Schalke 04 und das Zweite-Liga-Problem
DÜSSELDORF Für Alexander Jobst war die Grenze des Erträglichen überschritten. Der bisherige Marketing-Vorstand von Schalke 04 wird bedroht und tritt deshalb zurück. Ein neuer Tiefpunkt in der an Negativschlagzeilen wahrlich nicht armen Saison des Bundesliga-Tabellenletzten. Das Verhalten der Jobst-Angreifer ist durch nichts zu entschuldigen. Und man mag sich gar nicht vorstellen, wie solche Hassattacken aussehen mögen, wenn Schalke in der Zweiten Liga für längere Zeit in der Unterklassigkeit versinken würde.
Dass der sofortige Wiederaufstieg funktioniert, ist wohl fraglicher denn je. Zu angespannt ist die finanzielle Situation auf Schalke, das jüngst einen Verlust von 53 MIllionen Euro für das Geschäftsjahr 2020 ausgewiesen hat. Kein einmaliger Betriebsunfall. „Schalke wird auch in diesem Jahr rote Zahlen schreiben“, sagt Günter Vornholz, Professor für Immobilienökonomie an der EZB Business School in Bochum und – was hier viel wichtiger ist – Kenner der Schalker Szene.
Königsblau muss in diesem Jahr eine Anleihe an die Gläubiger zurückzahlen, die die vor Jahren gekauft hatten. Knapp 16 Millionen Euro werden dafür fällig, und um die zu bezahlen, hat Schalke einfach eine neue Anleihe aufgelegt. Noch mal 16 Millionen Euro. Mit anderen Worten: Schalke finanziert die Schuldentilgung mit neuen Schulden, die später fällig werden. Der Berg an Verbindlichkeiten wird also keinen Deut kleiner. Im Gegenteil: Er ist mittlerweile auf 217 Millionen Euro gewachsen. „Schalke hat auch neue Kredite über 35 Millionen Euro aufgenommen“, „so Vornholz. Der Verein müsse pro Jahr sieben Millionen Euro Zinsen zahlen.
Allein das tut einem Klub weh, dessen Einnahmen binnen eines Jahres um 100 Millionen auf 175 Millionen Euro eingebrochen sind. Natürlich hat das viel mit Corona zu tun, mit Spielen, die ohne Zuschauer stattfinden mussten und müssen, mit fehlenden Einnahmen beispielsweise aus dem Merchandising, die ohne Pandemie reichlicher geflossen wären.
Aber der Verweis hilft natürlich nicht kurz vor dem kaum noch abwendbaren Abstieg in die Zweite Liga. Denn dort werden die Einnahmen ebenfalls spärlicher ausfallen. Selbst wenn Schalke seine Fans mit den sportlichen Darbietungen der zurückliegenden 15 Monate nicht komplett vergrault hat und die Zuschauer reichlich ins Stadion kommen wollten – wann wird das wieder gehen? Und: Allein die Fernsehgelder fallen deutlich kleiner aus. Plastisches Beispiel: Laut der neuen Vermarktungsregelung können alle Bundesligisten in der kommenden Saison aus den Fernseh-Einnahmen knapp 25 Millionen Euro fest einplanen, Zweitligisten nur knapp sieben Millionen Euro. Dazu kommt unter anderem eine Komponente, die sich nach der Leistung der vergangenen fünf Jahre richtet und die die zu Ende gehende Saison am stärksten gewichtet. Auch da geht vieles verloren. Außerdem: „Auch Sponsorenverträge sind gestaffelt, da wird auch weniger Geld fließen“, sagt Vornholz: „Da sind die Marketing-Leute knallhart.“
Schalkes tiefste sportliche Krise der Vereinsgeschichte kommt wegen Corona und der Umverteilung von Geldern zur denkbar ungünstigsten Zeit. Was bleibt? Sparen, sparen, sparen. Finanzvorständin Christina Rühl-Hamers umschrieb das Problem jüngst mit der Formulierung, Schalke habe ein Ausgabenproblem. Also wird auch teures Personal verkauft werden müssen. Damit gerät aber, wenn nicht mit jungen, preiswerten und hungrigen Spielern eine Überraschung gelingt, das Ziel eines schnellen Wiederaufstiegs in Gefahr. „Spitzenkader der zweiten Etage im Profifußball verschlingen auch schon leicht 30 Millionen Euro“, sagt ein Kenner der Szene. Ob sich das Schalke leisten kann, ist zu bezweifeln. Weil aber die rasche Rückkehr ins Oberhaus für die Schalker Seele und das Selbstverständnis unerlässlich ist, steckt der Verein im Dilemma. Denn mit jedem Jahr ohne Bundesliga droht er noch tiefer in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden.
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Nachholspiel vom 25. Spieltag 28. Spieltag