Spaziergänge für Einsame
Vielen fehlt in der Pandemie der Kontakt. In Flingern gibt es jetzt die Seelenwege.
FLINGERN-NORD Die Krise, die Pandemie, die Kontaktbeschränkungen, all das geht vielen auf den Geist. Vereinsamung droht. Oftmals liegt den Menschen etwas auf der Seele, was sie nicht loswerden können. „Für Menschen, die niemanden haben, um sich auszutauschen, ist die Situation besonders belastend. Manchmal fehlt aber auch einfach nur jemand, mit dem man ein bisschen tratschen oder gemeinsam lachen kann. Wir haben festgestellt, dass es einen sehr hohen Bedarf gibt, sich zu unterhalten, sich mitzuteilen“, sagt Constanze Jestaedt-Fischer, Leiterin des Stadtteilladens Flingern. „Wir versuchen dem mit mehr Man- und Woman-Power gerecht zu werden.“Deshalb entwickelte sie zusammen mit Peter Krogull (Pfarrer für Seelsorgefortbildung und -entwicklung des Evangelischen Kirchenkreises) die „Seelenwege – Quartiersseelsorge beim Spaziergang“.
Das Konzept ist denkbar einfach. Wer Gesprächsbedarf hat und wer sich zu einem Spaziergang verabreden will, der meldet sich im Stadtteilladen Flingern der Diakonie oder bei Peter Krogull. Innerhalb einer Woche gibt es dann einen Termin mit einem Ehrenamtler, der als Seelsorger ausgebildet ist. „Die besten Gespräche finden oft unterwegs statt. Man geht nebeneinander her, schaut in dieselbe Richtung, das verbindet und lässt der Fantasie freien Lauf“, so Krogull. „Dabei muss man nicht zwangsläufig über Gott sprechen. Jedes Gespräch entwickelt sich individuell. Es fällt nicht auf, dass beim Gehen Seelsorge im Sinne von psychosozialen Gesprächen erfolgt.“
Die Seelenwege sind corona-konform, die Gesprächsdauer wird nicht nach Kilometern gerechnet, „sondern es dauert eben so lange es dauert“, sagt der Pfarrer. Auch eine kleine Kaffee-Pause dürfen die Spaziergänger einplanen. Die Mercy Coffee Company an der Birkenstraße ist Projektpartner. Dort bekommen die Spazierenden auf ihrem Seelenweg einen kostenlosen Kaffee oder ein anderes Getränk zur Stärkung.
Die „Seelenwege“sind in Flingern das dritte niederschwellige Angebot, um mit Menschen in Kontakt zu kommen. „Wir haben die Pop-up-Seelsorge, bei der wir einen Tisch und Bänke auf die Straße stellen und sich jeder zum Reden dazusetzen kann. Und wir haben die Fensterberatung, bei der es in erster Linie darum geht, ganz konkrete Probleme mit Ämtern, Formularen, bei der Wohnungssuche und vieles mehr zu beseitigen“, so Jestaedt-Fischer. „Dabei haben wir gemerkt, dass es noch viel mehr Redebedarf gibt.“Und dafür sind jetzt die Seelenwege da.