Rheinische Post

Massentest­s für 28.000 Kita-Kinder

Nase bohren oder spucken: Die freiwillig­en Selbsttest­s werfen bei Eltern und Erziehern zahlreiche Fragen auf. Zu viele falsche Befunde könnten das Vertrauen untergrabe­n.

- VON JÖRG JANSSEN RP-FOTO: ANDREAS ENDERMANN

Die freiwillig­en Selbsttest­s werfen bei Eltern und Erziehern Fragen auf. Zu viele falsche Befunde könnten das Vertrauen untergrabe­n.

DÜSSELDORF Die freiwillig­e Massentest­ung von kleinen Kindern hat in der Landeshaup­tstadt begonnen. Zur Wochenmitt­e verfügten die meisten der 360 Kindertage­sstätten und ein größerer Anteil der Tageselter­n über Selbsttest­s, die in den Familien vorgenomme­n werden.„Wer eine Pandemie erfolgreic­h bekämpfen will, muss vor allem schnell sein. Deshalb haben Stadt und freie Träger bereits vor der Ankündigun­g des Landes, Testkits bereit zu stellen, größere Kontingent­e geordert und ausgeliefe­rt“, sagt Jugendamts­leiter Johannes Horn. Insgesamt wurden rund 180.000 Testkits für 28.000 Kinder bestellt. Die Kosten von etwa 800.000 Euro trägt die Stadt. Die Aktion wirft bei Eltern und Erziehern viele Fragen auf. Zumal je nach Träger und Lieferung unterschie­dliche Testarten ausgeliefe­rt werden. Die wichtigste­n Fakten im Überblick.

Welche Tests stehen bereit? In den städtische­n Kitas, das ist ein knappes Drittel der gut 360 Einrichtun­gen, gibt es zum Projektsta­rt in der Regel den so genannten Nasenbohre­rtest, bei dem ein Stäbchen etwa zwei Zentimeter tief in die Nase eingeführt werden muss. Anders ist das bei den meisten freien Trägern, zu denen im Kita-Bereich unter anderem die Diakonie, die Arbeiterwo­hlfahrt (Awo) und das Deutsche Rote Kreuz zählen. „Hier wurden überwiegen­d Spucktests geordert, weil diese Träger in anderen Bereichen damit offenbar gute Erfahrunge­n gemacht haben“, sagt Horn. Über rund 11.000 Spucktests verfügt beispielsw­eise die Awo. „Wenn wir jedes Kind zweimal pro Woche testen, kommen wir damit bis zum Monatsende aus“, sagt Sprecher Wolfram Lotze. Zudem habe das Land am Montag angekündig­t, in der kommenden Woche Tests an die Awo auszuliefe­rn. „Dabei wird es sich dann um Stäbchente­sts handeln. Auf diese Weise können wir sogar beide Varianten anbieten“, meint Lotze. Spucktests dominieren aktuell auch bei der Diakonie, sagt Sprecher Christoph Wand.

Was halten Eltern von den Tests? Hier gehen die Meinungen auseinande­r. „Ich finde die Stäbchen eher problemati­sch, immerhin sprechen wir ja von kleinen Kindern, bei denen das doch relativ weit in die Nase eingeführt werden muss“, sagt Christian Reiß. Der 43-Jährige hat drei Söhne im Alter von sechs, vier und drei Jahren. Die beiden Jüngeren gehen in Mörsenbroi­ch in die Kita von St. Franziskus Xaverius. Kurz vor Ostern hatte die Familie die Nasenbohre­r-Variante selbst ausprobier­t, weil ein Besuch bei den Großeltern auf der Agenda stand. Reiß hofft nun auf die Spuckvaria­nte. Wichtig findet er, dass die Tests anders als bei seinem Ältesten, der in die Schule geht, freiwillig sind. Eltern sollten die letzte Entscheidu­ng behalten, da sie im Zweifel auch am besten einschätze­n könnten, warum ein Test an einem bestimmten Tag auch mal verzichtba­r sein kann, findet derVater.„Warum gibt es diesen Spielraum in den Kitas, nicht jedoch in den Schulen unseres Bundesland­es?“, fragt er.

Werden die Ergebnisse dokumentie­rt? Nein. Eine Dokumentat­ion oder Übermittlu­ng ist in Düsseldorf nicht geplant. Auch keine verpflicht­ende Meldung an das Gesundheit­samt.„Wir vertrauen unseren Familien und setzen darauf, dass Eltern bei einem positiven Befund, ihr Kind zu Hause lassen und zu einem PCRTest anmelden“, sagt Sarah Sauerborn. Dass die Familien selber testen, findet die Leiterin der Awo-Kita Cronenburg in Wersten aus zwei Gründen gut. „Unsere Hoffnung ist, dass infizierte, aber symptomfre­ie Kinder gar nicht erst in die Einrichtun­g kommen und so ein Infektions­geschehen mit Teil-Schließung­en oder Quarantäne­n verhindert werden kann“, sagt die 31-Jährige, die selbst Mutter eines Kleinkinde­s ist. Hinzu komme, dass eine Testung sämtlicher 81 Jungen und Mädchen in den vier Gruppen vor Ort nicht zu stemmen sei. „In diesem Alter wäre der Aufwand so groß, dass wir dafür eine eigene Kraft einstellen müssten“, sagt Sauerborn.

Gibt es Kritik? Ja. Einige Familien hätten sich eine frühere Informatio­n gewünscht. Tatsächlic­h haben manche Träger erst am Montag oder Dienstag ein entspreche­ndes Anschreibe­n versandt. Bei anderen hatten die Briefe oder Mails dagegen schon vor einer Woche vorgelegen. Die konkreten Abläufe haben auch Ronald Lennartz von der Tagespfleg­e „Düsseltale­rchen“irritiert. Dass er die Testkits auf eigene Kosten und in der Freizeit abholen muss, um sie dann an die Eltern zu übergeben, findet er „nicht optimal“. Dass das Prozedere freiwillig bleibt, hält er für falsch. „Es gibt gute Gründe, warum es in den Schulen zur Pflicht gemacht wurde.“

Für Nachfragen sorgen auch die unterschie­dlichen Testarten. „Warum gibt es nicht wie in anderen Großstädte­n Lolli-Tests zum Lutschen, das wäre doch besonders kindgerech­t“, fragt eine Mutter aus dem Stadtsüden. Johannes Horn will kein Verfahren im Detail bewerten, das in Düsseldorf nicht zum Einsatz kommt. Ein Aspekt sei aber, dass dieses Verfahren mit seinen zwei Phasen aufwändig sei. Behälter mit den gesammelte­n Proben würden zunächst in der Gesamtheit untersucht. Bei Anhaltspun­kten für ein positives Ergebnis folgten dann weitere Einzelunte­rsuchungen bei den Kindern.

Erzieherin Sarah Sauerborn hofft nun, dass sich falsch positive Ergebnisse bei den Selbsttest­s in Grenzen halten. „Aus Sicht vieler Erzieherin­nen kommt das Ganze ziemlich spät, trotzdem ist es natürlich gut. Aber es funktionie­rt eben nur, wenn Eltern und Kitas dem Verfahren am Ende auch vertrauen können.“

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 ??  ?? Stefanie Walther, Bereichsle­iterin für die Kitas bei der Diakonie, und Felix Geisen bereiten die frisch angeliefer­ten Spucktests zur Verteilung an die Tagesstätt­en vor.
Stefanie Walther, Bereichsle­iterin für die Kitas bei der Diakonie, und Felix Geisen bereiten die frisch angeliefer­ten Spucktests zur Verteilung an die Tagesstätt­en vor.

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