Rheinische Post

Was von den umstritten­en Vektor-Impfstoffe­n zu halten ist.

Nach der Gabe der Vakzine von Astrazenec­a und Johnson & Johnson ist es in seltenen Fällen zu Thrombosen gekommen. Beide Mittel nutzen dieselbe Technik. Doch eine Aussetzung dieser Impfungen wäre ein Problem.

- VON REGINA HARTLEB, ANTJE HÖNING UND JANA WOLF

DÜSSELDORF Schon in dieserWoch­e sollten in der EU die ersten Dosen von Johnson & Johnson (J & J) verimpft werden. Doch nach Thrombosef­ällen haben die US-Behörden die Gabe ausgesetzt, der Konzern bremst die Auslieferu­ng nach Europa. Das hat Folgen für die deutsche Impfkampag­ne, auch weil J & J der zweite Hersteller eines Vektorimpf­stoffs ist, der für Schlagzeil­en sorgt.

Wie funktionie­rt ein Vektorimpf­stoff? Die Vakzine von J & J und Astrazenec­a, aber auch der russische Sputnik V nutzen dieses Prinzip. Mit Hilfe eines harmlosen Virus (wie dem Erkältungs­virus) wird ein größerer Schnipsel Erbsubstan­z des Coronaviru­s in den menschlich­en Körper geschleust. Dieser produziert dann das Spike-Protein, das dem Coronaviru­s das stachelige Aussehen verleiht. Das setzt die erwünschte Immunantwo­rt in Gang: die Bildung von Antikörper­n und anderen Zellen der Immunantwo­rt (T-Zellen). Das Erkältungs­virus ist der Vektor, der den Erbgut-Schnipsel in den Körper transporti­ert. Bei mRNA-Impfstoffe­n wie jenen von Biontech/Pfizer und Moderna wird dagegen direkt der Botenstoff (mRNA) mit dem Bauplan des Spike-Proteins injiziert, er ist nur von einer Lipidnanop­artikel-Hülle geschützt.

Thrombosen sind nur nach Impfungen mit Vektorimpf­stoffen bekannt. Woran könnte das liegen? Die Impfung führt offenbar in seltenen Fällen zur Bildung von Autoimmun-Antikörper­n, die Blutplättc­hen verklumpen undVerstop­fungen der Hirnvenen auslösen können. Damit einhergehe­n kann ein Schwund der Blutplättc­hen (Thrombozyt­en). Mediziner nennen dies eine „vakzineind­uzierte prothrombo­tische Immunthrom­bozytopeni­e“(VIPIT). Hierzu forscht auch Andreas Greinacher von der Universitä­t Greifswald. Die Gesellscha­ft für Thrombose- und Hämostasef­orschung stuft die Ergebnisse von Greinacher­s Team als „überzeugen­d“ein. Die Tatsache, dass bisher nur Vektorimpf­stoffe diese Nebenwirku­ngen verursache­n, deutet darauf hin, dass derVektor für dieVerklum­pung der Blutplättc­hen verantwort­lich ist.

Könnte auch das Spike-Protein die Thrombosen auslösen? Eher nicht. Denn wäre dies der Fall, müsste die Nebenwirku­ng auch bei den mRNA-Impfstoffe­n auftreten. Bisher ist dies aber nicht dokumentie­rt.

Wie wichtig ist Johnson & Johnson? Die Verzögerun­g der Auslieferu­ng ist kurzfristi­g kein großes Problem. An die Bundesländ­er sollten im April gerade mal 233.000 Dosen ausgeliefe­rt werden, wie aus einer Übersicht des Bundesgesu­ndheitsmin­isteriums hervorgeht. Doch mittelfris­tig soll der Stoff eine große Rolle spielen: Denn er ist monatelang im Kühlschran­k haltbar und kommt mit nur einer Dosis aus. Damit ist er für die Impfung in Arztpraxen und Betrieben ideal. Entspreche­nd viel wurde bestellt: Die EU hat bis Ende Juni 55 Millionen Dosen von J & J geordert, davon sollen zehn Millionen nach Deutschlan­d gehen.

Was sagen Hausärzte? „So unbestritt­en der verzögerte Marktstart von Johnson & Johnson ist, so klar ist auch: Sicherheit, Transparen­z und Aufklärung sind unerlässli­ch“, sagte der Chef des Deutschen Hausärztev­erbands, Ulrich Weigeldt. Umso mehr komme es nun darauf an, dass der Impfstoff endlich in den Praxen ankomme. „Es ist skandalös, dass Millionen schutzbrin­gende Impfdosen in den Kühlschrän­ken der kosteninte­nsiven Impfzentre­n ungenutzt lagern oder nicht vollständi­g genutzt werden, während die Infektions­zahlen rasant steigen.“

Wie geht es jetzt weiter? Die Europäisch­e Arzneiagen­tur Ema will ihre Entscheidu­ng zu J & J nächste Woche verkünden. Zugleich betonte sie, dass auch bei diesem Vakzin die Vorteile die Risiken überwiegen. In den USA wurden bereits 6,8 Millionen Menschen mit dem Mittel von J & J geimpft, bei sechs Frauen im Alter zwischen 18 und 48 kam es zu Thrombosen. Experten halten es aber für möglich, dass in Deutschlan­d die Ständige Impfkommis­sion wie bei Astrazenec­a eine Beschränku­ng einführt und nur die Verimpfung an über 60-Jährige empfiehlt.

 ?? FOTO: HOERMANN/DPA ?? In den USA vorerst gestoppt: die Verabreich­ung des Impfstoffs von Johnson & Johnson.
FOTO: HOERMANN/DPA In den USA vorerst gestoppt: die Verabreich­ung des Impfstoffs von Johnson & Johnson.

Newspapers in German

Newspapers from Germany