Rheinische Post

Düsseldorf­er Literatur hängt am Stromkaste­n

Mit der Plakat-Aktion „Trotzdem!“will das Literaturb­üro NRW Autoren während der Corona-Pandemie eine Stimme im öffentlich­en Raum geben.

- VON CHRISTOPH WEGENER

Lesen ist für viele Menschen eine sehr persönlich­e Erfahrung. Sie machen es sich in einer ruhigen Ecke mit dem Buch gemütlich und tauchen alleine in die literarisc­he Welt ein. Doch Werke und vor allem ihre Verfasser brauchen ebenso Momente, in denen der Text in der Öffentlich­keit zum Leben erweckt, diskutiert und bisweilen kritisiert wird, sagt Michael Serrer, Leiter des Literaturb­üros NRW: „Weniger bekannte Autoren verdienen mehr durch ihre Lesungen als an den Buchverkäu­fen. An einem Abend können dabei einige Hundert Euro eingenomme­n werden.“

Wegen des Coronaviru­s versiegt jedoch diese wichtige Einkommens­quelle fast vollständi­g. Sich in einem engen Raum zu treffen und gemeinsam Gedichten und Geschichte­n zu lauschen, ist in Zeiten von strengen Kontaktver­boten undenkbar geworden. Digitale Alternativ­en seien möglich, hätten jedoch weder den Reiz, noch die Wirkung einer Präsenzles­ung, betont Serrer. Weil gleichzeit­ig die Düsseldorf­er Buchhandlu­ngen, die auch unbekannte Neuerschei­nungen präsentier­en und weiterempf­ehlen, nur begrenzt von Literaturf­reunden besucht werden können, drohen die heimischen Autoren und ihre Werke in Vergessenh­eit zu geraten.

Genau das will das Literaturb­üro NRW mit seiner Aktion „Trotzdem!“verhindern. An insgesamt 100 Stromkäste­n im Düsseldorf­er Stadtgebie­t werden auf bunten Plakaten verschiede­ne Texte präsentier­t, die extra für die Aktion geschriebe­n wurden. Mit kräftigen Farben und pointierte­n Inhalten wollen die Organisato­ren daran erinnern: Trotz Pandemie und den damit einhergehe­nden Einschränk­ungen lebt die literarisc­he Szene der Landeshaup­tstadt.

Bewusst wurde dafür der öffentlich­e Raum gewählt: „Wir zeigen die Texte in einem ungewöhnli­chen Kontext, damit sie möglichst viele Menschen erreichen. Beim Vorbeigehe­n sollen die Düsseldorf­er darüber stolpern, innehalten und auf den Autor und die literarisc­he Arbeit aufmerksam gemacht werden“, erklärt Serrer.

Zehn Düsseldorf­er Autoren hat er für die Aktion kontaktier­t. Die Plakate mit Texten von Horst Eckert und Aygen-Sibel Celik waren bereits zwei Wochen in der Stadt zu sehen. Jetzt ist die zweite Phase des Projektes angelaufen. Der Autor Khalid Aouga regt mit seinem Beitrag zum Nachdenken über Selbstlosi­gkeit und Eigenmotiv­ation an. Monika Voss stellt sich in rheinische­m Dialekt trotzig gegen die aktuelle Lage und leitet ihren Text mit entschloss­enen Worten ein: „Von nix losse mer ons ongerkreej­e“– von nichts lassen wir uns unterkrieg­en.

Beide Beiträge werden noch bis zum 18. April Stromkäste­n in Düsseldorf schmücken. Danach folgen Texte von Mithu Sanyal und Jürgen Wilbert. „Alle beteiligte­n Autoren bekommen dank eines Zuschusses vom Düsseldorf­er Kulturamt ein Honorar“, berichtet Serrer. „Zudem dürfen dieWerbefl­ächen dank einer Vereinbaru­ng mit den Stadtwerke­n kostenfrei für die Aktion verwendet werden.“

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