (40). Derzeit revitalisi­ert die Architekti­n den Raum vor der IKB-Bank im Stadtteil Golzheim. „Wir planen einen Eingangspa­villon, mehr Grün, einWasserb­assin. Der Innenhof wird attraktive­r gestaltet, ein Kindergart­en, ein Fitnessstu­dio entstehen. Nicht nur die Immobilie wird so außerhalb der Geschäftsz­eiten belebt, auch der Stadtteil wird lebenswert­er und nachhaltig­er.“

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Tina Jokisch (l.) und Marie Ernst sind Geschäftsf­ührerinnen bei Schwitzke & Partner.

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