Distanzschule verunsichert Eltern und Kinder
Mit Unverständnis reagieren viele Lehrer und Familien auf die Landesentscheidung. Massive Kritik gibt es an der Teststrategie.
DÜSSELDORF Die Entscheidung des Landes, den Großteil der Schüler in der kommendenWoche ausschließlich auf Distanz zu unterrichten, trifft in den Schulgemeinden überwiegend auf Unverständnis. Nicht mehr einholbare Lerndefizite im Homeschooling, Betreuungsprobleme und die emotionalen Folgen bei erneut wegbrechenden sozialen Kontakten zählen zu den größten Sorgen.
Wenig Verständnis gibt es auch dafür, dass fehlende oder zu spät ausgelieferte Tests beim Aussetzen der zuletzt erfolgreich umgesetzten Wechselmodelle womöglich eine Rolle gespielt haben. Die Teil-Öffnung der Schulen nach den Osterferien hatte die Landesregierung an Pflichttests gekoppelt, die ab Montag zwei Mal pro Woche vor Ort erfolgen sollten. „Bis Freitagmittag waren diese Tests noch nicht geliefert“, sagt Michael Biallas. Der Vize-Leiter der Dieter-Forte-Gesamtschule hält es für wahrscheinlich, dass Probleme mit den Selbsttests mit verantwortlich für die Entscheidung von Schulministerin Yvonne Gebauer sind.„Wenn es hier wirklich um die dritte Corona-Welle und das Infektionsgeschehen ginge, macht doch eine Teil-Schließung für nur eine Woche keinen Sinn“, sagt der 65-Jährige. Zumal es an seiner Schule beim ersten Durchlauf mit Selbsttests vor den Ferien bei 700 Schülern nur zwei Verdachtsfälle gegeben habe.
Fassungslos ist Susanne Dohn. „Wir haben damit nicht gerechnet.
Bildung und Familie kommen hinter allem – hinter dem Einzelhandel, der schicken Frisur und dem Mallorca-Urlaub“, sagt die 39-Jährige. Für den heutigen Samstag hat sie zwar einen „Click & Meet“-Termin in einem großen Düsseldorfer Möbelhaus und für den Dienstag einen Friseurtermin ergattert, aber ihren Sohn Dominick (10) muss sie nun von Montag an wieder ausschließlich am heimischen Esstisch unterrichten. „Und das obwohl Grundschullehrer alle geimpft sind, im Gegensatz zu den meisten Möbelverkäufern und Friseuren“, sagt sie.
Eigentlich hätte Dohn, die in der chemischen Forschung arbeitet, in der kommenden Woche drei Tage an ihrem Arbeitsplatz im Labor sein müssen. Nun wechselt sie wohl ins Homeoffice – vorausgesetzt ihr Arbeitgeber ist einmal mehr damit einverstanden. Ein Kompromiss, der ihr nach 13 Monaten Kopfzerbrechen bereitet. „Ich kann zu Hause längst nicht alles machen, was ich im Labor tun könnte“, sagt sie. Bislang traf sie auf Verständnis. „Aber wer Kinder hat und etwa einen neuen Job sucht, muss doch inzwischen damit rechnen, dass er bei potenziellen Arbeitgebern durch den Rost fällt“, glaubt die Urdenbacherin. Denn wer wolle schon Mitarbeiter, die die Politik mit ihren Entscheidungen dazu zwinge,„Krankentage zu nehmen oder immer wieder zwischen Homeoffice und Homeschooling improvisieren zu müssen“.
„Völlig überrascht“war auch Heide Steinke von der Ansage aus dem Schulministerium. Seit Februar hatte die Leiterin der Grundschule an der Kronprinzenstraße ihre rund 330 Jungen und Mädchen im Wechselmodell unterrichtet. „Hätten wir bei rechtzeitiger Anlieferung der Selbsttests alles mit ein paar TagenVorlauf gut vorbereiten können, könnte ich die Fortsetzung des Unterrichts in halbierten Klassen, in denen alle Masken tragen und oft gelüftet wird, sehr gut verantworten“, sagt die Pädagogin. Doch nun muss sie mit Blick auf den reinen Distanzunterricht wieder auf Pläne aus der Zeit der Jahreswende zurückgreifen. Und zudem eine Notbetreuung einrichten. Steinke rechnet mit etwa 70 Kindern, die das in Anspruch nehmen werden. „Insofern ist es nicht ganz richtig, von einer Schließung der Schulen zu sprechen“, sagt sie.
Mehrere Stunden konferierte am Freitag Ralf Schreiber, Leiter des Goethe-Gymnasiums mit seinem Kollegium, um eine Strategie für die kommende Woche festzuzurren. „Wir werden die Abiturienten zumindest in ihren Abi-Fächern für die letzten neun Tage, die sie noch täglich kommen, in Präsenz unterrichten“, sagt Schreiber. Angesichts der Mutanten und der Dynamik der Pandemie hätte er es gut gefunden, „schon vor Ostern auf das Wechselmodell zu verzichten“. Dass die meisten Eltern das anders sehen, weiß der Schulleiter. „Die Ansage vom Donnerstag sorgt für großeVerunsicherung und wird überwiegend negativ konnotiert.“