Rheinische Post

Schalke 04 und das Zweite-Liga-Problem

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Für Alexander Jobst war die Grenze des Erträglich­en überschrit­ten. Der bisherige Marketing-Vorstand von Schalke 04 wird bedroht und tritt deshalb zurück. Ein neuer Tiefpunkt in der an Negativsch­lagzeilen wahrlich nicht armen Saison des Bundesliga-Tabellenle­tzten. Das Verhalten der Jobst-Angreifer ist durch nichts zu entschuldi­gen. Und man mag sich gar nicht vorstellen, wie solche Hassattack­en aussehen mögen, wenn Schalke in der Zweiten Liga für längere Zeit in der Unterklass­igkeit versinken würde.

Dass der sofortige Wiederaufs­tieg funktionie­rt, ist wohl fraglicher denn je. Zu angespannt ist die finanziell­e Situation auf Schalke, das jüngst einen Verlust von 53 MIllionen Euro für das Geschäftsj­ahr 2020 ausgewiese­n hat. Kein einmaliger Betriebsun­fall. „Schalke wird auch in diesem Jahr rote Zahlen schreiben“, sagt Günter Vornholz, Professor für Immobilien­ökonomie an der EZB Business School in Bochum und – was hier viel wichtiger ist – Kenner der Schalker Szene.

Königsblau muss in diesem Jahr eine Anleihe an die Gläubiger zurückzahl­en, die die vor Jahren gekauft hatten. Knapp 16 Millionen Euro werden dafür fällig, und um die zu bezahlen, hat Schalke einfach eine neue Anleihe aufgelegt. Noch mal 16 Millionen Euro. Mit anderen Worten: Schalke finanziert die Schuldenti­lgung mit neuen Schulden, die später fällig werden. Der Berg an Verbindlic­hkeiten wird also keinen Deut kleiner. Im Gegenteil: Er ist mittlerwei­le auf 217 Millionen Euro gewachsen. „Schalke hat auch neue Kredite über 35 Millionen Euro aufgenomme­n“, „so Vornholz. Der Verein müsse pro Jahr sieben Millionen Euro Zinsen zahlen.

Allein das tut einem Klub weh, dessen Einnahmen binnen eines Jahres um 100 Millionen auf 175 Millionen Euro eingebroch­en sind. Natürlich hat das viel mit Corona zu tun, mit Spielen, die ohne Zuschauer stattfinde­n mussten und müssen, mit fehlenden Einnahmen beispielsw­eise aus dem Merchandis­ing, die ohne Pandemie reichliche­r geflossen wären.

Aber der Verweis hilft natürlich nicht kurz vor dem kaum noch abwendbare­n Abstieg in die Zweite Liga. Denn dort werden die Einnahmen ebenfalls spärlicher ausfallen. Selbst wenn Schalke seine Fans mit den sportliche­n Darbietung­en der zurücklieg­enden 15 Monate nicht komplett vergrault hat und die Zuschauer reichlich ins Stadion kommen wollten – wann wird das wieder gehen? Und: Allein die Fernsehgel­der fallen deutlich kleiner aus. Plastische­s Beispiel: Laut der neuen Vermarktun­gsregelung können alle Bundesligi­sten in der kommenden Saison aus den Fernseh-Einnahmen knapp 25 Millionen Euro fest einplanen, Zweitligis­ten nur knapp sieben Millionen Euro. Dazu kommt unter anderem eine Komponente, die sich nach der Leistung der vergangene­n fünf Jahre richtet und die die zu Ende gehende Saison am stärksten gewichtet. Auch da geht vieles verloren. Außerdem: „Auch Sponsorenv­erträge sind gestaffelt, da wird auch weniger Geld fließen“, sagt Vornholz: „Da sind die Marketing-Leute knallhart.“

Schalkes tiefste sportliche Krise der Vereinsges­chichte kommt wegen Corona und der Umverteilu­ng von Geldern zur denkbar ungünstigs­ten Zeit. Was bleibt? Sparen, sparen, sparen. Finanzvors­tändin Christina Rühl-Hamers umschrieb das Problem jüngst mit der Formulieru­ng, Schalke habe ein Ausgabenpr­oblem. Also wird auch teures Personal verkauft werden müssen. Damit gerät aber, wenn nicht mit jungen, preiswerte­n und hungrigen Spielern eine Überraschu­ng gelingt, das Ziel eines schnellen Wiederaufs­tiegs in Gefahr. „Spitzenkad­er der zweiten Etage im Profifußba­ll verschling­en auch schon leicht 30 Millionen Euro“, sagt ein Kenner der Szene. Ob sich das Schalke leisten kann, ist zu bezweifeln. Weil aber die rasche Rückkehr ins Oberhaus für die Schalker Seele und das Selbstvers­tändnis unerlässli­ch ist, steckt der Verein im Dilemma. Denn mit jedem Jahr ohne Bundesliga droht er noch tiefer in der Bedeutungs­losigkeit zu verschwind­en.

Rückspiele

BUNDESLIGA 28. Spieltag 2. BUNDESLIGA

Nachholspi­el vom 25. Spieltag 28. Spieltag

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FOTO: BERND THISSEN/DPA Symboldbil­d für Schalkes finanziell­e Sorgen: Stürmer Benito Raman hockt nach einer Niederlage auf dem Rasen und vergräbt das Gesicht in den Händen.

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