Was von den umstrittenen Vektor-Impfstoffen zu halten ist.
Nach der Gabe der Vakzine von Astrazeneca und Johnson & Johnson ist es in seltenen Fällen zu Thrombosen gekommen. Beide Mittel nutzen dieselbe Technik. Doch eine Aussetzung dieser Impfungen wäre ein Problem.
DÜSSELDORF Schon in dieserWoche sollten in der EU die ersten Dosen von Johnson & Johnson (J & J) verimpft werden. Doch nach Thrombosefällen haben die US-Behörden die Gabe ausgesetzt, der Konzern bremst die Auslieferung nach Europa. Das hat Folgen für die deutsche Impfkampagne, auch weil J & J der zweite Hersteller eines Vektorimpfstoffs ist, der für Schlagzeilen sorgt.
Wie funktioniert ein Vektorimpfstoff? Die Vakzine von J & J und Astrazeneca, aber auch der russische Sputnik V nutzen dieses Prinzip. Mit Hilfe eines harmlosen Virus (wie dem Erkältungsvirus) wird ein größerer Schnipsel Erbsubstanz des Coronavirus in den menschlichen Körper geschleust. Dieser produziert dann das Spike-Protein, das dem Coronavirus das stachelige Aussehen verleiht. Das setzt die erwünschte Immunantwort in Gang: die Bildung von Antikörpern und anderen Zellen der Immunantwort (T-Zellen). Das Erkältungsvirus ist der Vektor, der den Erbgut-Schnipsel in den Körper transportiert. Bei mRNA-Impfstoffen wie jenen von Biontech/Pfizer und Moderna wird dagegen direkt der Botenstoff (mRNA) mit dem Bauplan des Spike-Proteins injiziert, er ist nur von einer Lipidnanopartikel-Hülle geschützt.
Thrombosen sind nur nach Impfungen mit Vektorimpfstoffen bekannt. Woran könnte das liegen? Die Impfung führt offenbar in seltenen Fällen zur Bildung von Autoimmun-Antikörpern, die Blutplättchen verklumpen undVerstopfungen der Hirnvenen auslösen können. Damit einhergehen kann ein Schwund der Blutplättchen (Thrombozyten). Mediziner nennen dies eine „vakzineinduzierte prothrombotische Immunthrombozytopenie“(VIPIT). Hierzu forscht auch Andreas Greinacher von der Universität Greifswald. Die Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung stuft die Ergebnisse von Greinachers Team als „überzeugend“ein. Die Tatsache, dass bisher nur Vektorimpfstoffe diese Nebenwirkungen verursachen, deutet darauf hin, dass derVektor für dieVerklumpung der Blutplättchen verantwortlich ist.
Könnte auch das Spike-Protein die Thrombosen auslösen? Eher nicht. Denn wäre dies der Fall, müsste die Nebenwirkung auch bei den mRNA-Impfstoffen auftreten. Bisher ist dies aber nicht dokumentiert.
Wie wichtig ist Johnson & Johnson? Die Verzögerung der Auslieferung ist kurzfristig kein großes Problem. An die Bundesländer sollten im April gerade mal 233.000 Dosen ausgeliefert werden, wie aus einer Übersicht des Bundesgesundheitsministeriums hervorgeht. Doch mittelfristig soll der Stoff eine große Rolle spielen: Denn er ist monatelang im Kühlschrank haltbar und kommt mit nur einer Dosis aus. Damit ist er für die Impfung in Arztpraxen und Betrieben ideal. Entsprechend viel wurde bestellt: Die EU hat bis Ende Juni 55 Millionen Dosen von J & J geordert, davon sollen zehn Millionen nach Deutschland gehen.
Was sagen Hausärzte? „So unbestritten der verzögerte Marktstart von Johnson & Johnson ist, so klar ist auch: Sicherheit, Transparenz und Aufklärung sind unerlässlich“, sagte der Chef des Deutschen Hausärzteverbands, Ulrich Weigeldt. Umso mehr komme es nun darauf an, dass der Impfstoff endlich in den Praxen ankomme. „Es ist skandalös, dass Millionen schutzbringende Impfdosen in den Kühlschränken der kostenintensiven Impfzentren ungenutzt lagern oder nicht vollständig genutzt werden, während die Infektionszahlen rasant steigen.“
Wie geht es jetzt weiter? Die Europäische Arzneiagentur Ema will ihre Entscheidung zu J & J nächste Woche verkünden. Zugleich betonte sie, dass auch bei diesem Vakzin die Vorteile die Risiken überwiegen. In den USA wurden bereits 6,8 Millionen Menschen mit dem Mittel von J & J geimpft, bei sechs Frauen im Alter zwischen 18 und 48 kam es zu Thrombosen. Experten halten es aber für möglich, dass in Deutschland die Ständige Impfkommission wie bei Astrazeneca eine Beschränkung einführt und nur die Verimpfung an über 60-Jährige empfiehlt.