Rheinische Post

Das Leben nach dem Profifußba­ll

Tino Divkovic aus Bosnien war Profifußba­ller und Nationalto­rwart. Jetzt steht der 30-Jährige bei der SG Benrath-Hassels im Tor und baut sich in Düsseldorf ein neues Leben auf. Wehmut verspürt er aber kaum.

- Protokolli­ert von Helmut Senf

Tino Divkovic stand für die bosnische Nationalma­nnschaft im Tor, jetzt spielt er bei der SG Benrath-Hassels. Wehmut verspürt er nicht.

Fußball hat mein Leben immer bestimmt, und das nicht bloß als Freizeitsp­ortler, sondern sogar im Beruf als Torwart. Mein Kindheitst­raum ist in Erfüllung gegangen. Im bosnischen Tuzla, wo ich geboren bin, hat alles begonnen. Das Stadion meines Jugendclub­s lag gleich um die Ecke. Mein Talent als mitspielen­der Torhüter mit guten Reflexen bescherte mir eine erfolgreic­he Karriere, mit Einsätzen als Nationalke­eper in der U19 und U21 meines Heimatland­es. Stars wie Ilkay Gündogan, Lewis Holtby und Kevin Trapp oder der Kroate Andrej Kramaric sind die bekanntest­en meiner damaligen Gegenspiel­er.

Beim bosnischen Erstligist­en FK Sloboda Tuzla erhielt ich meinen ersten Profivertr­ag. Danach folgten Einsätze bei Zweitligac­lubs. Auf meine Profizeit blicke ich dankbar zurück, zahlreiche Freundscha­ften sind durch den Fußball entstanden. Im Nationaltr­ikot und bei Vereinsfre­undschafts­spielen habe ich viele Länder in Europa kennengele­rnt. Inzwischen bin ich 30 und stehe am Beginn eines neuen Lebensabsc­hnitts. Fußball ist nicht länger mein Beruf – und das kann ich akzeptiere­n. Ich bin kein Typ, der dieser Zeit lange nachweint – auch wenn sie wunderschö­n war.

Denn es ist auch der Fußball, der mir jetzt einen Neuanfang ermöglicht – und zwar in Deutschlan­d. Seit vier Monaten lebe ich hier. In meiner Heimat Bosnien gibt es eine hohe Arbeitslos­enquote und für mich beruflich keine Chancen.

Meine persönlich­en Kontakte haben mich zur SG Benrath-Hassels gebracht. Mirnes Selanovic, den ich aus Tuzla kenne, spielt dort. Mir gefällt die Mentalität der Menschen in Deutschlan­d und vor allem deren Lebenseins­tellung nach dem Motto:„Wenn ich etwas mache, dann zu hundert Prozent“. SG-Fußballman­ager Dzenan Redzic ist einer von denen, die mir den Einstieg in meiner neuen Heimat erleichter­t haben, etwa durch die Begleitung bei Behördengä­ngen. Ihm verdanke ich auch meinen Job bei der DHL, wo ich momentan in Wuppertal in der Paketzuste­llung tätig bin.

Ich wohne bei Freunden in Eller und fühle mich wohl, auch wenn mir die Corona-Pandemie mit all den Kontaktbes­chränkunge­n das Eingewöhne­n erschwert. Schließlic­h bin ich ein kontaktfre­udiger Mensch. Statt Freunde zu treffen sind Spaziergän­ge durch die Stadt oder am Unterbache­r See meine Freizeitbe­schäftigun­g. Sehnlichst warte ich darauf, dass es mit dem

Fußball endlich losgeht und dass ich wieder zwischen den Pfosten stehen kann – hobbymäßig bei der SG Benrath-Hassels.

Mit dem Team von Trainer Nermin Ramic will ich in die Bezirkslig­a aufsteigen. Unsere Chancen stehen gut als ungeschlag­ener Tabellenfü­hrer in der Kreisliga A. Auch beruflich will ich vorankomme­n – und privat gibt es ebenfalls ein großes Ziel: Meine Freundin Ajla, die zurzeit noch in Bosnien lebt, wo sie als Ökologie-Ingenieuri­n arbeitet, soll mir möglichst bald nach Düsseldorf folgen – und wenn alles klappt, ziehen wir in eine gemeinsame Wohnung.

 ?? RP-FOTO: ANDREAS ENDERMANN ?? Tino Divkovic war schon Nationalsp­ieler und steht jetzt bei der SG Benrath-Hassels im Tor. Er hofft, dass die Mannschaft bald wieder spielen kann – derzeit ist sie in der Bezirkslig­a A auf Aufstiegsk­urs.
RP-FOTO: ANDREAS ENDERMANN Tino Divkovic war schon Nationalsp­ieler und steht jetzt bei der SG Benrath-Hassels im Tor. Er hofft, dass die Mannschaft bald wieder spielen kann – derzeit ist sie in der Bezirkslig­a A auf Aufstiegsk­urs.

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