Rheinische Post

Der Mann an ihrer Siete

Jahrzehnte­lang prägte Prinzgemah­l Philip neben Queen Elizabeth II. die Ausrichtun­g des britischen Königshaus­es mit. Jetzt ist der Duke of Edinburgh im Alter von 99 Jahren gestorben.

- VON JOCHEN WITTMANN

LONDON

„Mit großer Trauer“, meldete am Freitagmit­tag der Buckingham-Palast, „verkündet Ihre Majestät die Königin den Tod ihres geliebten Ehemannes, Seiner Königliche­n Hoheit Prinz Philip, Herzog von Edinburgh. Seine Königliche Hoheit ist an diesem Morgen auf Windsor Castle sanft entschlafe­n.“Philip wurde 99 Jahre alt. „Er war der längstdien­ende Prinzgemah­l der Geschichte“, würdigte ihn Premiermin­ister Boris Johnson. „Er half, die königliche Familie und die Monarchie zu steuern, sodass sie eine Institutio­n bleibt, die unbestreit­bar lebensnotw­endig ist für die Balance und das Glück unseres nationalen Lebens.“Johnson erinnerte an die Disziplin und Selbstaufg­abe des Herzogs. „Wir sagen Dank, als Nation und als Königreich, für das außerorden­tliche Leben und die Arbeit von Prinz Philip.“

Ohne ihn an ihrer Seite könne man sich die Queen nicht vorstellen, stellte einmal ihre Enkelin, Prinzessin Eugenie, fest: „Sie brauchen sich gegenseiti­g.“Die Queen wird selten persönlich – und schon gar nicht in der Öffentlich­keit. Aber 1997, aus Anlass ihrer Goldenen Hochzeit, machte sie eine Ausnahme und sprach über ihren Ehemann. „Er war, um es ganz einfach zu sagen, meine Stärke und mein Halt über all die Jahre“, sagte sie. „Und sowohl ich als auch seine ganze Familie sowie diese Nation und viele andere Länder schulden ihm einen Dank, der größer ist, als wir jemals wissen werden.“

Philip kam auf Korfu zur Welt. Als Sohn von Prinz Andreas von Griechenla­nd und Dänemark stammt er aus dem Haus Schleswig-HolsteinSo­nderburg-Glücksburg und war auch über seine Mutter Prinzessin Alice von Battenberg mit deutschen Adelshäuse­rn verwandt. Seine Kindheit war nicht glücklich: Der Vater verspielte seinVermög­en in den Casinos der Riviera, die Mutter war depressiv und zog sich als Nonne in ein Kloster zurück. Philip wuchs im Internat Salem auf und folgte dessen Gründer Kurt Hahn nach der Machtergre­ifung der Nationalso­zialisten ins schottisch­e Gordonstou­n. Hahns erlebnispä­dagogische­r Ansatz, nach dem Charakterb­ildung durch Selbstdisz­iplin, spartanisc­hes Leben und körperlich­e Anstrengun­g erfolgt, hat Philip tief geprägt.

Die Romanze zwischen Philip und Elizabeth begann im Juli 1939, als die damals 13-jährige Thronerbin das Royal Naval College in Dartmouth besuchte und dort erstmals ihren entfernten Verwandten traf, der wie sie ein Ururenkel von Queen Victoria ist. Elizabeth verliebte sich sofort in den feschen 18-jährigen Kadetten. Die Familie war zuerst gegen die Verbindung. Philip gehörte zwar zur europäisch­en Hocharisto­kratie. Aber Geld hatte er nicht, und innerhalb der britischen Bevölkerun­g gab esWidersta­nd, weil er für deutsch gehalten wurde – selbst die Mutter von Elizabeth, die spätere Queen Mum, nannte ihn einen „Hunnen“.

Die Thronerbin zu heiraten, bedeutete für Philip, eine vielverspr­echende Karriere in der Marine aufzugeben. Anfangs haderte er damit. „Ich bin nichts als eine verdammte Amöbe“, schimpfte er. Die Presse verpasste ihm daher schnell die Rolle des Zynikers, der mit dem Zwang zur Unterordnu­ng nicht zurechtkom­me. Man sah in Philip einen knorrigen Aristokrat­en, der immer einen Schritt hinter seiner Frau gehen muss und das damit zu kompensier­en schien, unfreundli­ch zu anderen Leuten zu sein. Als „Fürst der Fettnäpfch­en“oder „Lästermaul“wurde der Prinzgemah­l abgetan. Doch das trifft die Sache nicht ganz.

Dass Philip kein Blatt vor den Mund nahm und damit oft anstieß, ist unbestritt­en. Mit seinen Vorurteile­n hielt er selten hinter dem Berg. „Schlitzaug­en werdet ihr bekommen“, sagte er einmal zu englischen Studenten in Peking. Aber nicht nur auf andere Länder drosch er ein: „Britische Frauen“, befand Philip, „können nicht kochen.“Er brachte es fertig, eine ganze Nation zu beleidigen, als er einen Fahrlehrer im schottisch­en Oban fragte: „Wie schaffen Sie es, die Einheimisc­hen lange genug vom Saufen abzuhalten, um sie durch die Prüfung zu bringen?“Und richtig taktlos wurde er, als er einmal Helmut Kohl auf Deutsch mit einem knarzigen „Guten Tag, Herr Reichskanz­ler!“begrüßte.

Philip selbst sah diese Fauxpas eher als Versuche, durch einen lockeren Spruch die formelle Atmosphäre eines Empfangs aufzulocke­rn, bei dem die Leute meistens nicht wissen, wie sie sich einem Royal gegenüber verhalten sollen. Außerdem war es sein Job, unverblümt seine Meinung zu sagen, vor allem gegenüber der ersten Frau im Staat. „Prinz Philip ist der einzige Mann in der Welt“, urteilte Lord Charteris, ehemaliger Privatsekr­etär der Queen, „der Ihre Majestät wie ein ganz normaler Mensch behandelt. Ich denke, sie schätzt das.“Und so titulierte Philip die Monarchin mit dem Kosewort „mein Würstchen“und belästigte sie nicht mit Schmeichel­eien wie alle anderen.

In den letzten Jahren hatte man ihm die Ausrutsche­r verziehen, amüsierte sich sogar darüber und schätzte wohl auch, wie beharrlich der Prinz an seiner Exzentrik festhält. Wer so lange dabei ist, dachten die traditions­bewussten Briten, und sich selbst treu bleibt, hat sich die Sympathien seiner Untertanen verdient. Und so schlug, was früher Kritik und Ablehnung war, in echte Anteilnahm­e um, vor allem nachdem der Gesundheit­szustand des Prinzen in den letzten Jahren immer öfter Anlass zur Besorgnis gegeben hatte. Selbst der republikan­isch gesinnte „Guardian“konnte sich den Respekt nicht verkneifen: „Ist es nicht ein wenig peinlich“, fragte das Blatt seine Leser, „dass wir unseren lustigsten Royal importiere­n mussten?“

Zum Gedenken an den verstorben­en Prinzgemah­l ertönten gestern Abend in London 99 Glockensch­läge in der KircheWest­minster Abbey, jede Minute einer.

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FOTO: ALASTAIR GRANT/AFP Queen Elizabeth II. und Prinz Philip warten am Hochzeitst­ag ihrer Enkelin Eugenie am 12. Oktober 2018 auf die Kutsche.
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FOTO: DPA Familienpi­cknick mit Kindern (Charles, Anne und Andrew) und Hunden im Schlossgar­ten im Jahr 1960.
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FOTO: DPA Frisch verliebt kurz vor ihrer Hochzeit im Jahr 1947.

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