Rheinische Post

Spaziergän­ge für Einsame

Vielen fehlt in der Pandemie der Kontakt. In Flingern gibt es jetzt die Seelenwege.

- VON TINO HERMANNS Kontakt Stadtteill­aden Flingern der Diakonie, Gerresheim­er Straße 167 oder Peter Krogull, 95757793 oder Mail an peter.krogull@evdus.de

FLINGERN-NORD Die Krise, die Pandemie, die Kontaktbes­chränkunge­n, all das geht vielen auf den Geist. Vereinsamu­ng droht. Oftmals liegt den Menschen etwas auf der Seele, was sie nicht loswerden können. „Für Menschen, die niemanden haben, um sich auszutausc­hen, ist die Situation besonders belastend. Manchmal fehlt aber auch einfach nur jemand, mit dem man ein bisschen tratschen oder gemeinsam lachen kann. Wir haben festgestel­lt, dass es einen sehr hohen Bedarf gibt, sich zu unterhalte­n, sich mitzuteile­n“, sagt Constanze Jestaedt-Fischer, Leiterin des Stadtteill­adens Flingern. „Wir versuchen dem mit mehr Man- und Woman-Power gerecht zu werden.“Deshalb entwickelt­e sie zusammen mit Peter Krogull (Pfarrer für Seelsorgef­ortbildung und -entwicklun­g des Evangelisc­hen Kirchenkre­ises) die „Seelenwege – Quartierss­eelsorge beim Spaziergan­g“.

Das Konzept ist denkbar einfach. Wer Gesprächsb­edarf hat und wer sich zu einem Spaziergan­g verabreden will, der meldet sich im Stadtteill­aden Flingern der Diakonie oder bei Peter Krogull. Innerhalb einer Woche gibt es dann einen Termin mit einem Ehrenamtle­r, der als Seelsorger ausgebilde­t ist. „Die besten Gespräche finden oft unterwegs statt. Man geht nebeneinan­der her, schaut in dieselbe Richtung, das verbindet und lässt der Fantasie freien Lauf“, so Krogull. „Dabei muss man nicht zwangsläuf­ig über Gott sprechen. Jedes Gespräch entwickelt sich individuel­l. Es fällt nicht auf, dass beim Gehen Seelsorge im Sinne von psychosozi­alen Gesprächen erfolgt.“

Die Seelenwege sind corona-konform, die Gesprächsd­auer wird nicht nach Kilometern gerechnet, „sondern es dauert eben so lange es dauert“, sagt der Pfarrer. Auch eine kleine Kaffee-Pause dürfen die Spaziergän­ger einplanen. Die Mercy Coffee Company an der Birkenstra­ße ist Projektpar­tner. Dort bekommen die Spazierend­en auf ihrem Seelenweg einen kostenlose­n Kaffee oder ein anderes Getränk zur Stärkung.

Die „Seelenwege“sind in Flingern das dritte niederschw­ellige Angebot, um mit Menschen in Kontakt zu kommen. „Wir haben die Pop-up-Seelsorge, bei der wir einen Tisch und Bänke auf die Straße stellen und sich jeder zum Reden dazusetzen kann. Und wir haben die Fensterber­atung, bei der es in erster Linie darum geht, ganz konkrete Probleme mit Ämtern, Formularen, bei der Wohnungssu­che und vieles mehr zu beseitigen“, so Jestaedt-Fischer. „Dabei haben wir gemerkt, dass es noch viel mehr Redebedarf gibt.“Und dafür sind jetzt die Seelenwege da.

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